26.05.2021

Öffentlich

Eine neue Galerie für Hauser & Wirth von Annabelle Selldorf

Hauser & Wirth

Die auf die Präsentation von Kunst spezialisierte Architektin Annabelle Selldorf hat jetzt mitten in New York ein weiteres Projekt für die Galerie Hauser & Wirth realisiert. Das fünfstöckige Galeriegebäude zeigt sich in gewohnt minimalistischer Optik und bietet ausreichend Platz für Installationen.

Das neue, fünfstöckige Galeriegebäude von Hauser & Wirth in Chelsea. Foto: Nicholas Venezia

Annabelle Selldorf setzt auf Maßstab, Proportion, Material und Licht

1988 eröffnete die Architektin Annabelle Selldorf nach einem Studium am renommierten Pratt Institute in New York ihr eigenes Büro. Und seitdem ist sie dort vor allem für Galeristen, Künstler, Museen und Kulturinstitutionen tätig, die ihre minimalistische Architektur als angemessenen Rahmen für die Präsentation von Kunst schätzen. Den Einstieg in den New Yorker Kunstbetrieb bekam die prominente New Yorker Architektin als Assistentin im Büro von Richard Gluckman (Andy Warhol Museum, Pittsburgh, und Deutsche Guggenheim in Berlin), der den künstlerischen Minimalismus in die Architektur übertrug und damit die Ästhetik der erfolgreichen Galerie in Chelsea prägte, dem New Yorker Stadtteil, der als weltweite Drehscheibe für den Kunsthandel gilt.

Annabelle Selldorf, Foto: Brigitte Lacombe

Galerie auf dem Grundstück eines ehemaligen Parkhauses

International hat sich Annabelle Selldorf vor allem mit der der Planung und dem Innenausbau von Apartments und Penthouses einen Namen gemacht. Bekannt ist sie für ihr rigoroses Understatement in ihren Interieurs. Stark setzt sie auf architektonische Prinzipien: Maßstab, Proportion, Material und Licht. Ihr Formenvokabular verwendet sie dabei sparsam.

Ihre ruhigen und strengen Räume rückt die Kunst stets im Vordergrund. Das zeigt beispielhaft die „Neue Galerie“ – Ronald Lauders Museum für deutsche und österreichische Kunst aus dem frühen 20. Jahrhundert an der Fifth Avenue. Annabelle Selldorf gestaltet das Gebäude dezent um und setzte bei der Sanierung ein zeitgemäßes und museumsgerechtes Raum- und Funktionsprogramms um. Den Umbau bezeichnete der namhafte New Yorker Architekturkritiker und Pulitzer-Preisträger Paul Goldberger als „sanften Modernismus mit äußerster Präzision und perfekten Proportionen“.

Für den Galeristen David Zwirner, seit mehr als zwanzig Jahren einer der wichtigsten Protagonisten des internationalen Kunsthandels (Sohn des Kölner Galeristen Rudolf Zwirner) entwarf Annabelle Selldorf in Chelsea einen monumentalen Neubau aus rauem Sichtbeton, der auf dem Grundstück eines ehemaligen Parkhauses errichtet wurde (2013). Auf der knapp 3.000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche werden dort zum Beispiel Werke von Dan Flavin und Donald Judd gezeigt.

Großzügig verglaste Öffnungen

In der 22. Straße hat die auf die Präsentation von Kunst spezialisierte Architektin jetzt ein weiteres Projekt realisiert. Diesmal für die Schweizer Galeristen Iwan und Manuela Wirth sowie Ursula Hauser. Das heute weltweit tätige Unternehmen Hauser & Wirth unterhält Dependancen in Zürich, London, Somerset, New York, Los Angeles und Hong Kong und hat angesagte Künstler und Künstlerinnen unter Vertrag (u. a. Pipilotti Rist, Annie Leibovitz, Jorge Condo, Mark Bradford). Mit den einflussreichen Kunsthändlern, für die Annabelle Selldorf bereits ein ehemaligen Brauereikomplex in Zürich, eine verlassene Getreidemühle in Los Angeles und ein denkmalgeschütztes Bankgebäude in London an der Upper East Side in Manhattan zu Kunsthäusern umgenutzt hat, ist die Architektin seit Jahrzehnten verbunden.

Über 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche hat das neue Galeriegebäude von Hauser & Wirth in Chelsea jetzt auf fünf Stockwerken zur Verfügung. Der anthrazitfarbene Block aus Flugasche-Beton steht in starkem Kontrast zu den roten Backsteinbauten der Nachbarschaft. Zinkpaneele und schwarz lackierte Stahlrahmen unterstreichen die minimalistische Optik. Die Außenhülle wird von großzügigen verglasten Öffnungen unterbrochen. 

Foto: Nicholas Venezia
Foto: Nicholas Venezia
Foto: Nicholas Venezia
Foto: Nicholas Venezia
Foto: Nicholas Venezia
Foto: Nicholas Venezia

Installationen interagieren dynamisch mit der Architektur

 

Das Erdgeschoss und die erste Etage sind mit 16 bzw. zwölf Meter hohen Glasschiebetüren ausgestattet. Diese lassen sich komplett wegklappen und die Fassade öffnen. Das Publikum ist damit stärker mit der ausgestellten Kunst in Kontakt. Säulenfreie, unterschiedlich große Räume mit polierten Betonböden und weiß verputzten Wänden bieten ausreichend Platz für Installationen. Eine Bar und ein Veranstaltungsraum auf der zweiten Ebene können für Künstlergespräche und Versammlungen genutzt werden. Weitere Ausstellungsräume und Büros nehmen die oberen Etagen ein.

Highlight ist die über fünf Meter hohe Galerie im fünften Stock mit einer großen verglasten Dachluke. Diese macht das Art handling per Kran von der Straße aus in das Gebäude möglich. „Der Neubau für Hauser & Wirth entwickelte sich aus einem engen Dialog, den wir mit der Galerie über viele Jahre und viele verschiedene Projekte hinweg geführt haben“, erklärt Annabelle Selldorf. „Gemeinsam haben wir hier etwas geschaffen, das die Menschen mit Kunst umhüllen wird. Die Besucher werden auf ihrem Weg durch die Räume immer wieder auf Kunstwerke stoßen. Die Installationen werden nicht statisch sein, sondern dynamisch mit der Architektur interagieren.“

Selldorfs wohlproportionierte Räume bringen derzeit in der Ausstellung „We Were Already Gone“ Arbeiten von Master-Studierenden des New Yorker Hunter Colleges zur Geltung, dessen Graduiertenkolleg in Bildender Kunst zu den zehn Besten in den USA zählt.

Ein Porträt von Annabelle Selldorf finden Sie im BAUMEISTER 8/2017 mit dem Titelthema: Wo sind die Architektinnen?

Wer sich einen Überblick über das Portfolio von Annabelle Selldorf verschaffen möchte, sollte hier hineinschauen: Selldorf Architects, Portfolio and Projects, Phaidon, London/New York 2016, mit ganz- oder doppelseitige Farbfotos von Todd Eberle, 95 Euro

 

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top