06.04.2017

Academy Portrait

Erfolgsfaktor: Studentische Naivität – Mail aus Rotterdam (2)

Für das vereinfachte Kennenlernen entwickeln MVRDV-Praktikanten eigene Intenr-Games (Foto: Maxi Graber)

Nach fünf Wochen Eingewöhnungsphase ist der Baumeister Academy Gewinner Maxi Graber im Arbeitsalltag bei MVRDV angekommen. Seine erste Erkenntnis? Die Uni kann ihm nicht alles beibringen. Das Architekturbüro aber auch nicht. Und gerade deswegen ist die Kombination von beidem so wichtig.

Für das vereinfachte Kennenlernen entwickeln MVRDV-Praktikanten eigene Intenr-Games (Foto: Maxi Graber)
Kompromisslose Architektur von MVRDV: das Didden Village in Rotterdam (Foto: Maxi Graber)

Harte Arbeit ist nicht alles

Im Studium lernen wir neben Entwurf, Konstruktion, Statik und Baugeschichte vor allem eins: Zeitmanagement. Nach und nach entwickeln wir Studenten in den semesterbegleitenden Projekten eigenständig ein Bewusstsein für Zeit und Organisation. Für manchen von uns ist die Projektarbeit ein stetiger Wettlauf gegen die Zeit. Abgabe ohne Nachtschicht? Nicht die einfachste Übung. Doch im Arbeitsalltag bei MVRDV stelle ich fest: Neben der Zeit, gibt es einen, vielleicht noch wichtigeren Faktor, der für den Erfolg eines Projekts entscheidend ist: Kompromissbereitschaft.

Ja, ich habe in der MVRDV-Arbeitswelt der letzten Wochen vor allem gelernt, Kompromissen offener gegenüberzustehen (als angehender Architekt mit Hang zum Perfektionismus fällt mir das nicht unbedingt leicht). Jedoch sind diese Kompromisse bei MVRDV meist nicht von gestalterischer Natur, sondern haben hauptsächlich bürokratische Hintergründe. Denn die Kunst besteht nicht nur in der Ideenfindung und Präsentation, sondern auch darin im weiteren Prozess Kunden, Co-Architekten, Statiker, Ämter, Verträge und weitere Instanzen, an einen gemeinsamen Tisch zu bringen. Erst dann kann ein Projekt Wirklichkeit werden. Klingt simpel, ja. Dennoch ist es eine Tatsache, mit der man erst im Arbeitsalltag konfrontiert wird und an die man sich als Architekturstudent zuerst gewöhnen muss. Aber wo fällt das leichter als bei einem Büro wie MVRDV: Tagtäglich sehe ich dort an Modellen und Plänen, dass es trotz unzähliger Auflagen, Reglementierungen, Rechten und Normen möglich ist, innovative und außergewöhnliche Konzepte zu entwickeln. So ist es typisch für die Architektur von MVRDV, mit ihrer Radikalität und Formensprache frei von Kompromissen zu sein. Und das macht sie für mich aus.

Aber nicht nur deswegen profitiere ich enorm von der Zeit bei MVRDV. Das Büro zeigt mir auch: Harte Arbeit ist nicht alles. MVRDV ist ein großes Büro. Trotzdem schaffen sie es, durch intelligente Formate, die Mitarbeiter an der Projektvielzahl zu beteiligen und sie sozial miteinander zu verbinden. Sie kreieren ein Einheitsgefühl. So findet jeden letzten Donnerstag im Monat ein Pecha-Kucha-Event statt. Alle Mitarbeiter versammeln sich auf der MVRDV-Tribüne, um den Präsentationen ausgewählter Teams zu lauschen. Auf der großen Leinwand werden – streng nach japanischer Tradition – mindestens 20 Slides für jeweils 20 Sekunden gezeigt. In kürzester Zeit lernt man fünf laufende Projekte genauer kennen. Spaß und Unterhaltung inklusive.

Für Laune sorgen ebenfalls die „Intern-Games“ – eine spielerische Möglichkeit für alle Mitarbeiter, die neuen Praktikanten besser kennenzulernen. Ein Format, das bei MVRDV seine Bedeutung verloren hatte und in Anbetracht der steigenden Mitarbeiterzahlen wieder an Attraktivität gewinnt. Zu diesen Games gehört auch das Intern-Memory. Von uns Praktikanten selbst entwickelt. Wie beim klassischen Memory geht es darum, Karten aufzudecken und Pärchen zu finden. In unserem Fall wird der passende Name zum Intern gesucht. Ein Farbcode auf jeder Karte dient zur Kontrolle. Meine Kollegen hatten Spaß!

Die Freiheit des Studenten: Realitätsentfremdung und Naivität

Bereits nach meinem ersten Praktikum bei Renzo Piano wurde mir klar, dass den Beruf des Architekten mehr ausmacht, als tolle Skizzen, geniale Ideen, oder einzigartige Entwürfe. So entwickelt man nach und nach ein Verständnis für größere architektonische, aber auch bürokratische Zusammenhänge. Meine Wahrnehmung vom Berufsbild des Architekten ändert sich. So habe ich bei meinen bisherigen Vorstellungen den ganzen Papierkram, repetitive Arbeiten und Excel-Tabellen außer Acht gelassen. Aber das liegt vermutlich an meiner studentischen Naivität. Doch so realitätsfern die Uni manchmal auch scheinen mag, so liegt genau darin für mich der große Wert. Man kann sich ausprobieren, etwas Riskieren, seine Kreativität ausleben und vor allem lernen. Deshalb sehe ich das Praktikum bei MVRDV als enorme Bereicherung für mein Studium und auch umgekehrt.

Die Baumeister Academy wird unterstützt von GRAPHISOFT, der BAU 2019 und der Schöck Bauteile GmbH.

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