10.05.2016

Öffentlich

Minarette in die Stadtzentren? Jawohl.

Zentralmoschee Köln

Gehört er nun zu Deutschland oder nicht? An der Rolle des Islam in unserem Land scheiden sich mehr denn je die Geister. Als der damalige Bundespräsident Christian Wulff vor ein paar Jahren sein demonstratives „ja“ propagierte, war der Tenor einhellig negativ. Das hatte, glaube ich, nicht nur mit der These selbst zu tun, sondern auch mit dem Absender. Man nahm es dem hannoverschen Neupräsidenten schlicht nicht ab, dass die Verteidigung der Muslime wirklich sein Herzensthemen war. Das roch sehr nach Stimmenfang bzw. nach Thesensuche. Da hatte ein blasser Präsident, vermeintlich, „sein“ Thema gefunden.

Jetzt haben Äußerungen von CDU-CSU-Fraktionschef Volker Kauder die Diskussion wieder angeheizt. Der Politiker bemühte dabei die ambitioniert feinsinnige Differenzierung zwischen „dem Islam“ und „den Moslems“. Letztere gehörten „zu uns“, ersterer nicht. Eine Unterscheidung, die schon auf die Zähigkeit der ganzen Debatte hindeutet. Im Kern stellt sich doch die Frage, wer dieses verflixte „uns“ bzw. „wir“ überhaupt ist. In einer Migrationsgesellschaft, wie sie die deutsche unbestreitbar und nicht erst seit der letzten Flüchtlingswelle ist, lässt sich das eben nicht mehr so klar sagen. Die Aufgeregtheit der Diskussion rührt nicht zuletzt aus einer tief greifenden Identitätskrise der Deutschen her. Diese Gesellschaft ist räumlich und kulturell porös.

 

Natürlich haben wir bestimmte Werte. Aber die werden durch Volker Kauders Islambeitrag nur bedingt verteidigt. Eine Gesellschaft ex negativo zu definieren wirkt wenig überzeugend. Per Ausschlussverfahren alles wegzudefinieren, was einem aus politischen Gründen gerade nicht passt, ist schwierig – und führt nicht zu mehr Identifikation oder Identität. In diese Richtung argumentierte gerade auch ein durchaus mutiger Leitartikel im Feuilleton der FAZ am Sonntag.

Wenn die Haltung der Berliner Politik zum Islam diskutiert wird, landet man schnell auch bei architektonischen bzw. stadtentwicklerischen Fragen. Das ist zunächst mal erfreulich. Es geht – Sie ahnen es – um die Provokationskraft, gewissermaßen die städtebauliche Stacheligkeit, der Minarette. Wollen wir Moscheen als physisches Zeugnis der Glaubensrichtung moslemischer Bürger in unseren Städten haben oder nicht? Wenn ja, dann wo und wie prominent? Bisher bilden sie dort die Ausnahme. Als architektonisch relevant dürfte vor allem Paul Böhms Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld gelten. Leider ist die immer noch nicht fertig.

Also: Mehr Moscheen in unsere Zentren? Die Antwort hängt davon ab, welche Rolle man Städten zubilligt. Sind sie primär dazu da, die eigene Kulturgeschichte nachzubilden? Dann müsste man wohl sagen: Moscheen raus aus den Innenstädten. Und wenn man glaubt, mit Stadtplanung gesellschaftliche Wunschbilder zu flankieren, wäre das Verdikt vermutlich ebenfalls „Moschee nee“. Aber ist es das?

Ich will mal einen anderen Zugang durchdeklinieren. Städte sind dazu da, allen wichtigen gesellschaftlich-kulturellen Strömungen eine Form zu verleihen. Der Islam ist eine solche Strömung. Hieraus folgere ich: Ja, Moscheen gehören in unsere Städte. Weil damit die religiöse und kulturelle Verfasstheit unserer Gesellschaft sichtbar wird. Die Moschee als sicht- und besuchbarer Zentralisationspunkt moslemischen Glaubens und islamisch geprägter Kultur gibt uns die Möglichkeit, uns mit genau dieser Kultur auseinanderzusetzen. Das kann gerne auch kritisch geschehen. Gesellschaft ist kein Harmoniekonstrukt. Es gibt Konflikte. Die aber muss man auch zulassen.

Auch die architektonischen Formen, die wir dann prominent sehen werden, können gerne (architektur-)kritisch unter die Lupe genommen werden. Das gäbe dem Architekturdiskurs die Chance, selber mal mehr zu sein als formalistische Nabelschau. Die Kulturkritik könnte damit vom Islam genau jenen konstruktiven Dialog einfordern, den dieser angeblich oft vermissen lässt. Es entstünde ein architektonischer Testing Ground für die Frage, auf die wir ja aller aufgeregten Debatten zum Trotz noch keine befriedigende Antwort gefunden haben: In wie weit sich islamisches Leben (und Bauen) nun wirklich einpassen kann in eine westliche, komplexe, aufgeklärte Gesellschaft. Wir bekämen, stadtdiskursiv getrieben, eine Antwort darauf, in welchem Maße – und in welcher Form – der Islam nun tatsächlich „zu uns gehört“.

Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

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