20.04.2020

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Los Angeles Modernism Revisited – Homeoffice-Kulturtipp

HO­ME­OF­FICE-KUL­TUR­TI­PP: Buch (ILLUS­TRA­TI­ON: JURI AGO­STI­NEL­LI)

40 Jahre hat es gedauert, bis Richard Neutras Heimatstadt Wien dem in Kalifornien groß gewordenen Architekten eine Ausstellung gewidmet hat. Einblick in die aktuell geschlossene Schau „Richard Neutra. Wohnhäuser für Kalifornien“ des Wien Museum bietet die über 250 Seiten starke Begleitpublikation „Los Angeles Modernism Revisited. Häuser von Neutra, Schindler, Ain und Zeitgenossen“ der beiden Kuratoren Andreas Nierhaus und David Schreyer, die als Inspiration für die heutige Architektur-Produktion dienen kann.

OYLER HOUSE, LONE PINE, 1959 (Foto: David Schreyer 2017)
OHARA HOUSE, SILVER LAKE, LOS ANGELES, 1961 (Foto: David Schreyer 2017)
FREEDMAN HOUSE, PACIFIC PALISADES, LOS ANGELES, 1949 (Foto: David Schreyer 2017)
MCINTOSH HOUSE, SILVER LAKE, LOS ANGELES, 1937–1939 (Foto: David Schreyer 2017)

Für Frank Lloyd Wright nach Amerika

Museen bleiben zwar bis auf weiteres geschlossen. Ausstellungskataloge aber vermögen darüber hinwegzutrösten – ganz besonders die Publikation von Wien Museum-Kurator Andreas Nierhaus und Architekturfotograf David Schreyer. Der opulente Band mit über 250 Seiten bildet die Forschungsreise quer durch Kalifornien zu den Architekturen Richard Neutras von den beiden Architektur-Spezialisten ab, die für die Neutra-Schau im Wien Museum verantwortlich zeichnen – nach 40 Jahren übrigens die erste Ausstellung über den österreichisch-amerikanischen Exilarchitekten in seinem Heimatland.

Neutra, 1892 in Wien geboren, prägt bis heute das Bild der modernen Architektur in Kalifornien. „Seine Bauten haben uns von Anfang an fasziniert“, erzählt Kurator Andreas Nierhaus. „Neutra hat ein über Jahrzehnte hinweg konsistentes architektonisches System entwickelt, das unterschiedlichen gestalterischen Herausforderungen angepasst werden konnte“.

Der Architekt gilt zudem als Pionier des nachhaltigen, ökologischen Wohnens. Mit Amerika war er durch Adolf Loos in Berührung gekommen. Dieser hatte seinen Schülern begeistert von seinem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten erzählt. „Neutra war insbesondere von den in Europa damals noch unbekannten Technologien im Bereich der Bauindustrie fasziniert, er wollte aber auch die Bauten seines Idols Frank Lloyd Wright im Original sehen und Erfahrung sammeln“, erläutert Andreas Nierhaus. „An eine dauerhafte Übersiedelung in die USA dachte er anfangs wohl nicht.“

Basis für die Neutra-Schau bildete eine ausgiebige Spurensuche. Den Großteil der rund 300 Bauten, die der Architekt im Laufe seines Lebens realisierte, findet man in Kalifornien; in Österreich verwirklichte der Architekt nur ein kleines Einfamilienhaus in der Wiener Werkbundsiedlung (1932).

50 Grad Celsius? Keine Klimaanlage nötig.

„Die von der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes finanzierte Forschungsreise fand im Frühsommer 2017 statt,“ erzählt Andreas Nierhaus. „Wir waren insgesamt fünf Wochen in Kalifornien unterwegs, den Hauptteil der Zeit haben wir in Los Angeles verbracht. Das Forschungsprojekt war von Anfang an als Experiment, als eine Art Expedition angelegt. Wir wussten am Anfang nicht, wie es ausgehen wird.“

Die zwei Architektur-Spezialisten klapperten sämtliche bekannte Häuser, mittlerweile gefragte Luxusimmobilien, der Reihe nach ab und nahmen Bauten weiterer Zeitgenossen der kalifornischen Moderne mit in ihre umfangreiche Dokumentation auf, und zwar von Rudolph Schindler, Ray Kappe, John Lautner, Whitney R. Smith, Craig Ellwood, Leland Evison und Gregory Ain.

Andreas Nierhaus und David Schreyer analysierten zudem Neutras Gebäude im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit: Die Bauten zeichnen sich durch ein kluges Reagieren auf die klimatischen Bedingungen – die meisten seiner Häuser kommen auch bei 50 Grad Celsius ohne Klimaanlage aus – sowie einen äußerst intelligenten Umgang mit der knappen Ressource Wohnraum aus – und können daher als Modelle für die heutige Architektur-Produktion gelesen werden.

Ausstellung bis zum 20. September in Wien

„Eine Triebfeder für unser Projekt waren Texte von Richard Neutra, in denen er die Vegetation rund um seine Häuser, deren Wirkung auf Raumklima und Atmosphären im Haus erläutert“, erklärt Fotograf David Schreyer. „Daher war immer klar, dass wir zu dem Zeitpunkt vor Ort sein werden, in dem die Vegetation ihre größte Wirkung erzielt: im Frühsommer. Und in dieser Zeit herrschen im Wüstenklima von L.A. Hitze und Sonne.“

Insgesamt neun Privathäuser präsentieren die beiden Kuratoren in der Schau. Zumindest die Wiener können wohl ab 1. Juli die noch bis zum 20. September laufende Ausstellung besuchen, da die Museen dann ihren regulären Betrieb wieder aufnehmen.

David Schreyer, Andreas Nierhaus, Los Angeles Modernism Revisited. Häuser von Neutra, Schindler, Ain und Zeitgenossen, 256 S., 199 farb. und SW-Abb. und Grundrisse, gebunden, Park Books, Zürich 2019

Hier finden Sie den letzten Homeoffice-Kulturtipp: 25 Aphorismen zur Architektur.

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