06.05.2025

Architektur Wohnen

BUNTE MISCHUNG: Regensburger Viertel in Nürnberg

Das Quartier „Bunte Mischung“ von Behles & Jochimsen in Nürnberg. Foto: Marcus Bredt

Auf einem ehemals weitgehend bewaldeten Areal am östlichen Stadtrand von Nürnberg ist in den vergangenen drei Jahren ein neues Wohnquartier mit 381 Wohnungen entstanden. Das Siedlungswerk Nürnberg (SWN) setzte hier als Bauherr und dem Architekturbüro Behles & Jochimsen ein bemerkenswertes Projekt um, das trotz zahlreicher Herausforderungen kostengünstigen Wohnraum bei gleichzeitig ansprechender städtebaulicher und architektonischer Qualität realisiert.


Entstehungsgeschichte

Der Planungsanlass für das Quartier „Bunte Mischung“ entstand Mitte der 2010er Jahre. Der Freistaat Bayern durchforstete damals sein Grundstücksportfolio nach Flächen für kostengünstigen, verdichteten Wohnungsbau. Das 3,9 Hektar große Grundstück zwischen der Regensburger Straße und der Bahnlinie war bereits planungsrechtlich gesichert, allerdings mit einem veralteten Bebauungsplan aus den 1970er Jahren, der offene Bauweise, geringe Ausnutzung und die Nutzung als öffentliche Verwaltung vorsah. Die Stadt Nürnberg zeigte sich kooperativ bei der Anpassung des Bebauungsplans hinsichtlich Dichte, Nutzung und Bauform.


Städtebaulicher Entwurf und Masterplan

2016 schrieb das Siedlungswerk einen städtebaulichen Ideenwettbewerb aus, bei dem ein Team aus den Architekturbüros Behles & Jochimsen und Topos Landschaftsarchitekten den ersten Preis erhielt. Der ursprüngliche Wettbewerbsentwurf mit 480 Wohneinheiten und einer GFZ von 2,0 wurde im Dialog mit den beteiligten Ämtern zu einem Masterplan weiterentwickelt, wobei die Dichte auf 381 Wohnungen und eine GFZ von 1,75 reduziert wurde.

Die städtebauliche Konzeption gliedert das Grundstück in vier Baufelder, die von einer Ringstraße umgeben sind. Die Randbebauung längs dieser Ringstraße ist geschlossen gestaltet und wird von einem erhaltenen Waldsaum gefasst. Diese geschlossene Bauweise dient als effektiver Lärmschutz gegen die erheblichen Belastungen durch Verkehrs- und Gewerbelärm. Jedes Baufeld verfügt über einen grünen Hof, um den herum die Gebäude straßenständig angeordnet sind. Die Höfe sind durch Bebauungslücken und Passagen miteinander verbunden. Zwischen den Baufeldern verlaufen schmale Gassen und kreuzen sich an einem kleinen Platz, der durch Verschiebung der Gebäudeblöcke gegeneinander entsteht.

Die Bebauung besteht aus gereihten Häusern, deren Eigenständigkeit durch Höhenstaffelungen und Knicke im Grundriss volumetrisch betont wird. Die Gebäude im äußeren Bebauungsring sind höher, im Quartiersinneren niedriger gestaltet, wobei die Ecken betont werden. Um einen urbanen Charakter zu erreichen, wurden die Abstände zwischen den Gebäuden entlang der Gassen minimiert, während die Höfe großzügiger bemessen sind.

Foto: Marcus Bredt
Foto: Marcus Bredt
Foto: Marcus Bredt
Foto: Marcus Bredt
Foto: Marcus Bredt
Foto: Marcus Bredt

Lärmschutzkonzept

Eine besondere Herausforderung stellte die massive Lärmbelastung des Grundstücks durch Verkehr (Bahn und Straßen) sowie Gewerbe dar. Ein ausgeklügeltes Lärmschutzkonzept wurde entwickelt: Längs der Bahn fungieren ein Bürohaus an der Ecke Hans-Kalb-Straße, ein Blockheizkraftwerk als südliches Torhaus sowie ein Parkhaus als Lärmpuffer für die dahinterliegende Wohnbebauung. An der Regensburger Straße markiert ein kleines Hochhaus den Auftakt zum Quartier. Die Anordnung von Aufenthaltsräumen in Richtung Bahn und zur Hans-Kalb-Straße wurde vermieden, und Wohnzimmer sowie Freisitze wurden wo immer möglich zu den leiseren Höfen hin orientiert.


Gebäudetypologie

Um dem Quartier einen urbanen Charakter zu verleihen, wurde eine kontrollierte Buntheit und Vielfalt angestrebt. Die größtenteils verputzten Lochfassaden variieren auch vor ähnlichen oder gleichen Grundrissen. Jedes Haus weist innerhalb eines vorgegebenen Spektrums seine eigene Farbidentität auf. Die Straßenfassaden sind vielfältiger und massiver, die Hoffassaden ruhiger und filigraner gestaltet, was die Unterscheidung von öffentlichen und privaten Räumen unterstützt.

Aus Gründen des Lärmschutzes wurden die Fenstergrößen der Straßenfassaden minimiert und raumweise so bemessen, dass sie jeweils die Mindestbelichtung sicherstellen. Um die Banalität der sich ergebenden Fassadenmuster zu vermeiden, wurden die Fenster insbesondere im Bereich der Treppenhäuser spielerisch verteilt. Breite Faschen um die Fenster vergrößern diese optisch. Auf den Hoffassaden dominieren bodentiefe französische Fenster, während Loggien und halbrunde Balkone die Ansichten rhythmisieren.

Das Quartier umfasst verschiedene Gebäudetypen: Ein elfgeschossiges „Low-Tech-Hochhaus“ mit Gewerberäumen im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss, darüber neun Geschosse mit je vier Wohnungen. Der Haustyp „Regensburger Straße“ als Dreispänner mit vorgelagerten Balkonen wurde dort eingesetzt, wo die Lärmproblematik geringer war. An der Hans-Kalb-Straße, längs der Bahn und zur Seite des August-Meier-Heims kamen Zweispänner-Grundrisse mit „Lärmschutzgrundrissen“ zum Einsatz. Weitere spezielle Gebäudetypen sind die Eckhäuser, die Torhäuser, das Bürohaus, das Heizhaus sowie das Parkhaus.

Foto: Marcus Bredt
Foto: Marcus Bredt
Foto: Marcus Bredt
Foto: Marcus Bredt
Foto: Marcus Bredt

Soziale Infrastruktur und Nutzungsmix

Am kleinen Quartiersplatz finden neben Läden für die Nahversorgung auch eine Kindertagesstätte mit Familienzentrum ihren Platz. Diese vermittelt maßstäblich zu den denkmalgeschützten Bestandsbauten im Osten. Die Kita ist als einziges weißes Haus im bunten Quartier gestaltet und verfügt über einen eigenen Garten mit geschützten Stieleichen. Die Kindergartenräume befinden sich im Erdgeschoss, die Krippenräume darüber. Der Mehrzweckraum kann auch für Veranstaltungen genutzt werden.

Das Quartiersinnere ist durchgängig verkehrsberuhigt und weitgehend autofrei konzipiert. Die nach Stellplatzsatzung erforderlichen Stellplätze wurden größtenteils in einem sechsgeschossigen Parkhaus mit 365 Stellplätzen untergebracht, das zugleich als Lärmbarriere zur Bahn hin fungiert. Weitere Stellplätze befinden sich in einer Tiefgarage unter dem Hochhaus sowie längs der Ringstraße. Die Fahrradabstellplätze werden etwa zur Hälfte in gemeinschaftlichen Fahrradräumen und privaten Mieterkellern und zur anderen Hälfte in Fahrradabstell-Häuschen im Außenraum nachgewiesen.


Wirtschaftlichkeit und Baustandards

Eine zentrale Herausforderung bestand darin, in Zeiten steigender Baupreise qualitätvolles und bezahlbares Wohnen zur Miete zu realisieren. Einfache Baukörper und Baukonstruktionen, die Modularisierung der Grundrisse und die Standardisierung vieler Bauteile halfen dabei, Kosten zu reduzieren. Der Rohbau wurde bewusst konventionell in Kalksandstein-Mauerwerk und Teilfertigteildecken ausgeführt, um einen breiten Bieterkreis für die Rohbauleistungen anzusprechen.

Von den 381 Wohneinheiten wurden 45% gefördert und 55% frei finanziert. Bei der Konzeption sämtlicher Wohnungsgrundrisse wurden die Richtlinien zur einkommensorientierten Förderung zugrunde gelegt. Alle Wohnungen weisen gleiche bauliche Standards auf, und fast alle sind barrierefrei gestaltet.

Das Gesamtinvestitionsvolumen betrug 141 Millionen Euro. Die Baukosten für einen Quadratmeter Wohnfläche lagen bei 2.350 Euro brutto (Kostengruppen 300 und 400). Die freifinanzierten Wohnungen werden vom Siedlungswerk Nürnberg für unter 12 €/m² Wohnfläche angeboten, die geförderten je nach Fördermodell entsprechend günstiger.

Haus 7
Haus 11 und 12
Haus 13
Haus 31
Haus 33
Ein Regelgeschoss der gesamten Anlage.
Grundriss Erdgeschoss Gesamt

Ökologie und Nachhaltigkeit

Trotz der dichten Bebauung wurden zahlreiche ökologische Maßnahmen umgesetzt. Es wurde versucht, möglichst viele der vorhandenen Bäume zu erhalten und durch standortgerechte Neupflanzungen zu ergänzen. Weiterhin wurde ein Eidechsenbiotop angelegt sowie Nistkästen installiert. Die Dächer sowie eine Reihe geeigneter Fassaden wurden begrünt. Niederschläge werden trotz der hohen Dichte und schwieriger Bodenverhältnisse komplett auf dem eigenen Grundstück zur Versickerung gebracht.

Das Quartier wurde im Energieeffizienz-Standard KfW 55 realisiert. Da keine Fernwärme zur Verfügung stand, wurde im Torhaus Süd ein mit Biogas betriebenes Blockheizkraftwerk errichtet, das das Quartier mit Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung) versorgt.

Die Bauleistungen mit Ausnahme der Kita wurden im Frühjahr 2021 auf der Basis einer vertieften Entwurfsplanung mit Leitdetails an den Generalunternehmer Max Bögl vergeben. Behles & Jochimsen übernahmen auf Wunsch des Bauherrn die Ausführungsplanung auf Seiten des GUs, die Qualitätssicherung und Oberbauleitung für den Bauherrn hatte das Büro GAPP aus München inne. Die Bauarbeiten begannen im Sommer 2021 und wurden im Oktober 2024 abgeschlossen.


Fazit

Das Wohnquartier „Bunte Mischung“ zeigt, dass auch unter schwierigen Rahmenbedingungen wie Lärmbelastungen und steigenden Baukosten ein qualitätvolles und gleichzeitig bezahlbares Wohnquartier realisiert werden kann. Durch einen durchdachten städtebaulichen Entwurf, eine effiziente Grundrissplanung, standardisierte Bauteile und eine konventionelle, aber solide Bauweise wurden Kosten gespart, ohne auf eine ansprechende Architektur und ökologische Qualitäten verzichten zu müssen. Mit seiner kontrollierten Buntheit und Maßstäblichkeit bietet das Quartier seinen Bewohnern trotz der ungünstigen Lage zwischen Bahntrasse und stark befahrener Straße ein angenehmes Wohnumfeld mit identitätsstiftenden Qualitäten.

 

Lesen Sie hier auch mehr über die Nürnberger Altstadt, dem Augustinerhof von Staab Architekten. 

Scroll to Top