25.06.2020

Gewerbe

Digitales Treibhaus

Die zentrale Esplanade ist als Multifunktionsbereich konzipiert – für spontane Treffen und informellen Austausch ebenso wie für Präsentationen. Fotos:

Vom Güterbahnhof zur Ideenschmiede: Wilmotte & Associés haben eine denkmalgeschützte Pariser Frachthalle mit einem außergewöhnlichen Betonschalendach aus den 1920er-Jahren in das Gründerzentrum für Start-ups „Station F“ transformiert – mit lichtdurchfluteten offenen Bürolandschaften.

Die zentrale Esplanade ist als Multifunktionsbereich konzipiert – für spontane Treffen und informellen Austausch ebenso wie für Präsentationen. Fotos: Patrick Tourneboeuf
Im Community Space: An Gemeinschaftstischen kann sich jeder mit dem Laptop einstöpseln.
Containerartige Besprechungsboxen gliedern den Bereich.

Meisterwerk der Ingenieurbaukunst

Ganz versteckt im 13. Arrondissement liegt nahe der Gare d’Austerlitz und der Bibliothèque National ein neuer Hotspot für Start-ups: die „Station F“. Entlang der Bahntrasse erstreckt sich die einstige Frachthalle auf 310 Metern Länge und wirkt dennoch fast klein im Vergleich zu den ausladenden Bürokomplexen und Hochhäusern ringsum.

Schon die vollständig verglasten Giebelseiten geben Einblick in die Bürolandschaften der jungen Gründerszene: Drinnen herrschte in der von einem außergewöhnlich leichten Betonschalendach überspannten Halle zum Zeitpunkt des Besuchs in Vor-Corona-Zeiten eine sehr geschäftige und zugleich angenehm entspannte Atmosphäre – und so wird es künftig hoffentlich auch nach der Covid-19-bedingten Schließung in diesem Frühjahr auch wieder werden.

In der lichterfüllten Mittelachse, der „Es-planade“, trifft man sich zu informellen Gesprächen, drei galerieartige Ebenen bieten Open-Space- und Co-Working-Flächen, in containerartigen Boxen finden Präsentationen und Besprechungen statt. Auf insgesamt 34.000 Quadratmetern können bis zu 1.000 Jungunternehmen hier ein breites Angebot an Räumen und Infrastruktur nutzen. Das laut eigenen Angaben größte Start-up-Gründerzentrum der Welt zu schaffen, war die Vision des Telekommunikationsmoguls Xavier Niel – als komplexes „Ökosystem“, in dem sich die Gründer nicht nur untereinander austauschen, sondern sich auch mit internationalen Unternehmen und Investoren vernetzen können. Das lichtdurchflutete Raumvolumen der früheren Güterbahnhofshalle schien als „Treibhaus“ dafür bestens geeignet.

Das Meisterwerk des Ingenieurs Eugène Freyssinet, dem Pionier des Spannbetons, diente bis 2006 als Lagerhalle, stand aber nach der letzten Nutzung als Event-Location leer und drohte zu verfallen. Mehrere Initiativen konnten den Abriss jedoch verhindern, und das Gebäude wurde 2012 unter Denkmalschutz gestellt. Die Kons-truktion ist einzigartig: Die 310 Meter lange und 58 Meter breite, dreischiffige Halle wird von beeindruckend dünnen, vorgespannten Betonschalen überspannt, die am Rand bis auf fünf Zentimeter minimiert sind. Freyssinet entwarf und errichtete das Gebäude von 1927 bis 29 als Frachthalle und Warenumschlagplatz für die nahegelegene Gare d’Austerlitz. Schlanke Pfeiler tragen die als Tonnengewölbe konzipierten Betonschalen, die im Mittelbereich großflächig verglast sind und eine Fülle von Tageslicht ins Innere holen. Die extreme Schlankheit der Gesamtstruktur wird durch die abgehängten Vordächer an den Längsseiten des Gebäudes ermöglicht, die als Gegengewichte fungieren und ebenfalls als Tonnengewölbe ausgebildet sind. (…)

Der Beitrag über die Station F ist im Baumeister 06/2020 erschienen.

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