An dem Gründerzeithaus in der lebendigen Hermann-Hesse-Straße in Berlin-Pankow leuchtet das Signet des Kino Blauer Stern seit vielen Jahrzehnten unverändert. Im Innern hat sich viel getan. Dort empfängt den Cineasten heute ein modernes, elegantes Entrée mit Wohlfühlcharakter. Das Büro BATEK Architekten hat das Kino Blauer Stern saniert und umgebaut und dabei seine Geschichte und Bedeutung für den Berliner Kiez sichtbar gelassen.
Neues Raumgefühl im Kino Blauer Stern: Mehr als Sehnsucht nach alten Zeiten und Klassik
Ein nostalgisches Neonschild mit den Konturen eines blauen Sterns über dem Eingang verrät, wo man ist. Angekommen beim Kino Blauer Stern. Tritt man ein, so empfängt ein warmes, klassisches Ambiente. Zur linken Seite öffnet sich der Loungebereich mit einer schwungvollen Sitzbank, Sitzinseln und kleinen Tischen. Zur rechten geht es weiter in Richtung Kinosäle. Beim Eintritt blickt man auf den Tresen mit Kasse, Espresso-Maschine, Drinks und Snackvitrinen. Das Raumkonzept wirkt stringent. Ein intensives Farbkonzept in Bordeauxrot, Altrosa, Aubergine und Blau verleiht Lebendigkeit. Alles in allem ein markanter Rahmen für ein Kinoerlebnis. Dabei wirkt alles intim. Was besonders ins Auge fällt, ist die klare Linienführung in dem Raumgefüge. Sie setzt sich bis ins kleinste Detail durch. An den Kanten der Bar, der Höhen- und Breitenentwicklung der Möblierung und der Farbflächen an den Wänden – überall herrscht die LinieLinie: Die Linie ist der Begriff für die Kabelverbindung zwischen elektrischen Geräten und dem Stromversorgungsnetz. Es handelt sich dabei um den Strompfad, der den Strom von der Quelle zu den Endgeräten leitet.. Das zeigt auch die Gestaltung des langen Korridors, der zu den Kinosälen führt.
Augen auf und sich wohlfühlen: Kinokultur heute
Für erfolgreiche und beliebte Kinos ist in Zeiten vieler günstiger Streamingdienste sicher nicht nur das Programm entscheidend. Der Ort muss stimmen. Er kann auffällig und individuell gestaltet sein oder darf etwas Wohnliches haben. Das Kino als Interior ist Teil des Besuchserlebnis. Kinogänger wollen sich wohlfühlen. Der Service-Level ist entsprechend hochgestiegen. Heute gibt es in Kinos schicke Bars, das kulinarische Angebot ist anständig und Essen und Trinken werden im Clubsessel serviert. Das Kino Blauer Stern gehört mittlerweile zur Yorck-Gruppe. Das ist die wichtigste Kinogruppe in Berlin mit insgesamt 14 Häusern. Alle sind Programmkinos mit hohem kulturellem Anspruch. Kinos sind immer besondere Orte. Sie zählen nicht, wie man meinen könnte, zu den Kulturbauten wie Museen, Theater oder Konzerthäuser. Sie werden als Kinobauten klassifiziert und brauchen eine besondere Behandlung.
BATEK Architekten in Berlin
Das Studio BATEK Architekten sitzt seit 2017 zentral im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg, der zum Bezirk Pankow gehört. BATEK Architekten gestalten Innenräume und Möbel. Zum Portfolio des seit 1999 bestehenden Büros um Gründer Patrick Batek gehören Aus- und UmbauUmbau ist ein Begriff, der sich auf die Veränderung oder Renovierung eines bestehenden Gebäudes oder Raums bezieht. von Restaurants, Bars, Hotels, Arztpraxen, Büros und Privatwohnungen. Oft arbeiten sie an historischen Bestandsbauten, in Gebäuden mit bewegter Geschichte. Das ist nicht nur eine Herausforderung. Wer mit der Historie umgeht, sollte auch Respekt vor ihr haben, so das Credo des Studios. Für BATEK Architekten sind funktionale und klare Raumkonzepte kennzeichnend. Für die Interieurs verwenden sie unverfälschte, wertige Materialien und formen damit ausdrucksstarke Designs. Zu den Kunden von BATEK Architekten gehören zum Beispiel Sternekoch Tim Raue, der Modekonzern Zalando und die Digitalagentur Razorfish. Das Büro hat insgesamt vier Kinobauten neugestaltet, davon gehören drei zur Gruppe der Yorck-Kinos und sind in Berlin. Neben Kino Blauer Stern sind der Umbau des berühmten Delphi-Filmpalast in der Kantstrasse ein BATEK-Projekt und die Yorck Passage Kinos in Neukölln.
Bewegtes Leben im Pankower Lichtspielhaus
Das Haus, in dem das Kino Blauer Stern das Erdgeschoss seit über 100 Jahren bezieht, stammt aus dem Jahr 1870. Ursprünglich Restaurant und Tanzsaal, wurden hier ab 1918 die ersten Kinofilme vorgeführt. Die Stätte hieß damals Bismarck-Lichtspiele und bot 350 Sitzplätze. Nach Besitzerwechseln in der Weimarer Republik wurde der Tanzsaal 1933 zu einem Kino mit Bühne für Tonfilmvorführungen und erhielt 1935 den Namen Blauer Stern. Das Kino und das Wohnhaus blieben bei den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg verschont und der Betrieb lief anschließend weiter. Ab 1960 war der VEB Berliner Filmtheater Betreiber des Kino Blauer Stern. Wegen Baufälligkeit 1986 geschlossen, eröffnete Uwe Feld das Filmtheater 1996 mit zwei Sälen wieder. 2018 übernahm die Yorck-Gruppe das Ruder und beschloss den Blauen Stern in der Corona-Epoche durch BATEK Architekten zu sanieren. Sinn und Zweck war es nun, den Altbaubestand durch gezielte Eingriffe den Anforderungen eines heutigen Kinobetriebs anzupassen.
Lichtzäsuren durch Farbakkorde in Rot und Blau
Aus den unterteilten Flächen schufen BATEK Architekten offene Räume: Im Foyer ließen sie eine gläserne Trennwand entfernen, um den großzügigen Eintritt mit der langen, geschwungenen Sitzbank und der Bar mit Kassenbereich zu schaffen. Die Wände wurden in Farbflächen zweigeteilt: Bis zu einer Höhe von zwei Metern sind sie in einer tiefen Aubergine gestrichen, darüber in hellem Grau. Die historische Stuckdekoration der Foyerdecke inspirierte die Architekten zu einer dynamischen Lichtgestaltung: Sie zogen das in Stuck an der Decke ausgeführte Rautenmuster mit abgehängten LED-Lichtschienen nach. Im Gang zu den beiden Sälen setzen sich die diagonal verlaufenden Lichtschienen fort und bieten dem Auge Bewegung. Die über die Jahrzehnte gewachsene, unregelmäßige Raumstruktur des großen Saals vereinheitlichten die Planer mit einer Reihe Rundbögen. In dem großen Kinosaal sind VorhangVorhang: Ein textiles Material, das zum Abdecken von Fenstern, Türen oder als Raumteiler verwendet wird. und Decke in sattem Bordeauxrot gehalten, ebenso der Gang. Das gleiche Rot herrscht im Foyer, als Samtbezug der geschwungenen Sitzbank, als Oberfläche des Tresens und dazu kann ein mobiler Snackwagen kombiniert werden, der ebenfalls das satte Weinrot zitiert. Das bewegte Motiv der Wandbespannung im großen Kinosaal ist einer abstrakten Komposition der Künstlerin Mechtild van Ahlers entlehnt. Das Gemälde hängt im Original im Foyer, im Saal expandiert es, digital vergrößert, über die gesamten Wandflächen.