21.04.2017

Academy Portrait

Meine anhängliche Affäre, die Architektur – Mail aus Berlin (2)

Teil der aufstrebenden Europacity: das Projekt Kunstcampus von léonwohlhage steht kurz vor der Fertigstellung und bietet hochwertiges Wohnen und Leben an Stelle einer früheren Kunsthalle (Foto: Andi Maierhofer)

Neue Stadt, neues Büro, neue Menschen, neue Projekte, neue Aufgaben, neue Liebe?

Ich bin im Gefühlsrausch. Vor vier Wochen habe ich sie kennengelernt. Sie ist aufregend. Sie hat mich fest in ihren Bann gezogen. Und nun lässt sie mich nicht mehr los. Sie will mehr. Mehr Zeit, mehr Aufmerksamkeit. Aus anfänglicher Verliebtheit wurde leidenschaftliche Hingebung und mittlerweile ein handfestes Verhältnis. Versuchte ich zu Beginn meine neue Affäre noch auf Abstand zu halten, wurde diese von Tag zu Tag fordernder und anhänglicher. Die Rede ist nicht von einer Frau, sondern von einer alten Bekannten, der Architektur.

Teil der aufstrebenden Europacity: das Projekt Kunstcampus von léonwohlhage steht kurz vor der Fertigstellung und bietet hochwertiges Wohnen und Leben an Stelle einer früheren Kunsthalle (Foto: Andi Maierhofer)
Am Weg zur Bauplatz-Besichtigung kommt man an brutalistischen Meisterwerken vorbei, wie der Bayer-Zentrale im Bezirk Wedding (Foto: Andi Maierhofer)
Die markante Kuppel des deutschen Bundestages von Norman Foster. Ein klar durchdachtes System aus Spiegel und der Sonne folgendem Beschattungssegel bringt ideale Lichtverhältnisse in den direkt darunter liegenden Plenarsaal (Foto: Andi Maierhofer)
Das Büro von léonwohlhage - die aktuelle kreative Heimstätte von Baumeister Academy Gewinner Andi Maierhofer (Foto: Andi Maierhofer)

Scham weicht Vertrautheit

Vier Wochen dauert das Abenteuer in Berlin bei léonwohlhage nun schon an und es prickelt noch wie am ersten Tag. Einzig die klassische Scham, die man zu Beginn einer jeden neuen Beziehung verspürt, ist mittlerweile einer angenehmen Vertrautheit gewichen. Ich habe meinen Platz im Wettbewerbs-Team gefunden. Hier arbeite ich mit meinen Kollegen in einem Aufgabenbereich, der dem der Universität wohl am Nächsten kommt. Nicht nur, da es sich in erster Linie um rein konzeptionelle Tätigkeiten handelt, sondern darüber hinaus auch Parallelen in Bezug auf ein etwas erfolgloses Zeitmanagement aufweist – ob das nun deprimierend oder beruhigend ist, sei dahin gestellt. Im Unterschied zur Uni sind es aber nicht, wie so oft der Fall, verschiedenste Freizeitaktivitäten, die bis kurz vor der Deadline meist interessanter erscheinen als die Arbeit am eigenen Entwurf. Es ist das kontinuierliche Weiterdenken einer jeden Idee. Jeder Tag bis zur Abgabe wird damit verbracht das Konzept neu zu hinterfragen. Nicht selten kommen die besten Einfälle kurz vor Fristende. Womit wir wieder bei dem Dilemma wären: die aufregende aber zeitaufwändige Hass-Liebesbeziehung mit der Architektur.

Sozialleben weicht Architektur

In den letzten zwei Wochen vor Abgabe werden die Tage kontinuierlich länger und das Abendessen teilt man immer häufiger mit den Arbeitskollegen. Ich merke, man braucht sehr viel Leidenschaft für die Architektur, um sich ihr so rücksichtslos hinzugeben. Gut, wenn das in einem Umfeld geschieht, in dem man um Mitternacht zwischen all den Plänen auch einmal mit einem Bier anstoßen kann.

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