09.03.2020

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DEU­T­SCH-FR­ANZÖSI­SCHE AR­CHI­TEK­TUR: Die vertikalen Städte der Großregion


Wohnmaschinen in Deutschland

Adieu Rotterdam, Bonjour Saarbrücken, hieß es für unsere Academy Gewinnerin Alexandra nach ihrem Praktikum bei MVRDV. Zurück in der Großregion besichtigt Sie deutsch-französische Architektur, die sinnbildlich für die deutsch-französischen Beziehungen stehen. Nach der ehemaligen Botschaft in Saarbrücken stellte Alexandra den Langwellensender „Europe 1“ in Berus vor. Dieser Teil der Serie widmet sich zwei Beispielen der City Radieuse: Nun wenige Kilometer von einander entfernt liegt das Stockenbruch Habitat in Saarbrücken, LeCorbusiers Wohnmaschine in Frankreich. 

Das Konzept der vertikalen Stadt war im 20. Jahrhundert sehr populär und auch heute interpretieren Architekten das städtebauliche Konzept aufs Neue. Metropolregionen errichten hohe Wohntürme mit möglichst vielen Wohneinheiten und vielen Grünflächen – sowohl an der Fassade wie auch im Außenraum. Wohnraummangel und das Umdenken des Themas Habitat waren die Motoren der vertikalen Städte von damals und sind es heute noch. Während heute Büros wie OMA oder MVRDV Türme im Herzen der Stadt errichten, errichteten die Architekten der Nachkriegszeit ihre vertikalen Städte am Rande der Städte.

Das Stockenbruch Habitat von Jean Schoffit in Saarbrücken
Das Beamtenwohnhaus Habitat Stockenbruch in Saarbrücken wurde als vertikale Stadt errichtet.
Zwei Treppenhäuser erschließen das Gebäude.

Wohnmaschinen in Frankreich

Die Wohnmaschinen von Le Corbusier entstanden sowohl in Frankreich als auch in Deutschland. Grundlegende Idee ist die Cité Radieuse – die strahlende Stadt – die sich vertikal erstreckt. So entstand im Jahr 1949/1950 in Saarbrücken ein achtgeschossiges Hochhaus: das Stockenbruch Habitat. Es liegt im Saarbrücker Viertel St. Arnual, mitten im Grünen und doch sehr zentral. Der französische Architekt Jean Schoffit entwarf es nach den städtebaulichen Leitbildern der City Radieuse.

Das Gebäude sollte die Wohnungsnot in Saarbrücken der Nachkriegszeit mindern und gleichzeitig ein hohes Maß an Luxus bietet. Aufgrund der Erstbewohner wurde das Stockenbruch Habitat im Volksmund auch „Beamtensilo“ genannt.

Der halbrunde Bau besteht aus je sechs Wohneinheiten pro Geschoss, die in drei unterschiedliche Wohnungstypen unterteilt werden.  Zwei-, Drei-, und Vierzimmerwohnungen bilden individuelle Räumen. Die großzügigen Balkone mit Blick ins Grüne, sowie eine gemeinschaftlich genutzte Dachterrasse verleihen dem Gebäude hohe Aufenthaltsqualität.

Die Cité Radieuse von LeCorbusier in Briey-en-forêt.
Das Wohngebäude wurde nach dem Beispiel …
der Unité d'habitation in Marseille entworfen.
In der „Première Rue“ kann man eine Original eingerichtete Wohnung besichtigen.

Das Stockenbruch Habitat kann man mit dem nicht weitentfernten Briey-en-forêt vergleichen. Dort steht eine der fünf realisierten Wohnmaschinen Le Corbusiers, die zwischen 1947 und 1965 realisiert wurden. Das Ziel le Corbusiers war eine grüne Stadt zu erschaffen, in der möglichst viel Natur seine „unité d‘habitation“ umgibt. Seit 1960 thront die vertikale Stadt über den Wäldern von Briey. Die Etagen werden als Straßen bezeichnet und in der „Première Rue“ kann man eine Originaleingerichtete Wohnung besichtigen. Die auf den „Modulor“, den 1,83 Meter hohen Menschen, zugeschnittenen Wohneinheiten sind minimalistisch ausgestattet. Die Einheiten sollten nicht nur den Wohnungsmangel lösen, sondern gleichzeitig für Komfort und Luxus sorgen. Die 19 Meter tiefen Wohneinheiten sind so konzipiert, dass sie sowohl Morgen- als auch Abendsonne bieten.

Obwohl beide Gebäude fast zehn Jahre auseinanderliegen hat sich das Ziel der Wohnarchitektur kaum geändert. Komfort auf möglichst kleinem Raum zu schaffen, war eines der Ziele der Nachkriegszeit. Platziert in eine grüne und dennoch urbane Umgebung sind diese Bauten Vorbilder der modernen Wohnarchitektur und werden immer wieder in heutigen Konzepten neuerfunden.

Alle Bilder und Illustrationen von Alexandra Tishchenko

Die Baumeister Academy ist ein Praktikumsprojekt des Architekturmagazins Baumeister und wird unterstützt von GRAPHISOFT und der BAU 2019.

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