Spektakuläre öffentliche Gebäude wie Museen oder Markthallen richten sich vor allem an den „kollektiven Blick“ des Massentourismus, wie John Urry das Phänomen nennt. Doch daneben existiert auch ein „romantischer Blick“, der mit individuellen und exklusiven Formen des Reisens assoziiert wird. Ein gutes Beispiel dafür ist die Entwicklung der „Solo Houses“ in einer abgelegenen Berggegend in der Provinz Teruel im Nordosten Spaniens – ungefähr drei Autostunden von Barcelona entfernt. Die Solo Houses sind ein Projekt, bei dem mehr als ein Dutzend Wohnbauten nach den Entwürfen von jeweils unterschiedlichen Architekten gebaut werden. Im Jahr 2013 entstand das erste Gebäude des chilenischen Studios Pezo von Ellrichshausen, das zweite wurde von dem belgischen Office Kersten Geers David Van Severen (KGDVS) entworfen. Die Gebäude von Architekten wie Sou Fujimoto, Johnston Marklee, Christ & Gantenbein, Didier Faustino, Studio Mumbai, Anne Holtrop, Barozzi Veiga, Rintala Eggerston, MOS, Go Hasegawa, Kühn Malvezzi, Tatiana Bilbao, TNA, Smiljan Radić und Bas Smets werden nach und nach fertiggestellt werden.
Das Projekt geht auf eine Idee von Christian Bourdais zurück, einem französischen Immobilienentwickler, der zusammen mit der Kunstproduzentin Eva Albarran die Solo-Galerie in Paris führt. Die Galerie ist ein Raum für „Architekten mit einem wahrhaft künstlerischen Zugang zu ihren Arbeiten“. Solo sieht sich als „die erste zeitgenössische Kunstgalerie, die Werke von Architekten als eigenständige Kunst ausstellt“. Die Solo-Häuser werden in den Veröffentlichungen der Galerie als „ein aktuelles Projekt mit zeitgenössischen, kleinen Prototypen für ein Resort“ beschrieben, das – so ist anzunehmen – einer begrenzten Gruppe von städtischen Galeriebesuchern einen abgeschiedenen Rückzugsort bieten soll.
Die Solo Houses als Ferienhäuser, die nur zeitweise bewohnt werden, sind Teil eines wachsenden Trends, in dem Architektur als ein außergewöhnlicher „Event“ von Freizeit betrachtet wird; als die Art von Erfahrung, die wir in den sozialen Netzwerken teilen sollen. Während modernistische Architekturexperimente wahrscheinlich bei Wohngebäuden den größten Widerstand gegen ihre weit verbreitete Akzeptanz erfuhren, stellt sich dagegen die zeitlich begrenzte Touristenunterkunft immer mehr als die ideale Vermittlerin für zeitgenössische Architekturexperimente heraus, und zwar weil niemand für lange Zeit in den Bauten wohnen muss. Wenn Gebäude nur zeitweise bewohnt werden, oder besser noch, nur zeitweise in Form von ephemeren Konstruktionen existieren, dann wird experimentelle Architektur – definiert durch neue Materialien, Methoden oder Formen – bereitwilliger akzeptiert, oder sogar als etwas neuartig Originelles angenommen, das man zur Abwechslung gerne einmal ausprobiert.
Fotos Office KGDVS: Bas Princen
Mehr dazu im Baumeister 12/2017