Die Baumeister Academy geht in die siebte Runde und mit ihr neue Stipendiaten, die es nach London, Stockholm, Amsterdam, München und … Nürnberg verschlägt. Ausgerechnet Nürnberg? Ja, denn da sitzt das Super Future Collective – ein Architekturkollektiv aus fünf engagierten Köpfen, das nun von Annette Strack unterstützt wird. Und überhaupt – Nürnberg hat viel mehr zu bieten, als so mancher denkt. Baumeister-Academy Gewinnerin Annette wird es in den kommenden sechs Monaten beweisen, mit sechs innovativen Umnutzungen. Den Start macht das Gartenhaus im Stadtteil St. Johannis. 

Wie werden wir in Zukunft alle satt? Und was können wir tun, damit die Städte grüner werden?

Mit Blick auf den aktuellen Klimawandel sind Architekturschaffende gefordert, auf diese Fragen innovative Lösungen zu finden. Es braucht Ideen, wie Städte bei wachsenden Einwohnerzahlen und steigenden Temperaturen auch zukünftig attraktive Wohnorte bilden können.

Ein paar Pflanzen weisen darauf hin – auf dem Dach befindet sich ein Dachgarten. Bild: Büro für Bauform
Blick von der Straße auf das Gartenhaus. Bild: Büro Für Bauform

Ein neues Dach

Im Nürnberger Stadtteil St. Johannis steht ein Gebäude, welches eine Antwort liefert. Der Architekt Jürgen Lehmeier kaufte 2010 ein vierstöckiges Gründerzeithaus (Baujahr 1899) und verwirklichte dort seine Vision eines „Gartenhauses“ mitten in der Stadt. Auf dem historischen Sandsteingebäude thront nun eine moderne Aufstockung samt gemeinschaftlichem Dachgarten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste das oberste Geschoss aufgrund von erheblichen Schäden durch ein tieferliegendes Notdach ersetzt werden. Durch die Aufstockung ist die ehemalige Traufhöhe wiederhergestellt und ein Stahlgerüst zeichnet die ursprüngliche Dachform nach.

Die Aufstockung erfolgte in Stahl-Leichtbauweise: Stahlträger überspannen die Breite des Gebäudes. So entsteht ein stützenloses Traggerüst, in dem der Grundriss flexibel gestaltet und auch zukünftig adaptiert werden kann – ohne die Statik des Hauses zu beeinträchtigen. Über den dadurch neu entstandenen Wohnungen liegt der Dachgarten, den alle Bewohner nutzen können.

Verkleidet ist die Stahlkonstruktion durch Sandwichpaneele mit flächenbündig integrierten Alufenstern.

Normalerweise kommen die verbauten Materialien eher im Industriebau zum Einsatz. Der neue Baukörper bildet dadurch einen modernen Gegenpol zum historischen Bestand – ohne in Konkurrenz mit ihm zu treten.

Ein industrieller Aufbau

Treppenaufgang ins dritte Obergeschoss. Bild: Markus Vogt

Gemeinsam gärtnern, gemeinsam leben

Ein industrieller, puristischer Stil ist auch klar in der neuen Wohnung im Obergeschoss erkennbar.

Die Stahlkonstruktion der Decke blieb unverkleidet und für den Bodenbelag fiel die Wahl auf einen fugenlosen Estrich. Ein Hingucker ist auch die filigrane Treppe, welche ins dritte Obergeschoss führt. Diese hat der Architekt Jürgen Lehmeier selber entworfen und gebaut.

Der Architekt bewohnt mit seiner Familie die obersten zwei Stockwerke. Außerdem befinden sich im Haus noch zwei weitere Wohnungen und ein Tattoostudio. In den ehemaligen Stallungen im Hinterhof liegt das Architekturbüro und eine Steuerkanzlei.

Eine Saison haben die Bewohner des Hauses bereits mit ihrem Dachgarten durchlebt. Das Gemüse wächst und eine Hausgemeinschaft hat sich gebildet. Auch für die umliegenden Anwohner ist der Blick auf eine bewachsene Dachfläche zwischen all den gleichförmigen Ziegeldächern eine schöne Abwechslung.

Neben dem Aspekt der Stadtbegrünung zeigt dieses Projekt, dass innovative Architektur urbane Freiräume schaffen kann – Freiräume, die zum Mitmachen und Zusammenkommen einladen. Und wenn es uns gelingt, solche Orte zu realisieren und aufrecht zu erhalten, wird auch in Zukunft urbanes Wohnen an Attraktivität und Lebensqualität gewinnen.

Die Baumeister Academy ist ein Praktikumsprojekt des Architekturmagazins Baumeister und wird unterstützt von GRAPHISOFT und der BAU 2019.

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