16.04.2015

Öffentlich

Mit der Schraubzwinge

Eike Becker

Grace Jones als Maß aller Dinge: Atemrabend kraftvoll, schockierend innovativ, gekonnt mutig, mit ganz viel Morgen im Heute. In dem Sinne frage ich: Wieviel Grace Jones steckt in der Immobilienbranche?

Unter der Leitung von Tobias Just hat die IREBS an der Universität Regensburg eine bemerkenswerte Studie zum Thema Innovationen in der Immobilienwirtschaft publiziert. Darin stellt er fest, das ein Informationsaustausch zwischen den Marktteilnehmern, also zum Beispiel den Projektentwicklern oder Architekten untereinander oder mit ihren Kunden leider nur selten stattfindet. Wie beim Streber in der Schule ist die Sorge, dass der Nachbar abschreiben könnte größer als die Neugier auf „gemeinsam sind wir stark“. Intransparenz wird dadurch zur Abwehr von Konkurrenz, aber auch zum Innovationshemmnis.

Patentschutz für innovative Lösungen zum Beispiel von Architekten oder Bauunternehmen ist kaum vorhanden. Und wenn Ideen nicht geschützt werden, ist die Motivation sie zu entwickeln und anderen zur Verfügung zu stellen gering.

Durch die hohe Kapitalbindung und die hohen Fremdfinanzierungsquoten entsteht ein extrem hohes Sicherheitsbedürfnis, das auf allen Ebenen innovationshemmend wirkt.

Keine Experimente! Schon gar nicht mit meinem Geld!

Dadurch ist die klagefreudige Branche ausgesprochen intolerant gegenüber jedweder Art von Fehlern. Diese Risikovermeidungskultur hat sich nahezu flächendeckend durchgesetzt. Eine Unternehmenskultur, die z. B. auch Fehler akzeptiert, ist nahezu ausgeschlossen. Dabei spreche ich nicht Hasardeuren das Wort, sondern frage nach einer Unternehmenskultur, die kontinuierlich nach besseren Lösungen sucht.

Auch die kurzfristige, risikoscheue Orientierung der Kapitalgeber läuft häufig nicht parallel zu der langfristigen, innovationsorientierten Ausrichtung der Nutzer. Dadurch werden die Freiräume für Projekte außerhalb der traditionellen Lösungen auf winzige Nischen reduziert. Deshalb kann in dieser karstigen Landschaft eine Innovationskultur nur schwer aus sich heraus entstehen.

Deshalb ist es nicht überraschend, dass Veränderungen im wesentlichen durch die öffentliche Hand und die Gesetzgeber eingeführt, ja erzwungen werden. Das Paradebeispiel sind die Energieeinsparverordnungen, die in ihrer jeweils verschärften Form wie mit der Schraubzwinge Innovationen aus der vertrockneten Branche pressen.

Auch bei Forschung und Entwicklung ist zumeist die öffentliche Hand die treibende Kraft. Welches Immobilienunternehmen hat schon eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung? Die Unternehmen sind in der Regel zu klein. Auch die Studienmöglichkeiten sind begrenzt.

Den 354 Studienangeboten für Architektur standen 2014 nur magere 42 für Immobilienwirtschaft und -management gegenüber.

Wissen die bereits alles? Ist Nachwuchs überhaupt gefragt?

Ein Um- und Weiterdenken ist dringend erforderlich! Das ist gemeinsam im groß angelegten Verbund sinnvoll. Ziel muss die Etablierung einer Innovationskultur in den einzelnen Unternehmen, den Verbänden, der Branche, der öffentlichen Hand und beim Gesetzgeber sein.

Dazu zählt ganz oben auf der Liste Flexibilität. Um auf ein sich kontinuierlch wandelndes Umfeld auch reagieren zu können.

Und Risikobereitschaft. Um Neues zu entwickeln und umzusetzen.

Und Offenheit. Um Zusammenarbeit und Neugier innerhalb und außerhalb der Branche zu stärken. Denn gerade die Schnittstellen unterschiedlicher Fachbereiche sollten als Quelle für Innovationen genutzt werden.

Zusätzlich sollten durch den Gesetzgeber Innovationen nicht nur gefordert, sondern auch gefördert werden.

Also: Wer hilft mit bei der Etablierung eines jährlich stattfindenden Innovationskongresses für die Immobilienwirtschaft und wer gibt den dazu passenden Innovationsbericht heraus?

Wer recherchiert ein Ranking der innovativsten Unternehmen der Immobilienwirtschaft?

Wer lenkt den Strom der Immobilienwirtschaft weg von der Fokussierung auf den nächsten Deal und hin zu einer Innovationskultur?

Wer also überprüft den Grace-Jones-Faktor der Immobilienbranche?

Kommentare und Vorschläge sind mehr als willkommen!

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