25.08.2017

Wohnen

Englisch essen Deutschland auf?

Die Tücken der Sprache

Jo, schon witzig, das Bild oben. Subtile linguistische Attacke auf den gemeinen teutonischen Touristen. Ob nun unbewusster Akt der Germano-Aversion oder doch eher Schlamperei in adriatischer Hochsaison – die momentan durch Facebook geisternde Impression verweist auf das große Sehnsuchts- und Verlustthema der Globalisierung: den Umgang mit der eigenen, und der fremden, Sprache. Ein emotionales Sujet. Glauben Sie mir, ich weiß wovon ich rede – ich lebe momentan in Mexiko und versuche mäßig erfolgreich, mein Spanisch aufzupeppen. Das ist wichtig, denn Englisch spricht hier kaum jemand. Anders als in Berlin-Mitte.

Womit wir beim Thema wären. Das nämlich, die Dominanz des Englischen in touristischen Kernzonen wie dem Berliner Zentrum, hat gerade der CDU-Politiker (und nach Ansicht von Kennern kommende Parteistar) Jens Spahn zum Thema gemacht. In Berliner Hipster-Cafés wird ihm zu viel Englisch gesprochen, sagt er. Und versucht, etwas bemüht, seine Position als einziger CDU-Hipster zu kombinieren mit seiner anglokritischen Kernargumentation. Die richtet sich natürlich eher an die CDU-Kernwählerschaft „draußen im Lande“, Menschen in Wanne-Eickel oder Salzgitter-Lebenstedt, die womöglich nicht so gut Englisch können wie die von Spahn nicht geschätzten Berliner Hipster (und wie er selbst, wie er beiläufig dann doch mal fallen lässt).

Ganz wichtig für Spahn dabei: die Umdrehung des Provinzialismus-Vorwurfes. Nicht besagte Leute aus Wanne-Eickel seine provinziell, sondern die Hipster selber. Ein beliebtes gedankliches Manöver: Nimm das Hauptargument des Gegners und wirf es ihm selbst an den Kopf. Ich bin doof? Nein Du bist doof. Nein Du. Nein Du…

Nun ist die Präsenz des Englischen in den touristischen Zentren unserer Städte – wie auch in denen anderer Metropolen – nicht zu leugnen. Gelegentlich sitze ich mit einem deutschen Kumpel an der Bar des Berliner Soho-Hauses und bestelle beim deutschen Barmann Drinks – auf Englisch. Etwas eigentümlich fühlt man sich da schon. Aber ehrlich gesagt ist das so schlimm nun auch wieder nicht. Jedenfalls stützt es mich nicht in die von Spahn avisierte Identitätskrise. Und die Drinks sind trotzdem gut.

Interessant an Spahns Kritik ist aber die Beobachtung, in unseren Zentren mache sich eine Art globale Tourismuskultur breit und verdränge alles Regionale. Das stimmt, diese kulturellen Prozesse gibt es. Sie wirken sich auch architektonisch aus, in Berlin etwa durch den Bau architektonisch desaströser Hotelbunker, die vor allem den Easyjet-Touris signalisieren: This is your place. Berlin hat dem als Stadt wegen leerer Kassen wenig entgegen zu setzen. Immerhin wird inzwischen investiert, scheint man sich zu sagen. Die Frage ist aber, ab wann damit die Atmosphäre eines Zentrums tatsächlich so weit unterminiert wird, dass nichts Stadtspezifisches mehr bleibt.

Wobei – letztlich bin ich diesbezüglich so pessimistisch nicht. Und zwar deshalb, weil ich eher als Jens Spahn an die Kraft unserer Städte glaube. Es stimmt ja nicht, dass „ganz Mitte“ oder die gesamte Münchner Innenstadt zu vulgärglobalisierten Partyzonen verkommen. Rucksacktourismus und Hipsteritis treten dort vielmehr als zusätzliche kulturelle Elemente zu anderen hinzu. Und neben besagten Hotelmonstren entsteht in unseren Städten eben immer noch auch viel gute Architektur. Insofern, lieber Herr Spahn: Relax. Oh Verzeihung – nicht verzagen, meinte ich.

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