10.07.2014

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Die Moderne war bunt!

Weiße Moderne? Von wegen. Beispiele wie die Meisterhäuser in Dessau und Le Corbusiers Villa La Roche beweisen, dass Farbe in der Architektur der Moderne durchaus eine Rolle gespielt hat. Denn: Die Dessauer Prachtstücke waren innen bunt. La Roche ebenso – hier kam erstmals Corbusiers Farbskala „Polychromie architecturale“ zur Anwendung.

Im Fall von Le Corbusier ist das Interesse an Farbe nicht verwunderlich. Schließlich war er nicht „nur“ Architekt; sondern auch (und bis 1917 sogar vorwiegend) Maler und Bildhauer – die Voraussetzung also, sich mit der Wirkung von Farbe auch in der Architektur zu befassen. Seine Auffassung ging so weit, dass Farbe ein „ebenso kräftiges Mittel wie der Grundriss und der Schnitt“ sei. Also einen wesentlichen Teil vom Entwerfen ausmacht. Vom rein weißen Purismus war Corbusier nicht überzeugt. Nach der Fertigstellung der Villa La Roche 1926 sagte er: „Ganz in Weiß gehalten gleicht das Haus einem Sahnetopf.“

Nun gut. Farbe ist also aus der klassischen Moderne nicht wegzudenken. Warum hat sich in unseren Köpfen dann das Bild einer weißen Moderne so festgesetzt? Vielleicht weil das Ornament nach dem Krieg verschwunden ist – und man mit der neuen Architektur etwas „Pures“ verband. Oder weil in der Architekturbetrachtung eben oft eine Tendenz vorherrscht, den Außenbereich für alleinentscheidend zu halten.

Corbusier widmete sich ganz bewusst auch den „unbunten“ Farben; mittels feinen Farbabstufungen von weißen Tönen. Farbkompetenz und der subtile Umgang mit Weiß gehörten für ihn zusammen. Nur so ließ sich eine abgestimmte Komposition aus Innen- und Außenräumen schaffen. Bei der Pariser Villa erfüllt Le Corbusiers Farbpalette Polychromie architecturale den Zweck, jedem Raum einen eigenen Charakter zu verleihen.

Aber welchen Einfluss hat denn nun Farbe auf die Architektur? Klar ist, dass sie unsere Wahrnehmung von Form und Konstruktion beeinflusst. Manche Objekte schieben sich – je nach Farbe – in den Vordergrund, andere wirken flächenauflösend. Weiß zum Beispiel lässt die Form eines Raumes zur Geltung kommen, Blau erzeugt Tiefe und somit Räumlichkeit.

Dieses Nachdenken über Farbe mag etwas theoretisch daherkommen. Trotzdem bleibt die Erkenntnis: Corbusier wusste um die Wirkung seiner verwendeten Mittel. Oder besser: seiner verwendeten Farben. Somit konnte er Räume nicht nur in ihrer Abfolge und Kubatur zueinander in Verbindung setzen, sondern auch in ihrer Ausstattung. Damit kommt den vielen Maßstäben und Perspektiven, über die sich ein Architekt seinem Entwurf nähert, noch eine weitere Dimensionen hinzu. Umso bemerkenswerter, wie Corbusier diese jonglieren konnte – und zu einem architektonischen Ganzen zusammenfügte. In seiner eigenen Wohnung lebte Corbusier übrigens auch farbig. Seine Wände trugen bunte Tapetenmuster.

Hinweis: Aktuell beschäftigt sich die Ausstellung Chez M. Le Corbusier mittels Fotografien von Laura j Gerlach mit Corbusiers Farbarchitektur. Die Ausstellung findet in der Galerie BRAUBACHfive in Frankfurt statt und dokumentiert die Pariser Villa La Roche.

In Kooperation mit lightlive

Fotos: Laura J Gerlach

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