Potentiale


Postbahnhof Leipzig

Sechs Monate lang hat Ansgar Stadler in Leipzig verbracht und sich angesehen, wie man industrielles Erbe Umnutzen kann. In seinem letzten Beitrag blickt er in die Zukunft, um aufzuzeigen welche Potenziale die Stadt noch bietet.

Nach knapp sechs Monaten in Leipzig habe ich viel über das industrielle Erbe der Stadt erfahren. Durch innovative Konzepte, die Industriebauten erhalten und nutzen, konnten hier viele Gebäude dem Abriss entgehen und sind auch heute noch Teil des heterogenen Stadtbilds. So leistet beispielsweise die Spinnerei einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Vielfalt Leipzigs und schafft es gleichzeitig den industriellen Charme der alten Fabrikhallen zu erhalten.

Trotz dieser erfolgreichen Umnutzungen fallen mir beim Spaziergang durch die Stadt immer wieder marode Fassaden auf, viele ehemalige Fabriken stehen noch leer. Doch gerade diese zunächst abweisend wirkenden Anblicke machen Leipzig spannend. Denn hier spürt man: Es gibt noch Potenzial für Entwicklung. Die Stadt ist noch nicht zu Ende gedacht. Das unterscheidet Leipzig von meiner sonstigen Wahlheimat München, wo in der Innenstadt jede Fassade perfekt restauriert und jede Freifläche bereits bebaut scheint.

Für Architekten, die bereit sind sich mit der Geschichte auseinanderzusetzten, ist Leipzig eine wahre Fundgrube. Die baulichen Qualitäten der alten Gebäude und der industrielle Charme sprechen dafür, die Bauten zu erhalten.

Die zukünftige Entwicklung unserer Städte ist davon abhängig, wie man mit der bestehenden Substanz umgeht und sie wertschätzt. Darum habe ich aus einer Vielzahl von ungenutzten Leipziger Industriebauten beispielhaft drei unter Denkmalsschutz stehend Gebäude ausgewählt, die ich vorstellen möchte. Alle sind im Moment noch ungenutzt, weisen aber große und gleichzeitig unterschiedliche Potenziale auf:

Der Postbahnhof Leipzig entstand von 1906 bis 1912 als zentraler Umschlagsplatz für Briefe und Pakete. Acht bogenförmige Dächer überdecken, von beeindruckende Stahlstützen getragen, 26 Bahngleise an 16 Bahnsteigen. Damit war das Baudenkmal die weltweit größte Bahnpostanlage seiner Zeit. Heute steht das Gebäude leer. Um die überdachte Fläche wiederzubeleben wäre eine Markthalle oder eine überdachte Sportanlage denkbar. Die unmittelbare Nähe zum Leipziger Hauptbahnhof macht es aber auch für Büronutzungen interessant.

Gasometer Nord (Gaswerk 1 – Gasbehälter 10)

Der Gasometer Nord ist einer von mehreren Anlagen in Leipzig, die um 1900 zur Speicherung von Gas erbaut wurden. Die Stadtwerke Leipzig sanierten den massiven Rundbau und seine Schwedler Kuppel 2013. Seitdem sind sie auf der Suche nach einem neuen Eigentümer mit Nutzungskonzept. Die runde Typologie bietet viele spannende Möglichkeiten für eine Umnutzung wie schon Yadegar Asisis Panorama Museum im Süden Leipzigs beweist.

Polygraphiemaschinenfabrik Karl Krause

Wenn man von einem der stillgelegten und mittlerweile wild bewachsenen Bahngleise kommend zum ersten Mal die Buchbindereimaschinenfabrik sieht, vergisst man schnell, dass man sich mitten im Osten Leipzigs befindet. Wie in einer grünen Insel liegt das Baudenkmal in dem sonst dicht bebauten Gebiet. Der Industrielle Karl Krause ließ das Gebäude mit seinen außenliegenden Treppentürmen und markantem Eckturm von 1909 bis 1914 erbauen. Die Fabrik produzierte bis in die 1994er Jahre und steht seitdem leer.
Die Flächen könnten zu Wohnungen und Büroflächen mit gemeinschaftlichen Gärten umgenutzt werden, die vorbeiführende Bahntrasse zu einem Park mit Fahrradhighway. Leben, arbeiten und entspannen im Grünen – mitten in Leipzig.

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