Die James Baldwin Mediathek zusammen mit dem Haus für Flüchtlinge in Paris von associer atelier. © Pierre-Yves Brunaud

Im 19. Arrondissement von Paris hat das Architekturbüro associer die ehemalige Jean Quarré Berufsschule aus den 1970er Jahren umgebaut. Das zwischen Wohnblöcken und Hochhäusern isolierte Grundstück wurde zu einem multifunktionalen Komplex transformiert, der eine Mediathek und ein Treffpunkt für Flüchtlinge beherbergt.


Programmatische Besonderheiten

Die Programmierung des Gebäudes verbindet zwei gesellschaftlich relevante Nutzungen: Die James Baldwin Mediathek fungiert als kulturelle Einrichtung für das Viertel und ist gleichzeitig eine der vier Pariser Mediatheken mit einem „Centre for the Deaf“ für Nutzer der Gebärdensprache. Der Ort für Flüchtlinge bündelt sämtliche Aspekte der Integration von Geflüchteten an einem Ort und schafft damit einen zentralen Anlaufpunkt innerhalb der Stadt.

James Baldwin (1924-1987) war ein amerikanischer Schriftsteller, Essayist und politischer Aktivist, der zu den bedeutendsten literarischen Stimmen des 20. Jahrhunderts zählt. Als schwarzer, homosexueller Mann schrieb Baldwin mit einzigartiger Klarheit und Schärfe über die Themen Rasse, Sexualität und Identität in Amerika.


Konstruktive Maßnahmen und Bestandserhalt

Die architektonische Herangehensweise basiert auf selektiver Dekonstruktion und maximaler Erhaltung der bestehenden Struktur. Die präfabrizierten Elemente – Stahlbetonstützen, Träger, Decken und Fassadenplatten – wurden saniert und von Asbest befreit. Ein Teil der Betonböden, Wände und Fassadenelemente wurde selektiv zurückgebaut, wobei die entfernten Elemente vor Ort für die Wiederverwertung gelagert wurden. Durch dieses Vorgehen gelang es, die Regelmäßigkeit der Struktur wiederherzustellen und die Qualität des Sichtbetons zu verbessern.

Das Projekt folgt einem bioklimatischen Designansatz, der die natürlichen Ressourcen der Umgebung für den effizienten Betrieb des Gebäudes nutzt. Die freigelegte Bestandsstruktur ermöglicht eine verbesserte Tageslichtnutzung. Der rohe Sichtbeton bietet nicht nur haptische Qualitäten durch seine Oberflächentextur, sondern trägt durch seine thermische Masse zur verbesserten Regulierung der Innentemperatur bei. Ein durchdachtes Lüftungskonzept mit doppelgeschossigen Öffnungen im Inneren und einem Luftschacht zum Garten im Patio sorgt für natürliche und hygienische Belüftung.


Räumliche Organisation und Atmosphäre

Die beiden Hauptgebäude – die quadratische Mediathek und das längliche Flüchtlingshaus – werden durch ein vertikales Volumen, das sogenannte „Link“-Element, verbunden. Diese ungeheizte Holzkonstruktion mit Wänden aus vorgefertigtem Stampflehm gewährleistet thermische Trägheit und reguliert die Luftfeuchtigkeit. Eine hölzerne Fassade umhüllt dieses Verbindungselement und dient gleichzeitig als hocheffektiver Sonnenschutz.

Die großzügige Stützen-Träger-Konstruktion des Flüchtlingshauses schafft einladende Räume mit variierenden Atmosphären. Hier finden Geflüchtete und Anwohner Bereiche zum Getränkekonsum, zum Erlernen der französischen Sprache und zum Kochen. Die akustische Gestaltung wurde speziell auf den Komfort aller Nutzergruppen ausgerichtet. Eine ausgedehnte Terrasse mit Südausrichtung bietet Erholungsmöglichkeiten und Zugang zum Gemeinschaftsgarten.


Entsiegelung

Der Umgang mit den Außenflächen stellt einen entscheidenden Aspekt des Projekts dar. Rund 70% der versiegelten Flächen wurden entsiegelt. Der offene Boden findet sich im zentralen Patio der Mediathek, auf dem Vorplatz, im schattigen Garten, im Gemeinschaftsgarten und auf der Terrasse des Flüchtlingshauses wieder. Das Konzept zur Bekämpfung des urbanen Hitzeinseleffekts umfasst die Erweiterung von Grünflächen, die Verwendung von hellen Bodenbelägen (recycelte Betonplatten und stabilisierter Sand) sowie ein flaches Wasserbecken zwischen dem Gemeinschafts- und dem Schattengarten.

Technische Daten

  • Standort: 12bis rue Henri Ribière, 75019 Paris
  • Bauherr: Dcpa/Samo, DAC, DSOL (Ville de Paris)
  • Nutzer: DAC (Ville de Paris), Emmaüs und Singa
  • Architekten: associer (ehem. atelierPhilippeMadec), Hauptarchitekt: Philippe Madec
  • Lehmbauspezialisten: Nicolas Miessner architecte, Amàco, BETerre
  • Landschaftsarchitekt: Mutabilis
  • BGF: 4.406 m²
  • Grundstücksfläche: 6.467 m²
  • Gemeinschaftliche Grünflächen: 1.887 m²
  • Kosten: 17,5 Mio. € (ohne MwSt.)
  • Zeitplan: Wettbewerb 2018, Bauzeit 5 Jahre, Fertigstellung: Juni 2024 / April 2025

Fazit

Das James Baldwin Media Library & Refugee House kombiniert eine Bestandserhaltung mit bioklimatischem Design und der Integration von biobasierten Materialien wie Holz und Erde. Die Entsiegelung und Schaffung von Grünflächen wirken auf das Mikroklima im Stadtgebiet ein. Das Projekt wurde im Juni 2024 und April 2025 in zwei Phasen fertiggestellt.

 

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