Gautherot beherrschte die statische Sprache des Quadrats perfekt. Er baut auf dessen Diagonalen auf, führt Winkel von 45 Grad ein, teilt die Fläche durch die Waagrechte (manchmal Senkrechte) in zwei Teile auf, und rückt eine Hauptfigur in den Mittelpunkt. Und genau deswegen haben die Bilder von Brasília solche Sprengkraft: Gautherots Stil verschmilzt mit Niemeyers großen mathematischen Kurven (Parabeln und Hyperbeln) – in der Dokumentation der Bauarbeiten wie der fertigen Bauwerke.
Marcel Gautherot wurde 1910 in Frankreich geboren – ab 1940 lebte er in Brasilien. Zwischen 1934 und 35 unternahm er auf eigene Kosten seine erste Fotoreise nach Griechenland. Darauf folgte Mexiko – und 1939 schließlich Brasilien, wo er das Amazonasgebiet fotografierte. Durch seinen Militärdienst im Zweiten Weltkrieg musste er Brasilien verlassen, kehrte aber 1940 wieder zurück – und blieb. Im hohen Alter erklärte Gautherot, zur Fotografie sei er vor allem deshalb gekommen, weil er gerne reisen wollte.
Der fotokünstlerische Weg von Marcel Gautherot, zu dem auch Reise- und Landschaftsimpressionen, Porträtfotografie, ethnologische Bilderkundungen oder Alltagsaufnahmen gehören, wird im Buch „Marcel Gautherot“, erschienen im Verlag Schneidegger & Spiess anhand von 200 Fotografien aus all seinen Schaffensphasen und angereichert mit Essays internationaler Experten porträtiert.