25.08.2016

Gewerbe

Rote Mitte

Im Rahmen eines Schweizer Entwicklungshilfe-Programms entstand ein  beispielhafter Marktkomplex in Koudougou, der drittgrößten Stadt im westafrikanischen Staat Burkina Faso. Das Projekt ist auch architektonisch zu überregionaler Bedeutung gelangt und erhielt 2007 den „Aga-Khan-Preis“.

Der Architekt Laurent Séchaud hat von 1997 bis 2009 in Burkina Faso gelebt und das Markt-Projekt im Auftrag der Schweizer entwicklungshilfe für Mittelstädte des westafrikanisches Landes vorangebracht. 

Baumeister: Wie kamen Sie zum Auftrag für die Markt in Koudougou?
Laurent Séchaud: Das Projekt entstand im Rahmen eines städtebaulichen Projekts, das 1990 vom Staat Burkina Faso initiiert wurde. Ziel war es, die Landflucht aufzuhalten. Viele Menschen strömten ja in die Metropolen Quagadougou und Bobo-Dioulasso und verließen ihre Dörfer. Der Schweizer Kooperationspartner, der an dem Programm teilnahm, sorgte mit den Partnerstädten Koudougou, Ouahigouya und Fada N’Gourma für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit : Er stellte die Infrastruktur für den Warenverkehr – den Markt, Viehhandel, Schlachthof und Busbahnhof – sicher. Er kümmerte sich darum, dass der erwirtschaftete Erlös wie die Einnahmen aus Mieten und Steuern auch sozialen Strukturen, zum Beispiel Schulen und Gesundheitseinrichtungen, zugute kam. Und Bestehendes saniert werden konnte.

Was war das Ziel des Marktprojekts?
LS:
Wir hatten mehrere Aspekte im Auge: Die Gemeinde Koudougou sollte eine finanzielle Einnahmequelle erhalten – etwa durch Mieten, um dann in soziale Einrichtungen investieren zu können. Dafür wollten wir unbedingt regionales Baumaterial verwenden und die Menschen vor Ort einbinden, die Firmen, Künstler, Handwerker und Geschäftsleute. Die Arbeiter sollten dazulernen, dafür brachten wir ihnen neue Techniken bei: zum Beispiel die Herstellung von Backstein oder den Bau von Gewölben und Kuppeln.
Die Leute konnten ebenfalls Kenntnisse in Unternehmensführung erwerben wie Angebote einholen, einen Finanzplan aufstellen und einhalten. Wir haben uns ökologische Ziele gesteckt, indem wir so gut es ging auf Holz verzichteten – wegen der Abholzung also auch für eine Schalung. Ebenso verzichtet haben wir auf Stahlbeton, da die Umweltbelastung bei der Herstellung groß ist und weite Transportwege anfallen. Ein letztes Ziel war es, durch die Materialwahl auf die thermischen Bedingungen vor Ort einzugehen.

Konnten die Menschen vor Ort auch ihre Ideen einbringen?
LS:
Händler, religiöse und traditionelle Gruppen, Minister und Gemeindepolitiker wurden von Anfang an in die Planung des Markts in Koudougou einbezogen. Der größere Standort, den uns die Gemeinde anbot, wurde zum Beispiel von den Händlern abgelehnt. Diese wollten auf dem kleineren Platz mit 27.750  Quadratmetern bleiben. Die zukünftigen Standmieter sprachen auch bei den Bebauungsplänen des Investors mit  – die Planung ist übrigens auf 25 Jahre angelegt. Die Baukosten wurden nach der Finanzierbarkeit der Mieter kalkuliert. Wir gingen dabei sehr stark auf sie ein, damit sie sich die Läden auch wirklich leisten konnten. Wir bauten einen Protyp und besprachen diesen dann mit den Händlern, um den Entwurf evtl. zu korrigieren. So konnten wir auch prüfen, wie die Maurer arbeiteten und notwendige Verbesserungen vorschlagen.

Kommt das Projekt denn gut bei den Leuten an?
LS: Zuerst waren sie skeptisch, denn der Lehm, der traditonell für die Konstruktion verwendet wird, erschien ihnen nicht sehr dauerhaft; sie befürchteten, dass er viel Pflege brauche. Lehm gilt als „armes“ Material und wird mit Bauen auf dem Land gleichgesetzt.
Als dann aber der erste Prototyp stand, gefiel er ihnen. Sie mochten die Ästhetik und die thermischen Bedingungen, also die angenehm kühlen Temperaturen in den Räumen. Sobald die ersten Gebäude standen, waren die Menschen sehr zufrieden, ja sogar stolz.

Welche Schwierigkeiten kamen während der Planung auf Sie zu?
LS: Die größte Schwierigkeit bestand darin, für die vielen Händler eine gute Lösung zu finden, also einen Laden in einer zufriedenstellender Größe und Lage. Um für alle Platz zu schaffen, haben wir uns für eine Ladengröße von sechs Quadratmetern entschieden.
Unser Projekt wurde in zwei Etappen realisiert, deswegen musste die Hälfte der Händler umziehen. Wir versuchten, den ortsansässigen Arbeitern den Großteil der Aufgaben zu geben. Nur bei wenigen Arbeitsschritten bekamen wir externe Unterstützung: etwa bei der Schulung der Maurer, beim Bau der Gewölbe und der Kuppeln.
Außerdem spielte die Anpassung an die technischen Möglichkeiten und die klimatischen Bedingungen eine fundamentale Rolle. Burkina Faso ist ein Land in der Sahelzone. Dort variieren die Temperaturen zwischen 16 und 45°C. Es gibt Regenperioden mit gewaltigen Niederschlägen und starke Winde. Die Gebäude sollen also vor extremer Hitze und heftigen Niederschlägen schützen. Ton ist ein ausgezeichnetes Material dafür. Die Mauerstärke von 30 Zentimetern verhindert, dass die Hitze eindringt und in den Räumen zirkuliert. Nachts kühlt das Gebäude gut ab. Das nubische Dachgewölbe und die Kuppel tragen zu einer guten Luftzirkulation bei.

Welche Materialien wurden sonst noch verwendet?
LS: Das gesamte Mauerwerk und Dach bestehen aus Lehmziegeln, die vor Ort hergestellt wurden. Fundament und Sockel bestehen aus Zement. Wir haben Blech für das Dach verwendet, damit es wasserdicht ist. Für die richtige Thermik bauten wir einen Ventilator zwischen Blech und Kuppel ein. Stahl haben wir nur bei Türen und Fenstern gebraucht. Wir haben gänzlich auf Stahlbeton verzichtet.
Durch das Material Lehm haben wir neben den ökologischen und technischen auch noch finanzielle Vorteile. Verglichen mit einem Zementbau sparten wir zwischen 15 bis 20 Prozent der Baukosten ein. Dafür investierten wir verstärkt in Arbeit der Handwerker.

Inwieweit lässt sich ein solches Projekt überhaupt planen? Wie viel wird improvisiert?
LS:
Wir haben uns mit der Planung Zeit gelassen, denn die einzelnen Interessensgruppen sollten ja vorher von dem Projekt überzeugt sein. Diese Phase war sehr wichtig, um später Zeit zu gewinnen. Die Baustelle musste ebenfalls sehr sorgfältig geplant werden, da die Herstellung des Materials auf der Baustelle ja sichergestellt werden musste. Vier Millionen Lehmziegel wurden dort angefertigt. Daher haben wir 97 Firmen gebraucht. Insgesamt haben sich elf Techniker um die Firmen gekümmert.
Die Realisierung eines solchen Projekts mit Lehm und Tonnengewölben in dieser Größenordnung ist meines Wissens einzigartig. Zuvor musste alles minutiös analysiert werden. Wir suchten Personen auf, die Erfahrung mit solchen Bauten hatten wie etwa Maurer aus Mali. Diese schulten die Maurer in Koudougou. Bei dieser direkten Vorarbeit konnten wir eventuelle Fehlerquellen korrigieren, bevor die eigentliche Baustelle begann. Während des Baus haben wir versucht, die Improvisation auf ein Minimum zu reduzieren.

Dieser Beitrag stammt aus Baumeister 03/2015 – Markthallen: Stadtreparatur mit Hilfe eines urbanen Ideals.
Der Marktkomplex in Koudougou wurde mit dem Terra Award 2016 ausgezeichnet. Alle Preisträger sehen Sie hier.

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