15.10.2025

Architektur-Grundlagen

Was ist eine ‚intelligente Grundrissfigur‘?

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Ein modernes Hochhaus mit reich bepflanzter Fassade in Osaka, aufgenommen von Buddy AN.

Die intelligente Grundrissfigur ist das neue Lieblingsbuzzword der Architektenszene. Doch was steckt dahinter? Ist sie die technische Evolution des Flurs, die Rettung der Wohnungsnot – oder nur eine hübsche, algorithmisch optimierte Spielerei für Wettbewerbsjurys? Wer das Schlagwort versteht, erkennt: Es geht um weit mehr als Geometrie. Es geht um die Zukunft des Entwerfens, um Digitalisierung, Nachhaltigkeit und die Frage, ob der Grundriss endlich schlauer werden kann als sein Bewohner.

  • Was versteht man unter einer intelligenten Grundrissfigur – und warum ist das kein Marketing-Gag?
  • Wie weit sind Deutschland, Österreich und die Schweiz bei der Entwicklung smarter Grundrisse?
  • Welche digitalen und KI-basierten Tools verändern die Grundrissplanung?
  • Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit, Flächeneffizienz und soziale Aspekte?
  • Warum sind intelligente Grundrissfiguren ein Politikum – und was wird daran kritisiert?
  • Wie viel technisches Know-how müssen Architekten heute mitbringen?
  • Wie beeinflussen smarte Grundrisse das Berufsbild und den globalen Architekturdiskurs?
  • Welche Visionen, Risiken und Chancen bergen intelligente Grundrissfiguren?

Intelligente Grundrissfigur – was soll daran eigentlich „intelligent“ sein?

Der Grundriss ist tot, es lebe der Grundriss. Seit Jahrzehnten sind Architekten besessen von der perfekten Figur – dem magischen Plan, der aus Flächen Räume macht und aus Räumen Lebensqualität. Doch in Zeiten von Wohnraummangel, maximaler Flächeneffizienz und steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen reicht das klassische Schachbrettmuster nicht mehr. Die intelligente Grundrissfigur verspricht: mehr Licht, mehr Luft, mehr Flexibilität, weniger Quadratmeter, weniger Ressourcen. Aber was ist „intelligent“ daran? Die Antwort ist so simpel wie komplex: Sie ist es dann, wenn sie über die reine Form hinausgeht und den Plan als datengetriebenes, adaptives System begreift. Intelligenz bedeutet hier nicht nur ein cleverer Kniff mit dem Zollstock, sondern ein Zusammenspiel aus funktionaler Logik, digitaler Simulation und nachhaltiger Optimierung. Eine intelligente Grundrissfigur reagiert auf Standort, Nutzer, Klima und Ressourcen – und das im Idealfall in Echtzeit.

Wer heute einen Wohnungsgrundriss plant, steht vor einer Fülle von Anforderungen: maximale Tageslichtausbeute, flexible Nutzung, barrierearmes Erschließen, Energieoptimierung, soziale Durchmischung. Die intelligente Grundrissfigur ist das architektonische Pendant zum smarten Thermostat – sie lernt, passt sich an, kalkuliert Varianten, erkennt Nutzungsmuster und minimiert dabei den Flächenverbrauch. Möglich machen das digitale Werkzeuge, KI-basierte Simulationen und parametrische Entwurfslogiken. Was früher gefühlt und gezeichnet wurde, wird heute analysiert und getestet – und zwar so lange, bis jede Wand sitzt. Das klingt nach Science-Fiction, ist aber längst Alltag in vielen Büros. Gerade in der Schweiz und in Österreich sind parametrische Grundrissgeneratoren und digitale Planungsprozesse schon Standard in Wettbewerben und Projekten.

Doch auch Deutschland zieht nach – zumindest in den Innovationshochburgen. In Berlin, Hamburg oder München wird die Grundrissplanung in großen Wohnungsbauprojekten zunehmend digitalisiert. KI-basierte Tools wie Spacemaker, Testfit oder eigens entwickelte Algorithmen übernehmen die Vorentwurfsphase, simulieren Licht, Akustik, Wegelängen und Nachbarschaftsbeziehungen. Der Planer wird zum Kurator von Varianten, zum Steuermann in einem Meer aus Daten. Die neue Intelligenz liegt also in der Prozessarchitektur: Der Grundriss ist kein statisches Ergebnis mehr, sondern ein dynamisches Suchspiel mit vielen Zielvorgaben.

Natürlich bleibt die Frage: Kann der intelligente Grundriss wirklich mehr als ein gut gemeinter Kompromiss sein? Kritiker sehen darin oft nur ein neues Buzzword für altbekannte Prinzipien: Die richtige Orientierung, kurze Wege, klare Raumfolgen – das war schon immer gute Architektur. Doch intelligente Grundrissfiguren gehen weiter: Sie reagieren in Echtzeit auf geänderte Anforderungen, passen sich neuen Lebensmodellen an und können sogar im Betrieb noch optimiert werden. Die klassische Trennung von Entwurf und Nutzung löst sich auf – der Grundriss wird zum lernenden Organismus.

Wer den Begriff „intelligent“ darauf reduziert, dass ein Algorithmus ein paar Wände verschiebt, hat das Thema nicht verstanden. Es geht um ein neues Planungsparadigma: Der Grundriss wird zum digitalen Zwilling der Lebensrealität, zum adaptiven Interface zwischen Nutzer, Klima und Ressource. Und das ist technisch wie gesellschaftlich ein Quantensprung – zumindest, wenn man es ernst meint.

Stand der Dinge – wie smart sind Grundrisse in DACH wirklich?

Die selbstbewusste Antwort vorweg: Deutschland, Österreich und die Schweiz sind nicht die Vorreiter der intelligenten Grundrissfigur, aber sie sind auch keine Nachzügler. Gerade im mehrgeschossigen Wohnungsbau und bei Bürogebäuden werden digitale Entwurfs- und Simulationswerkzeuge immer häufiger eingesetzt. In Wien experimentieren Baugruppen mit flexiblen Grundrissen, die sich über Schiebewände und modulare Einheiten an die Lebenssituation anpassen lassen. In Zürich werden parametrische Tools eingesetzt, um Wohnungsgrundrisse auf Tageslichtausbeute, Erschließungseffizienz und soziale Interaktionen zu optimieren. Und auch deutsche Wohnungsbaugesellschaften springen auf den Zug auf – allerdings oft noch zögerlich und in Pilotprojekten versteckt.

Die größte Hürde ist dabei selten die Technik, sondern die Planungskultur. Viele Bauherren sind skeptisch gegenüber Grundrissen, die keinen klassischen Flur mehr kennen, sondern alles offen, adaptiv und durchlässig denken. Die Angst vor zu viel Flexibilität, vor Unplanbarkeit und vor Kontrollverlust ist groß – insbesondere im deutschen Kontext, wo DIN-Normen und Flächenbilanzen das Entwerfen seit Jahrzehnten dominieren. Trotzdem wachsen die Beispiele: In Hamburg entstehen adaptive Wohnhäuser, in München werden gewerbliche Grundrisse mittels KI auf Flächeneffizienz und Umnutzbarkeit getestet, in Berlin nutzen Start-ups digitale Tools zur Simulation von Verkehrsströmen und Erschließungswegen in neuen Quartieren.

Auch der Gesetzgeber erkennt langsam das Potenzial intelligenter Grundrissfiguren – zumindest auf dem Papier. Die Bauordnungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind jedoch noch weit entfernt davon, digitale Planungsprozesse und adaptive Grundrisse systematisch zu fördern. Zu groß ist die Angst vor Regelverstößen, zu gering das Vertrauen in die Technik. Gleichzeitig fordern Wohnungsbaukonzepte, Klimaziele und Nutzerbedürfnisse immer flexiblere und ressourcenschonendere Lösungen. Die Diskrepanz zwischen regulatorischem Rahmen und planerischer Innovation ist damit das eigentliche Problem – nicht die Technik.

International betrachtet hinkt die DACH-Region den Vorreitern wie den Niederlanden, Dänemark oder Singapur etwas hinterher. Dort sind digitale Grundrissgeneratoren, KI-gestützte Nutzeranalysen und adaptive Flächenkonzepte schon Alltag. In der Schweiz und in Österreich ist man immerhin offen für Experimente – insbesondere, wenn es um Baugruppen, Co-Living und nachhaltige Quartiersentwicklung geht. Deutschland bleibt vorsichtig, tastet sich aber langsam voran. Entscheidend ist, dass die intelligente Grundrissfigur kein Selbstzweck bleibt, sondern echten Mehrwert für Nutzer, Betreiber und Stadt schafft.

Ob die DACH-Länder aufholen oder zurückfallen, entscheidet sich nicht an der Software, sondern am Mut zur Veränderung. Wer weiter auf Standardgrundrisse und starre Typologien setzt, wird von der Realität überholt. Die intelligente Grundrissfigur ist kein Allheilmittel – aber sie ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man sie als Prozess, nicht als Produkt versteht.

Digitalisierung, KI und der Grundriss als Datenobjekt

Was treibt die Entwicklung intelligenter Grundrissfiguren wirklich voran? Es ist die Digitalisierung – und mit ihr der Siegeszug von KI, Simulation und datengetriebenem Entwerfen. Der Grundriss wird zum Datenobjekt, das sich in Echtzeit verändern und anpassen lässt. Moderne Planungssoftware, Building Information Modeling (BIM) und parametrische Tools machen es möglich, Varianten zu generieren, deren Komplexität früher unvorstellbar war. Jede Wand, jede Tür, jedes Fenster wird zum „Parameter“, der sich per Klick verändern lässt – basierend auf Zielvorgaben wie Belichtung, Flächeneffizienz, Erschließungsqualität oder Energiebedarf.

KI-gestützte Tools analysieren Nutzerverhalten, simulieren Tagesabläufe und schlagen Grundrissvarianten vor, die auf realen Daten basieren. Im Idealfall entsteht so nicht nur ein „besserer“ Grundriss, sondern einer, der sich im Betrieb weiterentwickeln kann. In Kombination mit Sensorik und IoT lassen sich Nutzungsdaten auswerten und in die Optimierung zurückspielen. Der Grundriss wird zum lernenden System – und der Architekt zum Datenkurator. Wer diese Tools nicht beherrscht, plant an der Zukunft vorbei.

Die Digitalisierung eröffnet aber auch neue Debatten: Wem gehören die Daten? Wer kontrolliert die Algorithmen, die unseren Wohnraum formen? Wie transparent sind die Entscheidungsprozesse, wenn KI den Grundriss vorschlägt und der Mensch nur noch auswählt? Die Gefahr einer algorithmischen Verzerrung ist real – insbesondere, wenn kommerzielle Plattformen und Tech-Konzerne das Planen dominieren. Die Intelligenz steckt dann weniger im Grundriss, sondern im Geschäftsmodell. Ein kritischer Umgang mit digitalen Tools ist deshalb Pflicht, nicht Kür.

Gleichzeitig bietet die Digitalisierung neue Chancen für Partizipation und Transparenz. Nutzer können per App oder Webtool an der Grundrissentwicklung teilnehmen, Varianten bewerten und ihr Feedback direkt einbringen. Die klassische Trennung zwischen Planer und Bewohner löst sich auf – der Grundriss wird zum demokratischen Aushandlungsraum. Wenn man es denn zulässt. In der Praxis bleibt die Beteiligung aber oft ein Feigenblatt – zu komplex sind die Prozesse, zu groß die Angst vor Kontrollverlust. Wer hier mutig ist, kann echte Innovationssprünge erzielen.

Die größte Gefahr bleibt die Kommerzialisierung des Grundrisses. Wenn digitale Tools nur noch auf maximale Flächenausnutzung und Rendite optimieren, bleibt die architektonische Qualität auf der Strecke. Die intelligente Grundrissfigur darf kein Algorithmus-Einheitsbrei werden, sondern muss Vielfalt, Lebensqualität und Nachhaltigkeit ins Zentrum stellen. Sonst bleibt sie ein leeres Versprechen.

Nachhaltigkeit und soziale Resilienz – der Grundriss als Zukunftslabor

Wer glaubt, die intelligente Grundrissfigur sei nur ein technischer Gag, verkennt ihre gesellschaftliche Sprengkraft. Denn der Grundriss ist nicht nur ein Stück Geometrie, sondern die Matrix für nachhaltiges und resilientes Bauen. Ein wirklich intelligenter Grundriss reduziert nicht nur Flächenverbrauch und Energiebedarf, sondern ermöglicht flexible Nutzungen, soziale Interaktion und Anpassungsfähigkeit über den gesamten Lebenszyklus. In Zeiten von Klimakrise, Urbanisierung und demografischem Wandel ist das kein Luxus, sondern Überlebensstrategie.

Nachhaltig ist ein Grundriss dann, wenn er Ressourcen schont, Umnutzungen erlaubt und sich an wechselnde Bedürfnisse anpasst. Das klingt banal, ist aber planerisch eine komplexe Herausforderung. Digitale Tools und KI können helfen, Varianten zu simulieren, Materialflüsse zu optimieren und Lebenszyklen zu verlängern. In Wien und Zürich werden Grundrisse schon heute so entworfen, dass sie in 20 Jahren problemlos in Büros, Co-Living-Cluster oder Pflegewohnungen umgewandelt werden können. Die intelligente Grundrissfigur wird damit zum Schlüssel für kreislauffähige und ressourcenschonende Architektur.

Auch soziale Aspekte rücken in den Fokus. Ein adaptiver, durchdachter Grundriss kann Nachbarschaft fördern, Gemeinschaftsflächen schaffen und die Integration unterschiedlicher Nutzergruppen erleichtern. Gerade in dicht besiedelten Städten ist das überlebenswichtig. Die intelligente Grundrissfigur denkt also nicht nur in Quadratmetern, sondern in sozialen Beziehungen, Nutzungszyklen und ökologischen Fußabdrücken. Das erfordert technisches Know-how, aber vor allem einen Perspektivwechsel im Entwerfen.

Kritiker warnen: Zu viel Flexibilität kann auch zu Beliebigkeit führen. Wenn alles offen, alles adaptiv ist, verliert die Architektur ihre Identität. Die intelligente Grundrissfigur droht dann zur austauschbaren Modulmaschine zu werden. Hier gilt es, Balance zu halten: zwischen Flexibilität und Charakter, zwischen Standardisierung und Vielfalt. Die Digitalisierung darf nicht zum Dogma werden, sondern muss architektonische Qualität ermöglichen – nicht verhindern.

Die intelligente Grundrissfigur ist damit ein Zukunftslabor für nachhaltige, resiliente Architektur. Sie zwingt Planer, Nutzer und Betreiber zum Umdenken – und eröffnet neue Möglichkeiten für nachhaltiges Bauen. Ob sie zum Standard wird oder zur Nischenlösung verkommt, hängt davon ab, wie mutig die Branche ist.

Fazit: Der Grundriss denkt – aber wer denkt für den Grundriss?

Die intelligente Grundrissfigur ist mehr als ein architektonischer Trend. Sie ist der Versuch, das Entwerfen ins 21. Jahrhundert zu holen – mit digitalen Tools, KI, Nachhaltigkeitszielen und sozialer Verantwortung. Sie zwingt Planer, sich vom Bild des allwissenden Autors zu verabschieden und den Grundriss als dynamisches, lernendes System zu verstehen. Das ist unbequem, aber notwendig. Denn die Herausforderungen der Zukunft – Wohnraummangel, Klimakrise, soziale Spaltung – lassen sich mit klassischen Grundrisstypologien kaum noch lösen.

Deutschland, Österreich und die Schweiz stehen am Anfang einer Entwicklung, die das Berufsbild grundlegend verändert. Wer digitale Tools nicht beherrscht, wird abgehängt. Wer die sozialen und ökologischen Potenziale intelligenter Grundrissfiguren ignoriert, plant an der Zeit vorbei. Gleichzeitig dürfen Technik und Effizienz nicht zum Selbstzweck werden. Die intelligente Grundrissfigur muss Vielfalt, Lebensqualität und Nachhaltigkeit ermöglichen – sonst bleibt sie ein weiteres leeres Buzzword im Architekturdiskurs.

Die Zukunft des Grundrisses ist datengetrieben, aber nicht deterministisch. Sie ist offen für Partizipation, aber nicht beliebig. Sie ist nachhaltig, aber nicht dogmatisch. Und sie ist vor allem eines: eine Einladung, das Entwerfen neu zu denken. Wer das annimmt, kann echte Innovation schaffen. Wer weiter auf Standardlösungen setzt, wird von der Realität überholt – und von smarteren Grundrissen ersetzt.

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