Auf der Ile de Nantes, einer innerstädtischen Flussinsel im Herzen der westfranzösischen Stadt, markiert ein neues Bürogebäude den städtebaulichen Anspruch des staatlichen Postkonzerns. Das von Baumschlager Eberle Architekten entworfene „Maison de l’Innovation“ wurde 2024 fertiggestellt und dient als Kompetenzzentrum für 1.200 IT-Fachleute und Forscher. Der Bau vereint eine markante Formensprache mit einem ambitionierten Nachhaltigkeitskonzept, das sich von der Materialwahl über die Gebäudetechnik bis zur Biodiversitätsstrategie erstreckt.
Urbane Einbindung durch lokale Referenzen
Das Gebäude nimmt bewusst die monumentale Perspektive des Boulevard Vincent Gâche auf und setzt mit seiner leicht geneigten Kontur einen selbstbewussten Akzent im Stadtbild. Als architektonisches Leitmotiv dienen Bogenelemente, die auf die Vendée-Brücken über die Loire referieren. Diese lokale Verankerung erfolgt in verschiedenen Variationen: Im Erdgeschoss bildet der Bogen einen zweigeschossigen Portikus, der den Haupteingang markiert, während in den oberen Etagen umgekehrte Bögen die Loggien rahmen.
Konstruktive Lösung: Holzhybrid mit strategischem Betoneinsatz
Die Bauweise des Komplexes vereint technische Anforderungen mit dem Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Aus statischen Gründen und im Hinblick auf das lokale Erdbebenrisiko wurden der Sockel und die drei Gebäudekerne in Beton ausgeführt. Die restliche Tragstruktur besteht aus einer Pfosten-Balken-Konstruktion aus MassivholzMassivholz: Vollholz ohne weitere Verarbeitung, zugeschnitten auf die gewünschte Größe und Form., die sich über sechs Etagen entwickelt und den zentralen Innenhof umrahmt. Das verwendete HolzHolz: Ein natürlicher Werkstoff, der zur Herstellung von Schalungen und Gerüsten genutzt werden kann. Es wird oft für Bauvorhaben im Bereich des Holzbaus verwendet. stammt aus französischen Wäldern, was die Transportwege minimiert und die regionale Wertschöpfung stärkt. Eine bewusste Entscheidung war, das Massivholz in den Arbeitsbereichen sichtbar zu belassen, was zur atmosphärischen Qualität der Räume beiträgt.
Bioklimatisches Konzept ohne konventionelle Klimaanlage
Bemerkenswert ist der Verzicht auf eine konventionelle Klimaanlage zugunsten passiver Strategien. Die FassadeFassade: Die äußere Hülle eines Gebäudes, die als Witterungsschutz dient und das Erscheinungsbild des Gebäudes prägt. wurde nach bioklimatischen Gesichtspunkten konzipiert: Ihre Massivität und Tiefe ermöglichen eine passive Steuerung der SonneneinstrahlungSonneneinstrahlung: Die Menge der von der Sonne abgegebenen Energie in Form von elektromagnetischen Wellen, die auf die Erde treffen.. In den Sommermonaten sorgt eine innovative Kühlung durch Luftumwälzer für zusätzlichen Komfort. Durch die erzeugte Luftbewegung entsteht eine gefühlte Temperatur, die in der Regel 2°C unter der tatsächlichen Raumtemperatur liegt.
Die Fassadengestaltung mit bronzefarbenen eloxierten Aluminiumelementen – bei denen mehr als 70 Prozent Recyclingmaterial verwendet wurde – erzeugt einen kinetischen Effekt. Zur Optimierung von Belichtung und Wärmeeintrag wurden die Fassadenöffnungen mit Bedacht gesetzt. Loggien und Terrassen strukturieren die Fassade durch Schattenwurf und integrierte VegetationVegetation: Pflanzen oder Gräser, die auf dem Dach wachsen., was gleichzeitig zur Biodiversitätsstrategie des Gebäudes beiträgt.
Räumliche Organisation um ein zentrales Atrium
Das Raumkonzept setzt auf eine klare Hierarchisierung und Differenzierung. Das großzügige Eingangsportal führt in einen zweigeschossigen Schwellenraum, der als lebendiger Transitbereich fungiert. Als zentrales Element erstreckt sich ein Atrium über die gesamte Gebäudehöhe und bildet mit seiner breiten Holztreppe den kommunikativen Mittelpunkt des Komplexes. Diese räumliche Struktur dient nicht nur der Orientierung, sondern fördert Begegnung und Austausch zwischen den Nutzern.
Die Arbeitsplätze sind flexibel gestaltet und entweder nach außen oder zum Innenhof orientiert. Diese Modularität der Raumstruktur gewährleistet die langfristige Anpassungsfähigkeit des Gebäudes an veränderte Nutzungsanforderungen – ein wesentlicher Aspekt der Nachhaltigkeitsstrategie.
Zertifizierte Nachhaltigkeit
Das Büro Sinopia verantwortete als Landschaftsarchitekten die BegrünungBegrünung: Die Begrünung von Dächern oder Fassaden mit Pflanzen und Gräsern hat sowohl ökologische als auch ästhetische Vorteile, da sie z.B. zu einer besseren Luftqualität beitragen und eine optisch ansprechende Gestaltung ermöglichen. der Loggien und begehbaren Terrassen. Das Konzept umfasst bewässerte Pflanzgefäße, urbane Landwirtschaft und eine Honigwiese auf dem Dach. Ergänzt wird dies durch Nistkästen für verschiedene Vogelarten und Fledermäuse sowie Insektenhotels. Die Gestaltung nimmt gezielt Bezug auf den Baumbestand der umliegenden Straßen und verstärkt die Integration in die natürliche Umgebung.
Die Nachhaltigkeitsqualitäten des Gebäudes wurden durch mehrere Zertifizierungen bestätigt. Neben der E2C1-Zertifizierung für Energieeffizienz und CO₂-Reduktion erhielt das Projekt das HQE-Zertifikat auf dem Niveau „Exzellent“. Hinzu kommen das OsmoZ-Zertifikat für die Optimierung von Gebäudequalität und Raumgestaltung, das BiodiverCity-Label für die Förderung biologischer Vielfalt sowie die Ready2Services-Zertifizierung, die die Vorbereitung auf digitale Gebäudetechnologien bescheinigt.
Projektdaten
Typologie: Büro und Verwaltung
Bauherr: La Poste Immobilier, Paris, Frankreich
Adresse: 5 rue René Viviani, Nantes, Frankreich
Bruttogeschossfläche: 15.375 m²
Baubeginn: 2020
Fertigstellung: 2024
Team: Baumschlager Eberle Architekten Paris
Umweltzertifikate:
E2C1: EnergieeffizienzEnergieeffizienz: Dieses Fachmagazin beschäftigt sich mit der Energieeffizienz von Gebäuden und Infrastrukturen. Es untersucht die verschiedenen Methoden zur Steigerung der Energieeffizienz und ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft. und CO₂-Reduktion
HQE 2016 – Niveau Exzellent: Nachhaltiges BauenNachhaltiges Bauen bezeichnet eine Bauweise, die ökologische, soziale und ökonomische Aspekte bei der Planung, Errichtung und Nutzung von Gebäuden berücksichtigt. Ziel ist es, die Umwelt zu schonen, Ressourcen zu sparen und die Lebensqualität der Bewohner und Nutzer zu verbessern. auf hohem Qualitätsniveau
OsmoZ: Optimierung von Gebäudequalität und Raumgestaltung
BiodiverCity: Förderung biologischer Vielfalt im Bauprojekt
Ready2Services: Vorbereitung auf digitale Gebäudetechnologien
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