19.05.2020

Öffentlich

Die Burg der Bürger

Mit klar geschnittenen

Ein Baustein in der Revitalisierung von Röttingens Altstadt: Schlicht Lamprecht Architekten schließen mit dem neuen Ostflügel eine bauliche Lücke in der mittelalterlichen Burganlage Brattenstein. Eine großzügige Freitreppe, die offene Halle zum Burghof und die Aussichtsloggia bilden reizvolle Orte für öffentliche Nutzungen und verknüpfen die Burg stärker mit der Kleinstadt zu ihren Füßen.

Mit klar geschnittenen, skulpturalen Volumina und dem Materialdreiklang aus Sichtbeton, Naturstein und Cortenstahl antworten die Architekten auf den Bestand. Foto: Stefan Meyer
Freitreppe und die Cortenstahl-Loggia als „Stadtbalkon“ akzentuieren die neue Stützmauer und verbinden Burg und Stadt. Foto: Stefan Meyer
Der Stadtbalkon gibt die Aussicht über die Dachlandschaft des mittelalterlichen Kerns von Röttingen frei. Foto: Stefan Meyer
Der neue Riegel öffnet sich zum Burghof. Als Multifunktionsgebäude nimmt er die Zuschauertribünen für die Freilichtaufführungen auf die in den Sommermonaten während der Frankenfestspiele Röttingen stattfinden. Foto: Stefan Meyer
Die Burg selbst bildet die malerische Kulisse. Foto: Stefan Meyer

Engagement für die Stadtmitte

Röttingen liegt rund 35 Kilometer südlich von Würzburg an der Romantischen Straße, die hier ihrem Namen alle Ehre macht. Die Kleinstadt ist umgeben von einer mittelalterlichen Stadtmauer und ihren Türmen. Fachwerkhäuser, die historische Gassenstruktur und eine Burg prägen die unter Ensembleschutz stehende Altstadt. Doch die Idylle trügt, denn im Zentrum der 1.700 Einwohner zählenden Gemeinde steht fast ein Fünftel aller Gebäude leer. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit finden vor allem außerhalb des Ortskerns statt, auch die Schule und das Gewerbegebiet liegen dort. Zudem ist Röttingen wie viele ländliche Gemeinden außerhalb der Ballungszentren und Metropolregionen mit Abwanderung konfrontiert. Vom Leerstand betroffen sind insbesondere denkmalgeschützte Bauten – mehr als 40 Einzeldenkmäler sind es in der Altstadt Röttingens – und vormals landwirtschaftlich genutzte Nebengebäude. Sanierungskosten, gewandelte Wohnvorstellungen, höhere Komfortansprüche und auch die Adaption an neue Nutzungen sind die nicht eben geringen Herausforderungen für Hausbesitzer.

Doch inspiriert die vorhandene Bausubstanz auch zu individuellen Lösungen, die Wertschätzung für den Bestand und Lebensqualität vereinen können. Diese Ziele verfolgen die Stadt Röttingen und ihr engagierter Bürgermeister seit vielen Jahren: Röttingen begann 2009 mit der Untersuchung und Analyse der Gesamtstadt und einem integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK). Aus diesen Ergebnissen, Bürgerbeteiligungen und Expertenrunden wurden Einzelmaßnahmen mit einem übergeordneten Ziel entwickelt. Jedes Projekt soll einen Mehrwert für die Einwohner darstellen, aber darüber hinaus auch Menschen von außerhalb anziehen – Touristen ebenso wie neue Einwohner.

Es entstand auch eine Vielzahl baulicher Initiativen, um die Altstadt zu revitalisieren und als Wohnort attraktiv zu gestalten. So wurde im Rahmen verschiedener Städtebauförderungsprogramme seit 2002 eine Reihe von Projekten realisiert: Der Marktplatz ist neu gestaltet, das barocke Rathaus umfassend saniert und ein benachbarter Fachwerkbau als Wohn- und Gasthaus „Röttinger Bürgerstube“ wiederbelebt. Ein Stadel an der Stadtmauer wurde zur „Spielscheune“ mit Indoor-Spielbereichen umgebaut, und einer der beiden erhaltenen Tortürme dient heute als gern gebuchte Ferienwohnung.

Eines der jüngsten Projekte ist das ergänzte Ensemble der Burg Brattenstein. Die aus dem 13. bis 17. Jahrhundert stammende Vierseitanlage bildet den südwestlichen Abschluss der Altstadt. Seit 1984 finden im Sommer im Burghof die Frankenfestspiele Röttingen statt, rund 18.000 Besucher erleben hier Theateraufführungen und Konzerte unter freiem Himmel. Bis 2017 diente eine einfache Holzkonstruktion auf den verdichteten Trümmern des 1971 eingestürzten Ostflügels als Zuschauertribüne. Allerdings waren das Dauerprovisorium und der davorgesetzte Bauzaun weder optisch noch statisch eine langfristig tragbare Lösung. Zwar musste die Hangmauer erneuert werden, doch geht der Entwurf der Schweinfurter Architekten Stefan Schlicht und Christoph Lamprecht weit über eine pure Stützwand, die den Burghof vor dem Abrutschen sichert, hinaus: Er schließt die vormalige Lücke mit einer natursteinverkleideten, zehn Meter hohen Betonmauer, auf der ein langgestreckter, hofseitig offener Riegel die überdachte Zuschauertribüne bildet; zur Stadtseite ist eine „Stahlbox“ angefügt – als Loggia für den Blick über Röttingen. Zudem verbindet die neue einladende Freitreppe den Hof mit der Stadt. (…)

Der komplette Beitrag über die Burg Brattenstein ist im Baumeister 05/2020 erschienen.

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