16.03.2018

Gewerbe

„Don’t be evil“

Apples Hauptquartier in Cupertino; Bild: Foster + Partners


Transparente Mitarbeiter

 

Ach ja, die Transparenz. Es gibt wohl kaum ein phänomenologisches Element des Bauens, das so häufig für ideologische Glaubensbekenntnisse herhalten musste: von der faschistischen Architektur in Italien über die demokratische Architektur in Deutschland bis zur neoliberalen Architektur weltweit.

 

Das ist auch nicht weiter verwunderlich: Glas ist neben Beton ein archetypischer Baustoff des 20. Jahrhunderts, der unsere gebaute Umwelt radikal verändert hat und dem die jeweiligen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen dementsprechend übergestülpt wurden.

Mittlerweile sind wir im 21. Jahrhundert angekommen, und der Wille zur Transparenz ist auch in dieser Epoche ungebrochen, was sich besonders bei Bürobauten zeigt. Die entwickeln sich gerade zu einem Labor in dem ein neuer Angestellten-Typus enstehen soll: der transparente Mitarbeiter. Das liegt an der Digitalisierung und den sozialen Medien: Austausch und Kommunikation sollen überall und jederzeit stattfinden, E-Mails werden auch nach der Arbeit noch beantwortet, Rückzug und Privatsphäre waren vorgestern.

Wie autoritär dieser Ansatz daher kommen kann, hat Apple gerade eindrücklich unter Beweis gestellt. Die neue, von Norman Foster entworfene Konzernzentrale (B1/18) könnte man als Epizentrum der architektonischen Transparenz bezeichnen. Das Innere des kreisrunden Gebäudes besteht zu einem großen Teil aus Glaswänden, die Berichten zufolge so transparent sind, dass die Angestellten regelmäßig dagegen laufen – Gehirnerschütterungen und blutige Nasen inklusive.

Das ist nicht schön für die Mitarbeiter, gleichzeitig aber ziemlich erhellend, wenn man die Reaktion des Konzerns betrachtet: Der verbietet seinen Angestellten aus Designgründen, dass sie farbige Post-its als Transparenz-Marker auf die Scheiben kleben.

Man würde Apple an dieser Stelle gerne in Erinnerung rufen, dass Architektur für den Menschen gemacht ist und nicht umgekehrt. Das geht aber leider nicht, weil der Konzern nicht über sein Gebäude und das, was darin stattfindet sprechen will. Mit der von den Angestellten und dem Rest der Menschheit geforderten Transparenz nimmt es das Silicon Valley sowieso nicht so genau, wenn es um die eigene Sichtbarkeit geht. Das gilt auch für Apples Konzernzentrale, was im Übrigen so weit reicht, dass es kaum Bilder vom Gebäude gibt.

Stattdessen: Ambivalenzen

Der Fall Apple ist auch aus gestalterischer Sicht interessant. Eine der faszinierendsten Eigenschaften des Werkstoffs Glas ist nämlich nicht seine totale Transparenz, sondern die ihm innewohnende Ambivalenz: Spiegelungen, Reflexionen, Verschleierungen, Farb- und Lichtspiele, das Gegenüber von offen und geschlossen – die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten haben Architekten immer wieder zu Meisterleistungen inspiriert. Beispiele dafür sind das Maison de Verre von Pierre Chareau in Paris, die Stadthäuser von Victor Horta in Brüssel oder das Laban Dance Centre von Herzog & de Meuron in London. Was in diesen Gebäuden mitschwingt, ist ein Bekenntnis zur Uneindeutigkeit und im Fall von Horta auch ein Bekenntnis zum Fantastischen und Geheimnisvollen.

Bei Apple sucht man vergeblich nach so etwas. Hier wird eine Rationalität aufgeboten, die der Logik eines Algorithmus gleicht. Das Emotionale und Ambivalente, kurzum Menschliche hat in dieser Architektur keinen Platz mehr.

„Don’t be evil“

„Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es jemand erfährt, vielleicht sollten Sie es dann gar nicht erst tun“, hat Googles ehemaliger Vorstandschefs Eric Schmidt in einem Fernsehinterview mal gesagt, als es um Datenschutz ging. Das Motto von Google’s „Corporate Code of Conduct“ lautet dementsprechend: „Don’t be evil“. Dem gleichen unterkomplexen Menschenbild folgt auch die Apple-Architektur mit ihrer penetranten Transparenz, die keine Zwischentöne mehr zulässt. Hier ist kein Platz mehr für Ambivalenzen. Stattdessen gibt es blutige Nasen.

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