18.10.2021

Architektur Öffentlich

Raum der Stille, Flughafen BER

Ziegel
Raum der Stille Flughafen BER

Foto: Marcus Bredt

Inmitten des Trubels vom Flughafen BER liegt eine Oase der Ruhe. Dieser Raum der Stille lädt zu Andacht und Besinnung ein und zwar Menschen verschiedener Religionen und Kulturen. Wer die Tür zu dem Refugium durchreitet, findet sich in einer anderen Welt wieder.

Raum der Stille Flughafen BER
Foto: Marcus Bredt

Entwurfsidee von Gerkan, Marg und Partner

Eingebettet in das Terminalgebäude des Flughafens Berlin Brandenburg liegt ein für alle zugänglicher Raum, der Gelegenheit für Andacht und Kontemplation bietet. Eigentlich ist es nicht nur ein Raum. Vielmehr herrscht Stille in einem Nebeneinander eines christlichen und eines bekenntnisunabhängigen Raumes. Damit spricht der Rückzugsort Menschen verschiedener Kulturen und Religionen an. Früher hätte ein solcher Ort allein eine Kapelle geboten. Die Zeiten aber sind vorbei. Dennoch ist der Raum der Stille eine Art archaischer Kultraum, der tief im Inneren eines High-Tech-Gebäudes liegt. Wer die Tür zu diesem Refugium durchschreitet, betritt eine andere Welt.

In einem anonymen Wettbewerb hatte das Konzept des großen Büro Gerkan, Marg und Partner aus Hamburg die Jury überzeugt. Die Architekten sahen für den Flughafen BER zwei Rückzugsräume vor: eine christliche Kapelle und ein Raum der Stille. Beide funktionieren als gleichberechtigte Andachtsräume und sprechen Menschen aus allen Kulturen und Religionen gleichermaßen an. Insgesamt umfasst der Komplex fünf Räume. Neben den beiden Andachtsräumen, umfasst das Ensemble noch zwei Vorräume, die vor den Andachtsräumen liegen. Diese wiederum sind über einen zentralen dritten Eingangsraum zugänglich.


Kleinod für viele Belange am Flughafen BER

Fotos: Marcus Bredt

An einem Flughafen ist man dem Himmel vielleicht näher, als an kaum einem anderen Ort. Er könnte also Zuversicht und Geborgenheit ausstrahlen. Aber nicht alle Menschen empfinden diese. Vielmehr ist ein Flughafen auch ein Ort von Grenzerfahrungen und Ängsten, von extremem Gefühlen und Unruhe. Hier pulsieren Verkehrsströme, fluten Informationen und Töne auf einen ein und verbreiten Hektik und Nervosität. Hier wird unverhältnismäßig oft Abschied genommen und die Wege vieler Menschen führen ins Ungewisse. Diesen Gefühlen und Gedanken setzt der Raum der Stille am Flughafen BER etwas entgegen. Er bietet allen Interessierten einen Ort der Abgeschiedenheit mit Gelegenheit zum Innehalten.


Ziegel und Licht

Fotos: Marcus Bredt

Im Inneren der Ruheoase dominiert Ziegel. Die Wände, die Böden und die gestuften Gewölbedecken der Andachtsräume bestehen aus gebrannten Ziegeln. Dieses Material, seine einfache und geometrische Form, hat eine archaische Anmutung. Diese assoziieren die Architekten mit den Ursprüngen der Menschheit sowie der lokalen Bautradition alter Gotteshäuser in Berlin und Brandenburg. Über den unterschiedlich großen, quadratischen Grundrissen der fünf Räume spannen gestufte Gewölbedecken mit hinterleuchteten Fugen, die eine kontemplative Stimmung erzeugen. Den Abschluss der Gewölbe bildet jeweils ein indirekt beleuchtetes Okulus-Fenster, das den Raum der Stille symbolisch nach oben öffnet.

Zwei Räume der Stille für den Flughafen BER

Ein Andachtsraum ist wie eine christliche Kapelle ausgestattet. Er hat einen Altar und zehn bis 15 Sitzplätze, sowie ein schlichtes Bronzepult und einen Altar mit einer Bronzeplatte. Das christliche Kreuz ist als Aussparung in die Wand eingeschnitten und wird dort indirekt von hinten beleuchtet. Der benachbarte zweite Raum der Andacht ist nur mit einer bronzenen Bodenplatte geschmückt, die den Weltkreis mit einer Windrose zeigt. Diese zeigt nicht-christlichen Gläubigen im Raum der Stille die Richtung nach Mekka oder Jerusalem.

Foto: Marcus Bredt

Kontemplation pur

Im kleinen, quadratischen Empfangsraum brennt in einer Nische eine Kerze. Darüber schreibt ein in Erz gegossener Schriftzug das Wort Stille in sechs verschiedenen Sprachen. Mit diesem ersten Aufruf zur Stille geht es zu beiden Seiten in die benachbarten Foyers zu den Andachtssäumen. In dem linken hängt ein kaum sichtbares Bronzekreuz und den anderen schmückt ein Quadrat im Weltenkreis. Beide weisen den Weg in den jeweils anschließenden Andachtsraum.

Die Gestaltung der Andachtsräume und der dazugehörigen Vorräume ist auf das Äußerste reduziert. Diese Vereinfachung vermeidet jede Ablenkung. Sie erzeugt eine stoische Atmosphäre und strahlt große Ruhe aus. Die steht im starken Gegensatz zum pulsierenden Leben des Flughafens. Vielleicht wollten die Architekten aber nicht nur einen ablenkungsfreien Raum schaffen, sondern Bezug zu frühchristlichen und orientalischen Raumschöpfungen herstellen. Vielleicht wollten sie aber auch nur Erinnerungen an geborgene Zeiten wecken in früher Kindheit oder in Gottesdiensten bei Kerzenschein. Zumindest hat die Architektur hier alles getan, um dem Flughafentrubel zu entkommen. Der Rest liegt beim Einzelnen selber.

Die Architekten von Gerkan, Marg und Partner haben einen temporären Konzertsaal in München entworfen. Welche Überraschungen das Konzerthaus „Isarphilharmonie bereithält, sehen Sie hier.

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top