16.04.2025

Architektur Öffentlich

Museum Selma – Siegerentwurf steht fest!

Kultur Umnutzung
Das Foyer und die Freitreppe. Auf dem Boden verlaufen die alten Gleise, darüber die Kranbahnen der alten Industriehalle. Im Mittelteil befindet sich eine große hölzerne Freitreppe, die zur Erschließung der oberen Räume dient oder zum Verweilen einlädt. Visualisierung: Atelier Brückner

Der Realisierungswettbewerb zum künftigen Museum Selma in Köln ist entschieden. Den ersten Preis erhielt das Stuttgarter Büro Atelier Brückner. Das Museum zur Geschichte der Migration in Deutschland soll in der denkmalgeschützten Halle 70 in Köln-Kalk entstehen – einem industriellen Großraum, errichtet 1910 auf dem ehemaligen Gelände der Maschinenfabrik Klöckner-Humboldt-Deutz.

Mit ihrem Konzept schlagen die Architekten eine zurückhaltende, nutzungsorientierte Transformation des Bestands vor. Es ist ein Entwurf, der weder mit Zeichenhaftigkeit noch mit gestalterischer Überhöhung arbeitet – sondern mit räumlicher Offenheit, struktureller Klarheit und funktionalem Respekt vor der Herkunft des Ortes.


Kontext: Migration dokumentieren

Trägerin des zukünftigen Museums ist DOMiD – das „Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland“. Seit den 1990er-Jahren sammelt und archiviert DOMiD zeithistorische Zeugnisse von Migrantinnen und Migranten. Die Sammlung umfasst mehr als 150.000 Objekte, darunter Fotografien, Ausweisdokumente, Gegenstände des Alltags, persönliche Erinnerungsstücke. Sie ist bundesweit einzigartig und wird künftig in Köln-Kalk dauerhaft zugänglich gemacht – ergänzt durch Ausstellungen, Veranstaltungen, Bildungsarbeit und Beteiligungsformate.


Architektonisches Konzept: Transformation statt Inszenierung

Die Industriehalle 70 dient als bauliches Fundament. Atelier Brückner sieht keine museale Neukonstruktion vor, sondern eine punktuelle Überarbeitung der Bestandsstruktur. Ziel ist es, die industrielle Dimension des Raumes – mit seinen Krananlagen, der Stützenreihe und der durchgängigen Dachform – als atmosphärische Grundlage beizubehalten.

Der Entwurf strukturiert das Gebäude in drei Zonen: Empfang und Foyer im Westen, Ausstellungsbereich im Zentrum, Bildungs- und Veranstaltungsflächen im Osten. Der Haupteingang führt über einen neu gestalteten Vorplatz in das Foyer, von wo aus alle weiteren Nutzungen erschlossen werden. Ein Mittelgang zieht sich entlang der Längsachse und gliedert die Halle in Querrichtung.

Charakteristisch ist das additive Prinzip: Anstelle von raumgreifenden Einbauten entstehen modulare, eingeschobene Körper, die flexibel bespielbar sind. Sie ermöglichen geschützte Situationen für Ausstellungen, ohne die offene Struktur der Halle zu verlieren. Trennungen erfolgen durch textile oder mobile Elemente, nicht durch massive Abtrennungen. Die Ausstellung folgt keiner fixen Wegführung – vielmehr bietet die Architektur ein Layout, das unterschiedliche Lesarten und Bewegungen zulässt.

Visualisierung: Atelier Brückner
Visualisierung: Atelier Brückner
Visualisierung: Atelier Brückner
Visualisierung: Atelier Brückner

Materialität und Lichtführung

Materialwahl und Oberflächen bleiben dem industriellen Ursprung verpflichtet: Beton, Stahl, Sichtmauerwerk, ergänzt durch helle Holzflächen und textile Elemente. Die Halle wird weitgehend natürlich belichtet – über bestehende Fensterbänder und neu integrierte Oberlichter. Die Architekten setzen dabei nicht auf Effektlicht, sondern auf ruhige, gleichmäßige Lichtführung, die Ausstellungen und Besuchern gleichermaßen trägt.


Pusteblume

Die Dauerausstellung umfasst eine chronologische Darstellung deutscher Geschichte, ergänzt um Perspektiven der Migration, sowie sechs Konzepträume. Ein zylindrischer Raum namens „Pusteblume“ mit einer Licht- und Klanginstallation lädt zur Reflexion über das Thema Liebe ein.

Ein Raum über die Reflexion über die Liebe. Visualisierung: Atelier Brückner

Fazit

Das Museum versteht sich als „Dritter Ort“ – ein Raum jenseits von Arbeit und Zuhause, der nicht dem Konsum unterworfen ist. Partizipation ist ein zentrales Leitprinzip: Bereits in der Planungsphase wurden Bürger*innen in sogenannten DOMiDLabs eingebunden. Das Museum soll ein Ort des Austauschs und der Begegnung sein, an dem Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens verhandelt werden können.Mit dem Museum Selma entsteht ein offenes Haus, das die Geschichte der Einwanderungsgesellschaft neu erzählt und einen Raum für alle bietet.

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