11.12.2019

Öffentlich

Deutsch-französische Architektur: Die französische Botschaft


Auch Pingu genannt

Für die ehemalige Baumeister Academy Gewinnerin Alexandra ging es von Rotterdam zurück nach Saarbrücken. Von dort aus berichtet sie nun über Architektur im Saarland. Und da das Saarland lange Zeit Schauplatz der deutsch-französischen Beziehungen war, stellt Alexandra Gebäude vor, die diese Beziehungen widerspiegeln. Den Anfang ihrer Serie zu deutsch-französischer Architektur macht die ehemalige Botschaft in Saarbrücken. 

Nach meiner Zeit in Rotterdam, bin ich nun wieder in der „Großregion“ im Herzen Europas angekommen. Der Bekanntheitsgrad des Saar-Mosel-Gebiets ist in erster Linie durch den köstlichen Wein bestimmt. Doch durch das Saarland zieht sich auch ein Netzwerk der Architektur, welche seit Jahrzehnten die Verbindung zwischen Deutschland und Frankreich aufspannt. Entstanden ist eine seltene Kostbarkeit der europäischen Beziehungen. Das wohl bekanntestes Symbol ist die ehemalige französische Botschaft.

Schaut man sich in Städten um, tragen Gebäude oft die Namen ihrer Bauherren, den Namen eines Adligen oder aber Namen bedingt durch ihre Nutzung und durch eine charakteristische Form.
Die ehemalige französische Botschaft in der Landeshauptstadt Saarbrücken trägt den Namen „Pingu“- /ˈpɛ̃gy‘/ – eine liebevolle Abkürzung des Namens des Architekten Georges-Henri Pingusson.
Wenn man in Saarbrücken von „Pingu“ spricht, so wissen die meisten Bescheid: Es geht um den weißen Stadtvorhang, dessen Straßenfassade sich dem Fluss Saar zuwendet.
Das seit mehr als fünf Jahren leer stehende Denkmal ist kontinuierlich in den lokalen Medien. Der Bau erzeugt eine nahezu paradigmatische Positionierung zum Thema Abriss oder Restauration. 
Immer wieder macht der Pingu Schlagzeilen durch hohe Summe, die in eine Sanierung oder einen Umbau investiert werden sollen. Oder aber die Tageszeitungen berichten hoffnungsvoll  über Filmfestivals, Buchvorstellungen und Kunstausstellungen in und um den Bau herum. Diese kulturellen Veranstaltungen beleben den Bau – auch ohne Sanierung.

Das Saarland, Deutschland und Frankreich

Um das Gebäude zu verstehen, muss man die Geschichte des Saarlandes näher betrachten. Das Saarland war mal ein Teil von Frankreich, zeitweise unter französischer Besatzung, dann ein eigenständiges Land, und schließlich wieder ein deutsches Bundesland. Kurz bevor sich das Saarland der BRD anschloss, entstand die französische Botschaft im Saarland. Erbaut wurde es von einem Freund und Kollegen Le Corbusiers: Georges-Henri Pingusson. Zwischen 1951 und 1954 entstand das Gebäudeensemble der französischen Botschaft, welches der erste und einzige Baustein eines vollkommen neuen urbanen Raums der wiederaufzubauenden Stadt Saarbrücken sein sollte.

Vom Garten aus blickt man auf den Empfangssaal.
Entlang der Stadtautobahn liegt die ehemalige Botschaft, wie ein weißer Vorhang.

Das Ensemble, im Stil der Moderne, besteht aus einem Administrationshochbau, einem Empfangsbau mit Saal und Blick in den Park, einem Funktionsbau sowie der privaten Residenz des Botschafters. Klare Linien, markante eckige Grundform und Pylonen-artigen Pfeilern verleihen dem Bau ein unverkennbares Gesicht. In den 80er Jahren wurde die Botschaft zu einem Denkmal ernannt.

Der – mittlerweile leerstehende – Empfangssaal des Pingu-Baus.

Ein Masterplan für Saarbrücken

Der Masterplan Pingussons entstand wenige Jahre vor dem Bau der Botschaft und stoß auf harte Kritik. Hochhausscheiben mit großzügigen Grünanlagen, die sich axial durch den westlichen Teil der Stadt zogen, wurden nie umgesetzt. So blieb die Botschaft, als weißer Stadtvorhang, alleine stehen. In den 60er Jahren zog die französische Botschaft um und der Bau wurde der Sitz des saarländischen Kultusministeriums. Für Frankreich verlor der Standort im Saarland an Zentralität und Wichtigkeit. Nun gibt es nun nur noch die französischen Botschaft in Berlin.

Was soll mit dem Pingusson-Bau geschehen?

Doch viel investiert wurde in den Bau nie und vor knappen fünf Jahren zog das Kultusministerium in die frischsanierte „Alte Post“. Der Pingu blieb leer. Immer wieder stellt sich die Frage, ob die Diskussion um den Abriss oder Wiederaufbau des Pingus genauso groß wäre, wenn der Architekt nicht so namhaft wäre. Oder wäre die Diskussion anders verlaufen, wenn die Funktion des Baus keine so große Rolle in der deutsch-französischen Beziehung spielen würde?
Die Geschichte würde innerhalb von wenigen Monaten das verschlucken, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde – politische Versprechen, städtebauliche Träume, architektonischer Fortschritt und regionale Identität. Man traut sich nicht so richtig den Bau zu erneuern, aus Furcht vor Unkosten. Ebenso hat man Angst den Bau abzureißen, zu Recht.
Ein Denkmal der Architektur, welcher durch den Leerstand immer mehr in Vergessenheit und Tristesse versinkt, hält der Gesellschaft einen bizarren Spiegel vor. Der Wiederaufbau von Kulturerbe sollte keine Frage der Größenordnung sein, sondern eine Frage ob Geschichte vergessen werden darf oder nicht.

Alle Bilder und Illustrationen von Alexandra Tishchenko

Die Baumeister Academy ist ein Praktikumsprojekt des Architekturmagazins Baumeister und wird unterstützt von GRAPHISOFT und der BAU 2019.

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top