16.12.2016

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Olgiati über den Barcelona Pavillon

„Man tut nicht etwas

Mies van der Rohe,
Valerio Olgiati,
1955 n. Chr.

In ihrem Buch „Reminiscence“ porträtieren Benedict Esche und Benedikt Hartl die besondere Beziehung zwischen Bauwerk und Architekt. Dort kommen wegweisende Architekten zu Wort, die über ihre architektonische Prägung und deren Einfluss auf die eigene Arbeit schreiben. Hier sinniert Valerio Olgiati über die Gegensätzlichkeit des Barcelona Pavillons von Mies van der Rohe:

„Man tut nicht etwas, nur weil es einem Spaß macht, sondern weil es richtig ist.“ – Ludwig Mies van der Rohe

 

„Mein Lieblingsbeispiel, ist vielleicht das maximale moderne Gebäude, nämlich der Barcelona Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe. Ich schätze diesen Bau über alles und zwar genau aus dem Grunde, dass dieses Gebäude nicht eine Klarheit schafft im Sinne, wie einzelnen Bauteile miteinander in Verbindung stehen. Es ist herrlich, den Barcelona Pavillon zu studieren, weil er voll von Gegensätzen ist. Es ist Mies in meisterhafter Manier gelungen, uns durch ein ganzes Aufgebot von verschiedensten Gegensätzen eine ganzheitliche Welt näherzubringen, wie es andere sogenannte eindeutige und nicht gegensätzliche Gebäude niemals erreichen können. Im ersten Moment, wenn man den Barcelona Pavillon anschaut, sieht man die verschiedenen Marmor- und Terrazzosteine. Diese sind die dominanten vertikalen Elemente. Man entdeckt dann aber sehr bald, dass die Wände aus Stein keine Lasten tragen, sondern nur als Raum ordnende Elemente agieren. Man bemerkt dann weiter, dass die Stützen die Last des Daches tragen, aber man findet diese Stützen dann wiederum kreuzförmig und in hochreflektivem Chrom eingefasst vor, was wiederum nicht zufällig ist, da diese Form und das Oberflächenmaterial absichtlich ihre eigene Existenz vollständig negieren, obwohl diese Stützen die primären statischen Elemente das Pavillons sind. Später begegnet man einem flachen, nur zehn Zentimeter tiefen Wasserbecken. Das Wasser in diesen Becken ist absolut still, einem Spiegel gleich. Dann aber, während man an diesem absolut stillen Wassern entlang spaziert, bemerkt man die runden Steine die auf dem Boden des Beckens liegen. Wir wissen alle, dass runde Steine nur in bewegten und turbulenten Gewässern entstehen. Ich kann mir nichts Gegensätzlicheres vorstellen, als diese runden Steine in diesem totenstillen Wasserbecken, welche aber eigentlich in ein turbulentes Gewässer gehören. Es gäbe noch einiges über den Barcelona Pavillon zu sagen. Doch nur schon diese zwei Aspekte dieses Bauwerks zeigen, was Architektur sein kann; eine sinnliche Art von Denken. Die Gegensätze die Mies in allen seinen Bauten konstruierte, waren alle von großer inszenatorischer Kraft. Ein orthodoxer Architekt der Moderne hatte zweifelsohne seine Probleme mit dieser Architektur, da diese außerhalb seines Denkens und wohl auch seiner Vorstellungskraft lag. Auch viele zeitgenössische Architekten werden Schwierigkeiten haben, all das zu verstehen, da sie unter Emotionalität die Darstellung des unbewussten Ichs verstehen und ihnen die Disziplin fehlt, widersprüchlich zu denken und zu entwerfen. Die Architektur von Mies wird die Zeiten überstehen. Sie zeigt die Ausdrucksform eines erkennenden Autors und sie ist die Arbeit eines Meisters mit überwältigenden Fähigkeiten.“

Weitere Informationen zum Buch finden Sie hier

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