Design ist mehr als Stil und Ästhetik – es ist zum Anfassen, zum Benutzen und Aneignen. Dabei kommt es vor allem auf das ausgewählte Material an. Seine Botschaft prägt die Atmosphäre und Art, wie wir Räume erleben. Diese Ausgabe zeigt, wie Innenarchitektur heute Räume inszeniert. Sie erkundet Innenausbau-Projekte, bei denen Gestaltung weit über die Oberfläche hinausgeht: von formgebender Funktionalität bis zu originellen Entwürfen, die die Grenzen des Machbaren ausloten.

Kein Sahnehäubchen
Zu oft wird es mit Styling, dekorativem Schnickschnack oder – schlimmer noch – mit Sofakissen verwechselt. Dabei ist Design alles andere als oberflächlich. Es kann irritieren, provozieren, transformieren. Es kann Räume öffnen, Dinge ordnen, unser Verhalten lenken. Design ist nicht das Sahnehäubchen am Ende, sondern oft der Anfang von allem – das unsichtbare Rückgrat guter Architektur.
Sinnliche Angelegenheit
In dieser Ausgabe widmen wir uns dem Design in seiner sinnlichsten und reinsten Form. Es geht um Materialität und TexturTextur: Die Oberflächenbeschaffenheit eines Materials.. Projekte, die nicht glänzen wollen, sondern glühen. Räume, die sich nicht in Renderings erklären, sondern in Bewegung, LichtLicht: Licht bezeichnet elektromagnetische Strahlung im sichtbaren Bereich des Spektrums. In der Architektur wird Licht zur Beleuchtung von Räumen oder als Gestaltungselement eingesetzt. – und vor allem: Berührung. Denn gutes Design will angefasst werden. Es lebt vom Kontakt. Unser Cover spielt genau damit: eine tastende Hand, die, aus dem SchattenSchatten: Eine dunkle oder abgedunkelte Fläche, die durch Abschattung oder Blockierung des Tageslichts entsteht. kommend, eine Oberfläche erkundet. Fast archaisch. Fast romantisch. Und doch: hochaktuell.
Ecken und Kanten
Warum? Weil wir in einer Zeit leben, in der das Digitale oft glatter ist als unsere Tischplatte. In der sich Raum immer öfter auf Bildschirmformate reduziert. Und in der Materialien wieder an Bedeutung gewinnen – weil sie Widerstand bieten, Reibung erzeugen, Charakter haben. Die Projekte in dieser Ausgabe zeigen, wie durch Umnutzung, Reduktion und radikalen Materialeinsatz neue Atmosphären entstehen. Wie man aus Altem Sinnlichkeit macht – und aus Unfertigkeit Haltung. Da wird mit Textilien zoniert, mit Beton poetisiert und mit der gesamten Komposition eines Raums fast schon erotisiert. Ja, Sie haben richtig gelesen. Architektur darf wieder verführen – nicht laut, nicht schrill, sondern durch Substanz.
Sinnlich, schlau und unbequem
Diese Ausgabe ist also kein Katalog schöner Oberflächen. Sie ist ein Plädoyer für das Denken mit der Hand. Für das Erleben durch Berührung. Und für Design, das nicht nur gefällt, sondern verändert. Denn letztlich stellt sich nicht nur die Frage, wie etwas aussieht oder sich anfühlt, sondern auch, was es auslöst. Ein gutes Designobjekt, ein klug gestalteter Raum oder ein mutiger Materialeinsatz kann mehr verändern als viele Worte. So können Gespräche angestoßen, Erinnerungen geweckt und Haltungen geprägt werden. Vielleicht ist Design also gar nicht die schönere Schwester der Funktion, sondern deren verschwiegene Philosophin – sinnlich, schlau und manchmal ein bisschen unbequem. Und genau deshalb brauchen wir sie – dringender denn je.
Viel Freude beim Lesen. Ich freue mich, wie immer, über Ihre Rückmeldung zu dieser Ausgabe.
Herzlichst,
Tobias Hager
Chefredakteur
t.hager@georg-media.de
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