17.03.2022

Architektur Event

Pritzker-Preis 2022 für Francis Kéré


Sein Weg führte Kéré über Berlin zurück nach Burkina Faso

Der in Burkina Faso aufgewachsene und in Berlin praktizierende Architekt Francis Kéré erhält 2022 den Pritzker-Preis, die weltweit bedeutendste Architekturauszeichnung. Mit Kéré wird ein Architekt geehrt, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag nicht nur zur afrikanischen Baukultur geleistet hat.

Francis Kéré erhält den Pritzker-Preis 2022. Das ist trotz der deutlich veränderten Vergabepraxis der Auszeichnung doch eine Überraschung. Denn fast alle der von Kéré ausgeführten Bauten stehen in Afrika, dem Kontinent, der in der Architekturberichterstattung praktisch nicht vorkommt. Wenn das in den letzten Jahren doch einmal der Fall war, ist es nicht selten sein Verdienst gewesen. Mit dem in Burkina Faso geborenen Kéré, der sein Büro in Berlin betreibt, zeichnet die Jury nicht nur einen afrikanischen Architekten aus. Sie ehrt zudem einen Architekturschaffenden, der sich den afrikanischen Bautraditionen eng verpflichtet fühlt und sich auch als deren Anwalt begreift.

 

Francis Kéré, Jahrgang 1965, besserte schon als Schüler in der Provinzhauptstadt Tenkodogo an den Wochenenden Lehmhäuser aus. Mit 15 Jahren begann er eine Lehre als Tischler, baute Schulbänke. Doch seine eigenen Schulerfahrungen ließen in ihm die Erkenntnis reifen, dass es mit besseren Bänken kaum getan sein würde. „Wie soll man sich auf das Lernen konzentrieren, wenn man zu 150 in einer Klasse sitzen muss? Diese brütende Hitze und der muffige Geruch sind mein Kindheitstrauma – das wollte ich ändern“, erzählte Francis Kéré 2013 dem Baumeister. Der Schulbau wurde zu einer seiner wichtigsten Bauaufgaben.

 

Der Weg dorthin führte für Francis Kéré über Deutschland. Er erhielt ein Stipendium, machte an einem Berliner Abendgymnasium das Abitur und begann 1995 sein Architekturstudium an der TU Berlin. Dort gründet er 1998 den Verein „Schulbausteine für Gando“. Gando, das ist Kérés Heimatdorf in Burkina Faso. 2001 begannen dort die Bauarbeiten. 2004 machte er sein Diplom in Berlin. Bereits einige Monate erhielt er für die Schule in Gando den Aga Khan Award for Architecture, einen der bedeutendsten Architekturpreise der Welt.

 

Die Arbeiten an der Schule in Gando waren damit noch lange nicht beendet. Francis Kéré erweiterte den Komplex in den folgenden Jahren um Lehrerhäuser, um eine Bibliothek, um weitere Klassenräume. Dabei erweiterte er auch sein architektonisches Vokabular immer weiter, fand neue Ausdrucksmöglichkeiten mit den vor Ort verfügbaren Materialien und Bautechniken. Er entwickelte aber vor allen Dingen auch Strategien, seine Architekturen an die lokalen Klimabedingungen anzupassen. Seine Bauten besitzen eine raffinierte natürliche Ventilation, die der Aufheizung entgegenwirkt und verbrauchte Luft entweichen lässt.

In seiner zweiten Heimat Deutschland verschaffte Francis Kéré ein weiteres Projekt breite Aufmerksamkeit. Gemeinsam mit dem 2010 verstorbenen Theaterregisseur Christoph Schlingensief entwickelte er das Projekt eines Operndorfes in Burkina Faso. Schlingensief selbst starb bereits kurz nach der Grundsteinlegung. Doch Lebensgefährtin des Regisseurs, Freunde und Förderer trieben das Projekt jedoch weiter voran, so dass inzwischen die ersten Bauabschnitte realisiert werden konnten. Zunächst entstanden Wohnhäuser und eine Schule. In einem weiteren Bauabschnitt wurde eine Krankenstation errichtet. In der nächsten Phase soll nun mit dem Festspielhaus das eigentliche Herz des Projektes gebaut werden.

 

Ein Baum für London

Über Deutschland hinaus erlangte Francis Kéré in Europa spätestens mit seinem Serpentine Pavilion Bekanntheit. 2017 durfte er den jährlich neu errichteten temporären Bau in den Londoner Kensington Gardens entwerfen. Damit reihte er sich in die internationale Architekturelite ein, der, beginnend mit Zaha Hadid, seit dem Jahr 2000 diese Ehre zuteil geworden war. Kéré entwickelte die Idee eines Baumes als Vorbild für seinen Pavillon. Wie ein Stamm eine Blätterkrone trug in London ein Metallgestell ein weit ausladendes Holzdach.

Das nach innen geneigte Dach besaß eine kreisrunde Öffnung in seiner Mitte. So ergoss sich der englische Regen in die Mitte des Pavillons. Francis Kéré zelebrierte damit Wasser als ein kostbares Gut. Diese Wertschätzung erscheint dem Nordeuropäer zunächst befremdlich. Durch afrikanische Augen ist sie aber sofort nachvollziehbar. Die überdachte Fläche umgab Kéré mit einer ringförmigen, durchbrochenen Holzwand, die er indigoblau streichen ließ. Die Farbe stellte eine Hommage an die Kultur seiner Heimat dar, in der indigoblau die Farbe der Festgewänder junger Männer ist.

 

Premiere in Weilheim

Inzwischen konnte Francis Kéré Projekte in zahlreichen, zumeist afrikanischen Ländern umsetzen. Er ist vielfach ausgezeichnet worden und hat an den bedeutendsten Hochschulen in Europa und den USA gelehrt. Sein Umgang mit lokalen Baumaterialien, traditionellen Bauweisen und ressourcenschonender Bau- und Haustechnik haben ihm viel Anerkennung in der westlichen Architektencommunity eingebracht.

 

Nur Bauen hat er im globalen Norden erst vereinzelt können. Viele Konzepte kamen nicht über den Projektstatus hinaus. So blieb sein Entwurf für das Exilmuseum ebenso unrealisiert, wie derjenige für ein Wohnhaus am Lützowufer, beide in Berlin. Doch inzwischen nähert sich ein Projekt in Bayern seinem Baubeginn. In Weilheim nahe dem Starnberger See hat das Büro von Francis Kéré einen Neubau geplant – natürlich eine Schule. Die Freie Waldorfschule Weilheim ist bereits seit einigen Jahren in der Planung. Nach umfangreichen Entwurfsänderungen nähert sich das Projekt nun langsam der Ausführung. Man darf gespannt sein, wie Kéré das Thema Schule für deutsche Rahmenbedingungen interpretiert.

 

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