01.06.2016

Portrait

Doug Saunders

Doug Saunders

Der Journalist Doug Saunders hat die Vorlage für den Deutschen Pavillon in Venedig geliefert. Der Autor von „Arrival Cities“ sieht Migration nicht als rosaroten Kuschelprozess. Aber er hält die globale Integrationsgesellschaft für möglich.

Es gibt harmonischere Beziehungen als jene zwischen Architekturdiskurs und Journalismus. Traditionsbewusste Vertreter der Theoriezunft bezeichnen sich lieber als Kritiker oder, neutral, als Autor. Dahinter verbirgt sich oft vor allem eines: eine Resistenz, genau hinzuschauen, zu recherchieren, im Zweifel noch mal ein Interview zu führen. Doug Saunders gehen derlei Resistenzen ab. Saunders schaut genau hin, recherchiert, fragt nach. Der Kanadier arbeitet als außenpolitischer Kolumnist bei der kanadischen Tageszeitung „The Globe and Mail“. Und er ist, angesichts der obigen Lage eben durchaus bemerkenswert, konzeptioneller Berater des deutschen Beitrags für die diesjährige Architektur-Biennale.

Doug Saunders
... und das Pavillon-Team: Projektkoordinatorin Anna Scheuermann, Kurator Oliver Elser, Saunders und DAM-Direktor Cachola Schmal

Wie macht man denn „Heimat“?

Es war das 2011 veröffentlichte Saunders-Buch „Arrival Cities – The Final Migration and Our Next World“, das den Pavillon-Verantwortlichen vom Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt die Leitlinien für ihr Konzept geliefert hat. Schon dessen Titel „Making Heimat. Germany, Arrival Country“ lehnt sich an Saunders an. Wie das Buch, so will auch die Ausstellung durch einen Blick für die Komplexität realer Migrationsprozesse zu einem klareren Verständnis auf Möglichkeiten und Probleme der Integration gelangen. Saunders und die Frankfurter suchen nach Wegen, wie durch Stadtplanung und architektonische Eingriffe das Leben für Migranten wie auch für die „heimische“ Bevölkerung verbessert werden kann. Wie man eben „Heimat“ tatsächlich gestalten kann – und wie sich dabei aber natürlich auch unser Verständnis von „Heimat“, jenes seltsam ältlichen, aber eben immer noch gebräuchlichen Konzepts, verändert. Es war Saunders, der die acht Thesen formulierte, die den gedanklichen Überbau der Material- und Ideensammlung der Frankfurter lieferten.

Wenn man mit Saunders spricht, fällt zunächst eines auf: sein unverfälschter Blick auf die Kompliziertheit der globalen Wanderungen – inklusive ihrer Probleme. Saunders ist niemand, der seine Analysen einer vordefinierten politischen Erwartungshaltung unterordnet und sich damit den Blick für die Wirklichkeit verstellt. „Migration ist niemals einfach“, formuliert er im Interview mit Baumeister. Und das stimmt ja: Menschen begeben sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Motive auf Wanderschaft. Sie bringen eine Vielzahl unterschiedlicher Kulturen, Sehnsüchte – und natürlich auch Probleme mit sich. Diese Probleme werden oft potenziert, wenn der Prozess des „Arrivals“ begonnen hat.

Das ist eine Lehre aus Saunders’ Buch: dass das „Arrival“, das Ankommen, tatsächlich ein Prozess ist und keine Punktlandung. Dies sollten sich auch die Teilzeitaktivisten eingestehen, die vor Monaten glaubten, mit ein paar Blumen am Münchner Hauptbahnhof zu stehen wäre der Inbegriff politischer Aktivität.

„Migration verändert Gesellschaften“, weiß Saunders. Er hat es in seinen Recherchen für Arrival Cities weltweit gesehen. Er hat in China recherchiert, in Indien, in Brasilien. Aber auch in Los Angeles, dem US-Bundesstaat Maryland oder in Berlin-Kreuzberg. Dabei ist er auf unterschiedliche Migrationsmuster und soziale Prozesse gestoßen. Doch es gab auch Gemeinsamkeiten: Flüchtlinge agieren immer auch als ökonomische Akteure. Integration verläuft über wirtschaftliche Aktivität. „Das heißt: Integration verläuft dann erfolgreich, wenn sie mit der Bildung von Privateigentum einhergeht. Migranten haben geradezu eine Sehnsucht nach dem Erwerb von Eigentum, vor allem natürlich Wohneigentum. Diesen Antrieb müssen die aufnehmenden Gesellschaften nutzen“, sagt Saunders.

Mehr dazu finden Sie im aktuellen Baumeister 6/2016

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