1973 wollten der bekannte Schweizer Architekt Justus Dahinden und der Augsburger Baulöwe Otto Schnitzenbaumer den großen Wurf in Schwabing landen und ein Freizeit-, Vergnügungs- und Shoppingcenter als „atmenden Organismus“ schaffen. Das Schwabylon sorgte zur damaligen Zeit für Furore, und das nicht ohne Grund: Es provozierte das Spießbürgertum und atmete noch den Zeitgeist vom Wirtschaftswunder, verströmte einen Hauch Flower-Power und war Symbol für einen heute kaum mehr vorstellbaren Glauben an Technik, Fortschritt und grenzenloses Wachstum.
Dahinden selbst war ein Vordenker. Er beschäftige sich intensiv mit mobilen Megastrukturen und ähnlichen avantgardistischen Utopien der frühen 1960er-Jahre. Geprägt von dominanter, schriller Farbgestaltung, typografischen Elementen der Pop-Art und symbolhaften Motiven spricht sein Münchner Entwurf die Sprache einer provokanten Pop-Architektur. Doch auch wenn es dem farbenfrohen Bunker nicht an todschicken Boutiquen, einem Biergarten unter Eichen, einer riesigen Wellness-Landschaft oder einer Eislaufhalle mangelte, so fand das Schwabylon nach nur sechs Jahren Betrieb ein jähes Ende: Nicht zuletzt wegen seiner ungünstigen Lage im Schwabinger Norden, seinem schlecht belichteten Innenleben und dem Mangel an betuchten Gästen rollten bereits 1979 die Bagger an und machten das Schwabylon dem Erdboden gleich. Für die Presse erwies sich der Bau schnell als „Buntspecht, der keine goldenen Eier legen wollte“.
Visionär Justus Dahinden
Auch wenn das skandalumwitterte Pop-Gebäude nicht den Spagat zwischen visionärem Avantgardismus und dem Profitstreben seiner Erschaffer leisten konnte – Dahindens Schwabylon ist ein wunderbares Beispiel für experimentelles Zukunftsdenken, das heute oft fehlt. Auch jetzt kann das Bauwerk München als kreatives Vorbild dienen. Denn da wo Undenkbares gedacht wird und mutige Köpfe sich zusammentun, können Zukunftsvisionen einer lebendigen Stadt erschaffen werden. Denn eine Utopie ist nicht von vornherein ein Hirngespinst, das sich ins Nichts auflöst. Es sei denn, um es mit den Worten Bert Brechts auszudrücken: „Von all jenen Traum- und Albtraumstädten wird bleiben: was durch sie hindurchging, der Wind.“
Ein weiteres in Schwabing errichtetes Projekt von Justus Dahinden ist das Restaurant Tantris. Anders als das Schwabylon hält die Erfolgsgeschichte jedoch an. Mehr über die 1971 fertiggestellte Architektur und dessen Geschichte lesen Sie in dem Buch TANTRIS.
Mehr zu Architektur in München und Bayern finden Sie übrigens in der B4/18.