12.11.2021

Architektur Öffentlich

Die Opfer bei ihren Namen nennen

Ziegel

Die 102.000 Steine des Holocaust Namenmonument in Amsterdam tragen die Namen der niederländischen Opfer, die während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg deportiert und ermordet wurden.

Foto: Kees Hummel

Mehr als 100.000 Menschen – Juden, Sinti und Roma – deportierten die deutschen Besatzer in den Niederlanden zwischen 1942 und 1945; ermordeten sie anschließend in ihren Vernichtungslagern. Das Schicksal der Anne Frank steht exemplarisch für dieses unsagbare Verbrechen, dessen Monstrosität in seiner Gesamtheit praktisch nicht zu begreifen ist. In Amsterdam erinnert seit September das Holocaust Namenmonument an die niederländischen Opfer von Deportation und Mord.

Foto: Kees Hummel

Das Holocaust Namenmonument holt die Opfer aus der Anonymität

Entworfen hat die Erinnerungsstätte Daniel Libeskind. Sie steht in der Weesperstraat und damit im Zentrum des ehemaligen Jodenbuurt, des jüdischen Viertel Amsterdams. Das Jüdische Historische Museum und die berühmte Portugiesische Synagoge befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Das Holocaust Namenmonument entstand auf Anregung des Niederländischen Auschwitz-Komitees und seines Vorsitzenden Jacques Grishaver. Insgesamt fünf Jahre betrug die Bauzeit. Nicht zuletzt führten Einsprüche aus der Nachbarshaft zu einer einjährigen Verzögerung.

Foto: Kees Hummel

Das Holocaust Namenmonument will die Opfer des Holocaust aus der Anonymität holen und ihre Namen deutlich sichtbar verewigen. Deshalb besteht die Gedenkstätte aus etwa 102.000 Ziegeln, von denen jeder den Namen eines oder einer Deportierten und Ermordeten trägt. Mehr als fünf Monate dauerte es, bis ein Roboterarm alle Namen in die Ziegelsteine eingelasert hatte. Auch die Steine selbst sind eine Sonderanfertigung – speziell geschaffen für das Holocaust Namenmonument.

Foto: Kees Hummel

Schwebende Buchstaben aus spiegelndem Stahl

Aus den Ziegeln entstand ein Labyrinth mit insgesamt 72 Wänden, das eine eigentlich auf Restaurierungen spezialisierte Baufirma mit größtmöglicher Akkuratesse gemauert hat. Dabei stellte es eine besondere Herausforderung dar, die Namensziegel präzise in alphabetischer Reihenfolge zu verlegen. Die Mauern tragen vier große skulpturale Objekte aus hochglänzendem Edelstahl. Diese Objekte formen Buchstaben des hebräischen Alphabets, die zusammengelesen „im Gedenken“ oder „in Erinnerung“ bedeuten. Obwohl die Stahlbuchstaben über den Mauern zu schweben scheinen, besitzen sie ein enormes Eigengewicht. Rund 150 Tonnen Gewicht müssen die Ziegelwände über insgesamt 26 Auflager aufnehmen.

Foto: Kees Hummel

Als Lichtdesignerin für das Holocaust Namenmonument fungierte Ulrike Brandi, die Landschaftsarchitektur schufen Rijnboutt Architekten, die auch die Gesamtkoordination des Projektes übernahmen. Daniel Libeskind entwarf den Amsterdamer Gedenkort gleich aus mehreren Gründen als Ziegelbau. Zum einen soll die schwer zu fassende Zahl der Opfer so anschaulich wie möglich werden. Zum anderen will der Architekt einen klaren Ortsbezug herstellen. Nicht zuletzt soll die Bauweise aber auch an die jüdische Tradition erinnern, einen kleinen Stein beim Besuch eines Grabes zu hinterlassen. Aus diesem Grund können die Besucher und Besucherinnen des Holocaust Namenmonuments auch Kiesel auf einem in den Boden eingelassenen Streifen aus Basalt niederlegen.

Foto: Kees Hummel
Foto: Kees Hummel
Foto: Kees Hummel

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