01.09.2017

Wohnen

Archetypische Häuser

Archetypische-Architektur-Patrick-Voigt

Foto: Patrick Voigt

In der Studie „Häuser“ nähert sich der Fotograf Patrick Voigt dem archetypischen Wohnraum des Menschen. Die Arbeiten sind Teil einer umfangreichen fotografischen Annäherung, die sich mit der Fragestellung auseinandersetzt, was Menschen und Räume verbindet – abseits trennender Strukturen wie Geld, Religion, Landesgrenzen. 

Foto: Patrick Voigt
Foto: Patrick Voigt
Foto: Patrick Voigt
Foto: Patrick Voigt
Foto: Patrick Voigt

Baumeister: Was ist die Intention des Projekts?

Patrick Voigt: Die Zeiten des materiellen Überflusses beschäftigen mich schon länger. Gerade auch durch die innere Leere, die bei vielen Menschen damit einhergeht. Wir leben imposant, haben viele Möglichkeiten und dennoch fehlt häufig das, was man Geist oder Bewusstsein nennt.

Ich habe vor ein paar Jahren eine kleine Publikation zum Thema Atmosphäre veröffentlicht, da mich das Thema seit Jahren beschäftigt und es bis heute nur wenig Literatur dazu gibt – mit wenigen Ausnahmen wie Peter Zumthor oder Genot Böhme. Nicht schlecht gestaunt habe ich, als mir ein Redakteur sagte, das Thema sei nun erstmal durch, da seine Redaktion ein paar Wochen zuvor einen Artikel dazu verfasst habe.

Was man spüren aber nicht anfassen kann, ist für Menschen in der westlichen Welt nicht von großer Bedeutung, obwohl uns das Spüren tagtäglich beeinflusst und prägt. Das gilt gerade auch für Orte, Häuser und Räume.

B: Wie machen Sie Atmosphäre greifbar?

P V : Die Atmosphäre ist für mich ein essenzieller Teil der Architektur, der noch zu wenig Beachtung geschenkt wird. Ihr gehe ich an Orten auf den Grund, wo sie noch direkt wahrnehmbar ist. Der Prozess, sie in Bildern zu konservieren ist schwierig – aber besonders reizvoll, da sie ja eigentlich vielmehr ein Gefühl ist und sich zwischen Objekt und Subjekt, zwischen Mensch und Raum, abspielt.

Foto: Patrick Voigt
Foto: Patrick Voigt
Foto: Patrick Voigt
Foto: Patrick Voigt
Foto: Patrick Voigt

B: In welchen Ländern waren Sie für die Serie unterwegs?

P V : Indonesien, Schweiz und Israel. Aufgrund seiner Tiefe ist das Projekt auf unbegrenzte Zeit angelegt. Ich bin auf der Suche nach ehrlichen Orten, die „mit eigenen Händen“ errichtet wurden, vom Nutzer selbst. Als Ausdruck des eigenen Seins in Form eines Hauses und wahrnehmbar in Form einer atmosphärischen Qualität.

Mir ist aufgefallen, dass in Gegenden, in denen der Mensch noch wichtiger ist als der Status, diese Häuser, diese Orte mit einer dichten Atmosphäre noch zu finden sind. Es ist eine Reise zurück in die Zukunft.

B: Was verbindet die aufgesuchten Orte?

Dort ist das Haus nicht so sehr Ausdruck von Status wie in unserer Kultur, sondern drückt eher aus, wer man ist. Auch wenn bei uns Vieles auf den ersten Blick eindrucksvoll erscheint, findet sich doch auch eine gewisse innere Verrohung wieder, die den dokumentierten Häusern abgeht. Die dort wiederentdeckte, gesunde Verhältnismässigkeit entspricht eher dem Wesen des menschen. Dort wurde jedes Haus mit eigenen Händen gebaut und man spürt den Geist des Ortes intensiver.

B: Welche fotografischen Mittel verwenden Sie?

P V : Die grafische, frontale Darstellung der Architektur ist ein Stilmittel, um die bloße Form und den Ausdruck der Architektur lesen zu können. Die Fotografie ist eher skizzenhaft – nicht um eine Ästhetisierung zu erzielen, sondern das Wesen der Architektur widerzugeben. Es ist durchaus mal vom Licht geblendet oder vom Schatten verschluckt. Überdies ermöglicht die Schwarz-Weiß-Fotografie eine formale Vergleichbarkeit zwischen den unterschiedlichen Orten.

B: Was unterscheidet die Langzeitstudie von Ihren anderen fotografischen Arbeiten?

P V : In einer anderen Langzeitstudien geht es beispielsweise um Muster- und Strukturbildungen in der Natur, im Mikro- wie Makrokosmos. In einer weiteren geht es dann zwar auch um Architektur und Raum, aber eher um Portale und Zugänge zu Räumen.

Das Verbindende ist, was Raum, Ästhetik und Atmosphäre für uns bedeuten. Ich versuche jeden Tag, mich vom erlernten, kultivierten Sehen und Wahrnehmen zu lösen um wieder einen echten, freien Blick zu erlangen. Wilhelm Genazino hat das den „zweiten, gedehnten Blick“ genannt. Mein Wunsch ist, der Realität ein Stück näher zu kommen, die irgendwo in der Mystik vergraben ist – und heute von viel Konformität und Passivität überlagert wird.

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top