18.03.2015

Portrait

Entwerfen ohne Rendering

Der Austausch mit anderen Ländern und Bau-Kulturen ist für die Arbeit die jungen Architekten von Fala Atelier von großer Bedeutung. Ein Interview über ihre Erfahrungen in der Schweiz und über die Entwicklung einer eigenen Handschrift – in der nicht immer Renderings als Sprachmittel Verwendung finden.

Baumeister: Ihr steht für jene Architekten, die Erasmus-Erfahrungen und die internationale Arena für sich nutzen. Wie wichtig war diese Erfahrung für Euch?
Filipe Magalhăes: Wir haben in Porto studiert und ich ging dann nach Ljubljana in Slowenien. Ana hat nicht an Erasmus, sondern einem ähnlichen Programm in Tokio teilgenommen. Dann haben wir in der Schweiz und in Japan, gearbeitet: diese Erfahrung ist irgendwie symptomatisch. Jeder macht das heutzutage oder kann es tun. Doch in unserem Fall bestimmt dieser Hintergrund alles was wir jetzt machen. Wir kommen aus einer Schule, die auf einer sehr einfachen und konzentrierten Ausbildung beharrt. Als wir die Universität verließen, haben wir an nichts anderes gedacht als das, was uns beigebracht wurde. Junge Studenten müssen sich in Frage stellen, müssen sich fragen wofür sie stehen.

B: Ihr habt eine andere Art der Darstellung Eurer Projekte und Ideen, sodass sie als „den naiven Charme der Collage“ bezeichnet wird. Warum legt ihr die typischen Darstellungsarten, wie zum Beispiel Renderings, ab?
F M: Man kann bei der Darstellung einer sehr speziellen Idee eines Projektes nicht einfach schematisch den Gegenstand der ursprünglichen Aufgabenstellung wiedergeben. Ein Rendering, eine Collage, ein Foto des Modells etc. sind Kommunikationswerkzeuge. Sie sind nicht Entwurfsgegenstand, sondern nur eine Betrachtungsweise desselben. Bei der Wahl der Darstellungsweise kann man präzise wählen, was man besonders betonen will. Wenn man zum Beispiel ein Foto des Modells macht, betont man eine gewisse Richtung oder Perspektive; mit einer Collage nähert man sich einer Schichtung; bei einem generischen Projekt ohne Querverweise ist das kommerzielle Rendering vielleicht am besten. Wir lehnen Renderings auch nicht ab. Wir haben in den letzten Monaten sogar einige Wettbewerbe mit ihnen bestritten.
Ana Luisa Soares: Wir machen beides. Es hängt vom Projekt ab und davon, was man zeigen will, was die eigenen Intentionen sind, was die Betrachter von dem Projekt verstehen sollen. Manchmal ist ein Rendering auch notwendig, weil die Menschen, die es sehen, keine Architekten sind und eine Collage nicht verstehen würden. Dann braucht es ein formales Bild.
F M: Aber der wichtigste Aspekt ist, dass das Projekt seine eigenen Regeln festlegt. Meistens arbeiten wir, ohne an die Kommunikation zu denken. Das schlussendliche Bild entsteht aber am Ende. Collagen nutzen wir allerdings auch als Prozess: Am Anfang machen wir eine simple Collage und wenn wir dann später herausfinden, dass sie schon alles sagt, dann brauchen wir nicht noch zwei oder drei Tage lang ein weiteres Bild zu produzieren. Es ist ja schon da! Natürlich sind die Jurys hier schwierig. Sie mögen den Standard, den Mainstream. Standards sind gut; wenn man den nicht liefert, wird man manchmal rausgeworfen. Wenn wir diese finale Collage also haben, besitzen wir eine sehr klare Vorstellung von dem Projekt. Wir wissen wofür es steht und auf welcher Idee es aufbaut und können also auch über den besten Weg, das Projekt zu kommunizieren, entscheiden. Im Grunde kann man sagen, dass jedes Projekt für sich die Art der Darstellung festlegt: welches Bild, welchen Text nimmt man? Manchmal schreibt man einen sehr poetischen Text, manchmal ist man sehr gerade heraus und konzentriert sich auf die Konstruktion, die Berechnungen oder die Problembereiche. Dasselbe gilt auch für das Layout: in einem sehr standardmäßigen Layout hast du vielleicht gleichzeitig ganz außergewöhnliche Bilder, die für sich stehen – und das kann gut funktionieren. Aber wir lehnen in Bezug auf die Darstellung nichts ab. Wir machen von allem etwas und jedes Projekt legt seine eigenen Regeln fest.

B: Findet sich ein gewisser utopischer Geist in euren Projekten?
F M: Das hängt vom Projekt ab, aber generell ja. Am Anfang waren wir sogar noch etwas utopischer als jetzt. Aber, wie du sagtest, es findet sich schon eine Naivität in unserer Arbeit. Dies liegt daran, dass wir jung sind und uns mit unseren Projekten noch eine Position erkämpfen. Wir wissen, dass wir manchmal Entscheidungen treffen, die uns den Kopf kosten werden. Diese Entscheidungen bedeuten, dass wir den Wettbewerb verlieren werden, aber wir wissen dann dennoch, dass das Projekt diesen Schritt brauchte, um perfekt zu sein. Es braucht eine Richtung, die man befolgt. Es stellt sich die große Frage: Gehen wir kommerziell vor oder machen wir keine Kompromisse? Kurzfristig scheint dies nicht ideal zu sein; aber langfristig gesehen glauben wir, dass wir davon profitieren werden.

B: Was zählt bei Wettbewerben? Was ist wichtig, um zu gewinnen?
F M: Der Konsens.
A L S: Es hängt von der Jury ab. Der Gewinner des einen Wettbewerbs würde bei einer anderen Jury nicht gewinnen. Es ist immer alles recht subjektiv.
F M: In der Schweiz ist  Bauen sehr teuer und generell gesagt geht es in der Schweiz nur um Geld. Meistens wird eine Lösung angestrebt, welche die geringste Gebäudehülle produziert: also die geringsten Fassadenflächen, die effizientesten Verkehrswege, die besten Fassadenöffnungen zur Ausnutzung von Sonnenlicht, da es im Winter kalt wird. Wenn man all diese Dinge erreicht, erfüllt man die grundlegenden Kriterien.
A L S: In der Schweiz kann man auch keinen Wettbewerb mit Collagen als Darstellungsart machen, weil man sonst nicht einmal die zweite Runde erreicht. Sie verstehen das in der Schweiz nicht. Weil es ausschließlich um den Konsens geht. Stell dir vor, du bist ein Bürgermeister und lobst einen Wettbewerb für eine Schule aus. Als Bürgermeister wird diese Schule zu deinem Projekt. Also muss dies nicht die allerbeste Schule werden, sondern diejenige, die den meisten Menschen gefällt. So funktioniert Politik… Es geht  nicht darum, ein Denkmal oder eine Ikone zu bauen, es geht um etwas recht friedfertiges. Das Ziel ist überhaupt nicht das große „Statement“, sondern Sorgfältigkeit und die Vermeidung jedweder Kritik.
F M: Deshalb sind die Bilder, Layouts und Darstellungen so wichtig; denn bekommen auch die Bevölkerung zu sehen. Wenn man da eine Collage einreichen würde, kann sie nicht der Öffentlichkeit präsentiert werden. Sie brauchen ein Bild mit Bäumen, rennenden Kindern und Luftballons und alle sind glücklich.
A L S: Grosse Internetseiten zeigen nur die riesigen Wettbewerbe. Es geht nur um das Starsystem. Bei den anderen 99 Prozent der Wettbewerbe geht es genau darum: etwas zu finden, das die Bevölkerung freut. Niemand, außer den Architekten, interessiert sich wirklich für die reine Architektur.

B: Ist die Schweiz heute wirklich das El Dorado für Architekten?
A L S: Die Schweiz hat Geld. Deshalb gibt es dort Arbeit. Wir brauchen Geld, um Architektur zu machen, den Bauen ist teuer. In der Schweiz gibt es eine Menge sehr guter Büros, die Arbeit konzentriert sich nicht nur auf ein oder zwei große Büros.
F M: Nein, sie ist über das ganze Land verteilt. Das Durchschnittsbüro ist sehr gut.
A L S: Alle bauen. Und alle stecken sehr viel Mühe in jedes Projekt.
F M: Sie sind sehr professionell. Sie haben die besten Schulen und Universitäten und die besten Lehrer. Das durchschnittliche kleine Schweizer Büro ist unglaublich! Und das ist so, weil sie die besten Architekten einstellen können, sie können gute Projekte entwickeln und genug Zeit auf sie verwenden, um Erfahrungen zu sammeln. Dann werden sie noch besser und stellen noch bessere Architekten ein… das Ganze hat einen Schneeballeffekt. Für ein ausländisches Büro wie unseres geht im stufenweise Steigerung: Wir müssen die Vorschriften verstehen, wie der Hase läuft und was die Kunden wollen – um dann in derselben Liga spielen zu können. Das zwingt uns zu einer kritischen Haltung.

B: Wie werden eure Arbeiten in Portugal aufgenommen?
F M: Ich muss eines sagen: nicht ohne Grund halten wir Vorlesungen in Florenz, Rumänien, Bratislava und Istanbul – aber keine einzige in Portugal. Nicht, dass wir nicht wollten…
A L S: Das hat mit unserer Arbeitsweise und unserer Weltsicht zu tun, die im üblichen Tagesgeschäft in Portugal nicht so verbreitet sind. Portugiesische Architekten nehmen uns nicht ernst. Sie halten uns für einen Trend. Sie sagen, dass wir in Mode sind, aber früher oder später auch wieder „out“ sein werden. Und wir sehen eher das Gegenteil, dass viele von ihnen veraltet sind. Sie wollen nicht im 21. Jahrhundert ankommen. Keiner unserer Kunden kommt aus Portugal, was vielsagend ist… Wir arbeiten vorwiegend im Ausland und die Projekte, die wir in Portugal machen, sind keine üblichen lokalen Projekte und auch nicht für lokale Bauherren.
F M: Man muss sagen, auch wenn es von außen nicht so scheint, dass Portugal in vielerlei Hinsicht ein sehr konservatives Land ist. Wir brechen auch nicht völlig aus dem Schema, aber die Art der Darstellung unserer Arbeit ist ein wenig anders; dies schürt bereits eine gewisse Skepsis uns gegenüber. Aber wir machen uns darüber nicht so viele Gedanken.

Aus dem Englischen von Jorn Frezel

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