14.01.2015

Öffentlich

Pegida und die Politik des Raumes

Einen diskursiven Evergreen bildet die Frage, ob und wie „Architektur politisch“ sein kann. Unter 68-bewegten Architekten und Autoren beliebt ist das Jammern über unsere unpolitischen Zeiten. Gern redet man sich selber ein, die eigenen, vermeintlich sehr provokanten architekturpolitischen Thesen dürften nicht mehr publiziert werden. Was natürlich Unsinn ist. Die Thesen sind oft nur nicht durchdacht genug, um der heutigen Weltlage gerecht zu werden.

Wie man dem komplexen Verhältnis von Architektur und Politik, beziehungsweise Ideologie, sinnvoller beikommen kann, das habe ich gestern Abend an der TU München erlebt. Die Theoretiker Zvi Efrat und Ines Weizman zeichneten in einer Talkrunde der Diskursplattform Tumlar unterschiedliche architektonische Politisierungslinien nach. Efrat zum Beispiel demonstrierte, dass die Gründung des Staates und Staatsgebietes Israel natürlich ein hochgradig politischer Akt war. Und einer, der sich in gewisser Hinsicht einer anti-urbanen Denkweise verbunden fühlte. Es ging um die Planung eines gesamten Staatsraumes. Ideen wie die Gartenstadt spielten eine zentrale Rolle.

Der rurale Grundzug, auf den der Architekt und Professor aus Jerusalem verwies, erklärt sich aus meiner Sicht auch durch die Erfahrungen der Juden zuvor. Die weltweit verstreuten Angehörigen jüdischen Glaubens hatten ja primär in Städten ihre kulturellen Einheiten bilden können – oder dürfen (Stichwort Gettoisierung). Nun geschah eine Rückbesinnung auf die Geografie und damit die Ausbreitung im Raum. Der Kibbuz als sozial-räumliches Konzept entstand.

Die Planer des neuen Israel, unter ihnen Erich Mendelsohn und Richard Kauffmann, arbeiteten damals im Geiste des Bauhauses und mit dem Selbstbewusstsein der Tabula Rasa. Es war eben die Zeit eines grundoptimistischen Modernismus. Man glaubte, mit einer großen architektonischen Geste Utopien zum Leben erwecken zu können. Heute, das haben wir auch in der Diskussion schnell erlebt, ist die Sache schwieriger. Und den Architekten ist ja auch die Sehnsucht nach dem ganz leeren Raum, den es großgestig zu bespielen gilt, abhanden gekommen.

Das gilt nicht nur für Israel, sondern auch für Deutschland und speziell für Berlin. Ines Weizman zeigte gestern auf, wie sich im Nachkriegsberlin einerseits die politischen Ideologien von Ost und West architektonisch niederschlugen. Dass aber auch dort die große Geste durchaus en vogue war. Das ist sie heute nicht mehr. Gerade angesichts der Neubauten im Nachkriegsberlin überrascht dies auch nicht. Wir sind eben architektonisch enttäuscht von dem, was in dieser neuen Mitte entstanden ist – gerade angesichts der Chancen, die ein leeres Zentrum einer europäischen Metropole Anfang der 90er Jahre bot. Doch das Resultat ist bieder und desillusionierend. So erklärt sich vielleicht die Tatsache, dass die Architekten heute eher das Weiterbauen, Umbauen, Verdichten lieben – und weniger die radikale raumgreifende Geste.

Die Frage bleibt aber: Wie kann man auch heute sinnvoll qua Architektur politisch Einfluss nehmen? Die Antwort wird nicht einfach fallen. Auch deshalb nicht, weil die simplen Dualitäten, die sich oben zitierte 68er-Denke wünscht, nicht existieren. Ines Weizman sprach en passant ein solches Beispiel an: Pegida. Die hysterischen Kleingeister, die sich in Dresden und anderswo eine vorglobalisierte Simpelwelt zurückphantasieren wollen, machen ja räumlich gesehen etwas, was wir eigentlich begrüßen müssten: Sie gehen auf die Straße. Sie artikulieren, wie hohl auch immer, eine politische Meinung. Das heißt: Raum ist niemals unschuldig. Und Politik auf der Straße führt nicht immer zu jenen Artikulationen, die wir uns vielleicht wünschen.

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