18.02.2019

Event

In der Diskurszentrifuge: Das politische Bauhaus diskutieren

Wie politisch ist das Bauhaus?


Hochkaräter, in eigener Sache

Die Frage danach, wie politisch das Bauhaus war oder ist, klingt fokussiert. Liegt es nun am heterogenen Beobachtungsgegenstand oder der explorativen Herangehensweise, dass einem diese Frage während der Tagung zum Thema im Haus der Kulturen der Welt in Berlin doch ziemlich um die Ohren fliegt? Ein Bericht aus der Diskurszentrifuge.

Die Tagung zum Thema “Wie politisch ist das Bauhaus?” am 19. Januar 2019 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin in Kooperation mit ARCH+ präsentierte einem fast vollen Haus unterschiedliche Formate wie Vortrag, Gespräch oder Podiumsdiskussion. Um sich dem Thema anzunähern, wurden Politikfelder als Diskussionsgrundlage vorgeschlagen, nach den Kategorien Pädagogik, Internationalisierung, Emanzipation und Wohnungsbau differenziert. Die Tagung gestaltete sich dadurch recht explorativ. Teilthemen und -beiträge neigten daher auch dazu, in alle Windrichtungen davonzuflattern. Die Eingangsfrage war zudem wohl doch nicht so ganz klar, wie sie zunächst erschien. Eine weiterführende Präzisierung der Frage nach dem politischen Charakter des Bauhauses wäre daher wünschenswert gewesen.

Im Jubiläumsjahr gab es auch genügend Anlass zur Auseinandersetzung mit dem Thema! Die unglücklich und irritierend begründete Absage des Konzerts der Band “Feine Sahne Fischfilet” im altehrwürdigen Gebäude der Stiftung Bauhaus Dessau rief Erstaunen und Empörung hervor. Das Bauhaus sei von jeher ein unpolitischer Ort gewesen, wie aus Kreisen der Stiftung zu hören war. Diese Aussage bot auch einen konkreten, aktuellen Grund dafür, sich im Rahmen der Tagung mit dem “politischen Bauhaus” zu befassen. Das Grusswort von Klaus Lederer, dem Berliner Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa, war hier ganz deutlich formuliert: “Ja klar, das Bauhaus war politisch, und wie!” Es sei, so Lederer, “immer ein Ort der politischen Auseinandersetzung” gewesen und als Kind der deutschen Republik der Zwischenkriegszeit Gegenstand politischer Gewalt von Rechts.

War das Statement der Stiftung Bauhaus Dessau also ein Indikator für eine intentionale Depolitisierung? Als es darum ging, wer eigentlich vom institutionellen Rückzug aus der politischen Sphäre betroffen war und ist, konnte man die stärksten Momente der Tagung miterleben. Vorher galt es jedoch, einiges auszuhalten. Einige Redner waren unterhaltsam, aber unpassend. Beatriz Colomina plauderte über Architektenperversionen, und so lugte unvermittelt ein unbekleideter Le Corbusier in die “Schwangere Auster” hinein. Mark Wigley führt die Spuren des Militärischen im Bauhaus auf Walter Gropius’ Biografie und den Ersten Weltkrieg zurück. Ist das Bauhaus als Phänomen einer obsessiv-militarisierten Gesellschaft der damaligen Zeit zu betrachten? Dieser verlockende Denkansatz wurde leider nicht vertieft. Auch ein weiterer Hochkaräter wie Arjun Appadurai konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Starcharakter und thematische Einbindung an diesem Tag nicht ganz harmonierten.

Bauhaus als Spielball zwischen den Parteien

Vom Standpunkt der Architektur betrachtet stellte das Panel zur Kategorie Wohnungsbau den gehaltvollsten Teil der Tagung dar. Dies lag sicherlich an der fachlichen Präzision der Teilnehmer, einer treffsicheren thematischen Einführung von Philipp Oswaldt und nicht zuletzt der pointierten und scharfsinnigen Moderation von Thomas Flierl. Jesko Fezers Stellungnahmen zu den Begriffen “Verantwortung” und “Parteinahme” hinsichtlich des Risikos der Überforderung einer alltäglichen Architekturpraxis der Gegenwart regten zum Nachdenken an. Nicht zuletzt sind diese Begriffe höchst relevant für einen als politisch verstandenen Gestaltungsansatz. Wie kann sich in diesem Zusammenhang Design äussern? Darüber würde man gerne mehr hören und sehen.

Regina Bittner, Leiterin der Akademie der Stiftung Bauhaus Dessau, bot als Abschluss ihres Beitrags die Erkenntnis, es habe stets mehrere “Bauhäuser” gegeben. Eine irritierende Sprachfigur!Die Betrachtung des Bauhauses als Schule zwischen 1919 und 1933 ergibt ja durchaus ein heterogenes Bild. Die Tagung hat dies auch aufgegriffen. Aber – sehen sich etwa die gegenwärtigen Institutionen, die sich auf das Bauhaus begrifflich berufen, jedoch unterschiedliche institutionelle Aspekte besetzen, als jeweils eines von verschiedenen “Bauhäusern” an? Auf diese Weise Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Trägern des Namens angesichts der aktuellen Debatte zu normalisieren, wirkt hilflos.

Depolitisierung als Komplize rechter Gewalt

Im Tagungsabschnitt zur “Politischen Rolle kultureller Institutionen” fanden betroffene Akteure Gehör, eingeleitet durch ein fulminantes rhetorisches Feuerwerk des Historikers Justus Ulbrich. In der folgenden Podiumsdiskussion lieferte Jacobus North, Mitglied der Band “Feine Sahne Fischfilet”, das Statement des Tages: “Zieh dir mal ein “Refugees welcome” T-Shirt auf einer Baustelle in Mecklenburg-Vorpommern an. Ich glaube, das wird in Berlin OK sein. Aber eine Baustelle in Vorpommern? Da wirst du vom Gerüst getreten!” Hier wurde die Gefahr durch den “Beschuss von Rechts” (North) sehr deutlich und eindrücklich vermittelt. North weiter: “Die Rechten haben bekommen, was sie wollten, Claudia Perren hat mitgeholfen.”

Fazit: Einige Beiträge erschienen auf seltsame Weise deplatziert und trugen nur bedingt zur Beantwortung der Eingangsfrage bei. Einige Beiträge der Tagung waren stark und regten zum Weiterdenken und -diskutieren an. Die Frage, ob das Bauhaus politisch sei, blieb eine komplizierte. Ob unterschiedliche Akteure ihrer Wahrnehmung nach dem Bauhaus eine politische Bedeutung beimessen, konnten die Teilnehmer selbst feststellen. Die Bedeutung dieses Umstands blieb jedoch vage. In diesem Spannungsfeld hätte zumindest eine Präzisierung der Eingangsfrage stattfinden können. Dennoch: Die Tagung stellt einen wichtigen Schritt in einer gesellschaftsweiten Diskussion um das Politische der Gestaltung im Allgemeinen und des Bauhauses im Besonderen dar. Dieser Schritt ist es wert, weiterverfolgt zu werden. Das Bauhaus-Jubiläum bietet hoffentlich noch reichlich Möglichkeiten, eine Feinjustierung der politischen Fragen um die “Diskurszentrifuge Bauhaus” vorzunehmen.

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top