15.01.2016

Wohnen

Ein Quantum Ruhe und Gelassenheit

Es würde schon genügen, dass sich dieses Ferienhaus im kanadischen Queenstown für die Bewohner gut anfühlt. Doch es ist auch ein intelligentes Spiel mit den Haustypologien, die in der dünn besiedelten Gegend in New Brunswick anzutreffen sind. Und darüber hinaus eine architekturtheoretische Fingerübung mit einem augenzwinkernden Seitenblick auf Palladio, Durand, Venturi und Co.

Queenstown in New Brunswick, im Osten Kanadas unweit der Atlantikküste gelegen, entspricht nicht gerade den durch den Namen geweckten Erwartungen. Zwei Dutzend bescheidene Gebäude – dann ist man durch. Eine Meile weiter nordwestlich fällt der Blick über eine Wiese hinab zum „Otnabok Lake“ nahe dem Saint John River. Dort steht das einsame Haus an einem sanften Nordhang mit großartigem Seeblick: ein schlichter Holzbau, der an die hier üblichen Scheunen erinnert, mit blechgedecktem Satteldach wie alle Häuser hier, mit überdachter Veranda wie fast alle hier, die rings ums Haus läuft – wie bei keinem hier. Das Haus ist etwas aufgeständert, damit Schmelzwasser leichter abfließt. Ein symmetrischer Bau, den der Blick durch die mittleren, beiderseits raumhoch verglasten Joche ungehindert durchdringt – im Inneren sieht man eine einläufige Treppe nach oben streben. Eine Loggia ist hier geschützt eingeschnitten. Beiderseits der „Halle“ geschlossenere Räume, rechts die Küche, Esszimmer und Nasszelle, links der Wohnraum, treppauf drei Schlafzimmer und das Bad. Eine einfachere Disposition ist kaum denkbar, die Logik ist von außen ablesbar.

Die Berliner Architekten Modersohn & Freiesleben haben alles symmetrisch angelegt, doch die verschiedenen Nutzungen fügen sich wie selbstverständlich in den Grundriss, ohne Zwänge, auch dank vereinzelter subtiler Abweichungen: eine Glastür außer der Reihe dort, wo sie gebraucht wird, eine Wand, die außer der Mitte steht und ein höheres Fenster im Giebel für den „Master bedroom“ wollen der strengen Ordnung nicht gehorchen und werden mit Nonchalance geduldet – im Unterschied zu einer Haltung, wie sie Oswald Mathias Ungers vertreten hätte, der hier die Utilitas seiner reinen Lehre geopfert hätte. Dennoch: Ebenmaß und Ordnung sind beeindruckend und prägen die Stimmung des Hauses als Artefakt inmitten einer omnipräsenten Natur.

Es hat durchaus Mühe gemacht, von Berlin aus den örtlichen Holzbaumeister zu dirigieren. Das metrische Maßsystem musste in Inch und Zoll umgerechnet und angepasst werden. Profile und Hölzer mit den kanadischen Standardmaßen waren zu verwenden. Die Detaillierung an manchen Stellen musste dem routinierten Baumeister überlassen werden. Nur für die raumhohen Glastürfronten konnte er keine für deutsche Vorstellungen adäquate Lösung anbieten. Sie wurden in Deutschland produziert und kamen per Container auf die Baustelle, wo sie zunächst Innenseite nach außen falsch herum eingebaut wurden…

Seinem Charakter gemäß einfach, fast asketisch eingerichtet, bietet das Haus im Überfluss, was die im hektischen London lebenden Bauherren suchen: Abgeschiedenheit und Kontemplation, Gelassenheit und hundert Prozent Naturbezug.

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