28.04.2025

Architektur Gewerbe Interior

NOA gestaltet Headquarter für ADDITIVE in Bozen

Innenarchitektur

In einem drittgeschossigen Rohbau in der Messezone von Bozen hat das Architekturbüro NOA (Network of Architecture) ein neues Bürointerieur für das Softwareunternehmen ADDITIVE realisiert. Die Planungsprämisse: kein Repräsentationsraum für Kunden, sondern ein funktional verdichteter Arbeitsort für die rund 70 Mitarbeitenden eines digital agierenden Unternehmens.

Das Projekt „ADDITIVE Headquarters“ reagiert auf veränderte Ansprüche an Arbeitsumgebungen – jenseits klassischer Bürotypologien und fern von Hierarchie und Abteilungslogik. Stattdessen entwarf NOA eine Serie von Volumen im Raum, eine Komposition aus Boxen, Flächen und Nischen, die sich als Matrix aus beweglichen Nutzungsmöglichkeiten lesen lässt. Die Projektverantwortlichen sprechen von einem „Labyrinth der Entdeckung“.


Eine Typologie der Flexibilität

Die Ausgangslage: 850 Quadratmeter in einem noch nicht ausgebauten Gebäudeteil, eine vollständig digitale Arbeitsweise und eine Belegschaft, die hybride, interdisziplinäre Tätigkeiten ausführt. Diese Konstellation erforderte eine Grundsatzentscheidung: Das Design sollte nicht Besuchswege choreografieren oder Markenidentität visualisieren, sondern den Alltag der Nutzerinnen und Nutzer konkret unterstützen.

Entsprechend strukturieren keine Gänge oder geschlossene Zellen den Grundriss. Stattdessen gliedert sich der Raum in unterschiedliche Boxen, die sich in Maßstab, Form und Funktion voneinander abheben – aber alle lose im Raum verankert sind. Teilweise schweben sie, teilweise docken sie an Boden, Decke oder Wand. Die Boxen schaffen Rückzugsorte, fördern aber gleichzeitig auch Bewegung und spontane Interaktion.


Arbeitslandschaft ohne Departments

Das Raumkonzept verzichtet bewusst auf eine Aufteilung nach Abteilungen. Vielmehr ergeben sich Arbeitsplätze aus atmosphärisch und funktional differenzierten Zonen: helle, introvertierte, kommunikative oder abgeschirmte Bereiche. Die Nutzung ist frei wählbar – ein Modell, das sowohl der digitalen Infrastruktur als auch den unterschiedlichen Arbeitssituationen gerecht wird.

Die Mitarbeitenden verfügen am Eingang über persönliche Schließfächer, auf klassischen Stauraum wurde weitgehend verzichtet. Gearbeitet wird mobil, an höhenverstellbaren Tischen, in Gruppen oder einzeln, je nach Bedarf. Eine zentrale Idee: Die räumliche Struktur soll soziale Dynamiken ermöglichen, nicht reglementieren.


Communal Space als räumliches Rückgrat

Ein zentrales Element des Entwurfs ist der sogenannte „Communal Space“, ein durchgängig bespielbarer Bereich, der sich quer durch die Etage zieht. Hier konzentrieren sich gemeinschaftliche Funktionen: eine Rezeption, Essbereiche, Sitzstufen, Meeting-Points, ein Kaffeebereich und ein rund 70 Quadratmeter großer Indoor-Garten. Letzterer lässt sich durch eine mobile Glaswand abtrennen und wird so zur temporären Zone – beispielsweise für Pausen oder informelle Besprechungen.

Die Gestaltung dieses Bereichs operiert mit bewusst gesetzten Brüchen: Sichtbare Leitungsführungen, transparente Oberflächen, perforiertes Metall und digitale Anzeigen setzen eine technische, fast industrielle Bildsprache. Die Rezeption besteht aus hinterleuchtetem Blech, das ADDITIVE-Logo tritt zurück, zugunsten der Funktion.

Foto: Alex Filz
Foto: Alex Filz
Foto: Alex Filz
Foto: Alex Filz
Foto: Alex Filz
Foto: Alex Filz
Zeichnung: NOA

Materialwahl mit programmatischer Stringenz

Das Materialkonzept folgt der digitalen Logik des Unternehmens: Keramikfliesen – so verlegt, dass sie wie Pixel wirken –, strukturierte Gläser und spiegelnde Oberflächen bestimmen das Bild. Farbig dominiert ein Blau in verschiedenen Abstufungen, ergänzt durch Beige- und Naturtöne. Der Bezug zur Corporate Identity ist vorhanden, wird aber nicht ornamental ausgestellt.

Die Lichtführung ist individuell steuerbar: Jeder Arbeitsplatz erhält eine eigene Leuchte, im Communal Space leiten LED-Bänder die Wege und signalisieren per Lichtcode Teamleistungen – eine Anlehnung an Gamification-Konzepte aus der Softwareentwicklung.


Architektur als Benutzungsoberfläche

Die Architektur des Headquarters fungiert weniger als repräsentative Geste, sondern vielmehr als Benutzungsoberfläche. Sie ist offen, anpassungsfähig, modular. Die Boxen und Zonen sind keine endgültigen Setzungen, sondern bieten räumliche Optionen an. Diese Offenheit im Layout – mit bewusst unscharfen Übergängen zwischen Arbeit, Austausch und Rückzug – spiegelt die digitale Arbeitswelt von ADDITIVE.

Die Idee, dass Räume nicht nur ein Arbeitsumfeld abbilden, sondern das Verhalten der Nutzenden unmittelbar beeinflussen und steuern können, zieht sich als konzeptioneller Faden durch das Projekt. NOA liefert hier keine Ikonografie, sondern ein räumlich-strukturelles Angebot zur Selbstaneignung. Die Mitarbeitenden sind die Akteure – nicht das Design.


Fazit

Das Projekt in Bozen zeigt exemplarisch, wie Innenarchitektur auf die Anforderungen digitaler Arbeitsweisen reagieren kann – nicht mit Möblierung und Branding, sondern mit räumlicher Intelligenz. Das Büro als „Galaxie der Möglichkeiten“ mag als Bild etwas ambitioniert klingen, verweist aber auf den Perspektivwechsel, den NOA in der Projektentwicklung vollzogen hat: weg von der Repräsentation, hin zur Nutzbarkeit.

Der Entwurf erlaubt es, über Architektur als dynamisches System nachzudenken – nicht als Behälter, sondern als Plattform. Für Planende, die sich mit postpandemischen Arbeitsräumen beschäftigen, liefert das Bozner Beispiel Anhaltspunkte für eine produktive Neuvermessung des Begriffs „Büro“.

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