07.02.2017

Event

Kamingespräche über Gottfried Semper

Kamingespräche David Chipperfield – Baumeister Foto: Selina Ahmann

Im Dezember 2016 erschien die von David Chipperfield Architects Berlin und dem Institut für Öffentliche Bauten der Universität Stuttgart gastkuratierte Ausgabe des Baumeister. Sie galt der architektonischen Form, ihrer Entstehung, ihren Verweisen. Hierzu gab es im Anschluss eine Podiumsdiskussion auf dem Berliner Bürogelände von DCA. Nun folgte eine weitere Veranstaltung an der Universität Stuttgart, die am 24. Januar im Rahmen der sogenannten Kamingespräche stattfand.

David Chipperfield - Gottfried Semper, Stuttgart Foto: Selina Ahmann
Kamingespräche David Chipperfield - Baumeister Foto: Selina Ahmann
Baumeister-Stuttgart-David Chipperfield Foto:Regina Schubert

Ein Gespräch vor dem Kaminfeuer

Ein Abend am Kaminfeuer. In schweren Sesseln werden die zeitlosen Fragen der Architektur, basierend auf Gottfried Sempers Stoffwechseltheorie, diskutiert: Inwiefern ist Architektur Träger von Erinnerung? Wodurch repräsentiert sie die Gegenwart ihrer Entstehungszeit? Wann verweist sie auf die Zukunft? Und welche Rolle spielt unser Wissen über Architektur im zeitgenössischen Entwurfsprozess?

Über diese Fragen diskutieren Alexander Schwarz vom Institut für Öffentliche Bauten und Entwerfen der Universität Stuttgart sowie Partner von David Chipperfield Architects, Klaus Jan Philipp vom Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart und Alexander Russ, verantwortlicher Redakteur der gastkuratierten Baumeister-Ausgabe.

Moderiert wird das Gespräch von Hannah Jonas, verantwortlich für die Forschung am Institut für Öffentliche Bauten, die zusammen mit Alexander Schwarz, die gastkuratierte Baumeister-Ausgabe konzipiert hat. Und auch ein Überraschungsgast ist im Publikum: Frau Karin Moelling, Ururenkelin von Gottfried Semper ist spontan von Zürich angereist, um an der Veranstaltung teilnehmen zu können.

Das Erfahren von Architektur als Grundlage des Schaffens

Eine Ausgabe von einem Architekturbüro gastkuratieren zu lassen, bedeutet ein Innehalten – sowohl für die Redaktion als auch für die Gastkuratoren. Nicht aktuelle Architekturen werden im Heft besprochen, sondern Bilder derer, die schon existieren. Bilder dessen, was wir erinnern. Erinnerungen, die wir als Entwerfer in uns tragen. So wird auch auf dem Podium und mit dem Publikum intensiv über das Erinnern von architektonischen Formen diskutiert – insbesondere im Dialog mit den Studierenden, die auf der Suche nach den Formen der Vergangenheit und denen der Zukunft sind.

Architektur ist eine langsame Disziplin. Die Werkzeuge des Entwerfens, die Stoffe des Bauens und strukturell auch die Formen, die heute entworfen werden, sind seit Sempers Zeit und lange darüber hinaus unverändert erhalten. Zwar nutzen wir heute zusätzliche Medien, dennoch wird Architektur nach wie vor am intensivsten auf eine vollkommen unmittelbare Weise erfahren: durch das direkte Erleben eines Gebäudes, durch das Original selbst.

Das Betrachten und das Verinnerlichen von bereits Gebautem sei die Grundlage der Tätigkeit des Architekten, so die These, die diskutiert wurde. Es sei die Grundlage, auf der er entwirft, die Grundlage, auf der er Neues entstehen lässt. Und so ensteht Architektur nicht durch ein Kopieren des Historischen, sondern durch eine Übertragung dessen, was schon existiert auf das, was gegenwärtig und zukünftig geschaffen wird. Eine Rückübertragung von Bestehendem auf Nicht-Bestehendes, von Wissen auf Nicht-Wissen, auf das, was wir als Architekten denken und erschaffen, auf: den Entwurf.

Das Entwerfen zwischen Realität und Imagination

Die kreative Leistung des Architekten besteht also aus nur vermeintlich gegensätzlichen Faktoren: aus dem, was existiert und als immanentes Wissen Grundlage unseres Denkens wird. Und aus dem, was noch nicht existiert, was wir imaginieren, was als Ideal nur erahnt werden kann – aus dem, was erst entworfen werden muss. Zu einer Architektur, die verwandt ist mit ihren Einflüssen und doch vollkommen eigenständig. Denn, so Gottfried Semper: „Nur der allmählige Gang der Zeiten bringt unmerklich nach langen Übergängen ganz unähnliche Resultate hervor.“

(Gottfried Semper, Entwurf zu der Nikolaikirche in Hamburg. Von dem Professor Semper in Dresden, in: Zeitschrift für Praktische Baukunst, hrsg. von Johann Andreas Romberg, Bd. 6, 1846, Spalten 56–62, hier Spalte 53.) Siehe auch: Klaus Jan Philipp: “Keine falsche Naivetät affektieren“ – Gottfried Sempers Umgang mit den Stilen. Artikel in der Ausgabe 12/16 des Baumeister, S. 12-14

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