23.06.2014

Gewerbe

Google-Campus – Paradies geht anders

Workers leaving the Googleplex: Filmstill

Wenn das Arbeiten der Zukunft debattiert wird, darf ein Positivbeispiel nicht fehlen: Google, der Technologieriese, der für seine Leute eine Art Himmel auf Erden schafft. Im Corporate Campus in Mountain View lebt es sich gut, mit freien Massagen auf einem sympathisch wirkenden, demonstrativ nicht hierarchischen Firmengelände. Ein Ort, an dem man nicht „arbeitet“, sondern ganz zwanglos man selbst ist – und damit auf mirakulöse Weise eine ungeahnte Kreativität freisetzt. Logisch, dass dieser Wunderort wächst, genauso wie das Geschäft der Datenverbreiter. Eine Erweiterung des bestehenden Gebäudearrangements plant momentan das amerikanische Büro NBBJ.

Erstrebenswert also, für Google zu arbeiten? Definitiv – aber nur, wenn man die richtigen Farben hat. Gemeint sind Namensschilder-Farben. Die nämlich demonstrieren sehr deutlich die – durchaus vorhandenen – Hierarchien und Ungleichheiten im Konzern. Ein künstlerischer Dokumentarfilm über den „Googleplex“ zeigt dies jetzt. Der US-Künstler Andrew Norman Wilson hat sich dort quasi eingeschleust und gefilmt, wie konsequent die Arbeiter unterschiedlicher Klasse segregiert werden (Andrew Norman Wilson, “Workers Leaving the Googleplex”, HD Video, 11:04 Min., US 2009-2011). Die ganze Palette der Luxus-Angebote steht offenbar nur den Top-Ingenieuren und anderen Professionals zur Verfügung – weißes Namensschild. Die übelste Farbkategorie ist gelb (eine wirklich interessante Farbwahl). Darunter firmieren, so der Film, vor allem die Scanner für Google Book Search. Und sie erleben, dass die Google-soziale Segregation klar architektonisch funktioniert: Sie müssen nämlich, so der Film, nach Dienstende den Campus sofort verlassen.

Aus Sicht der Architektur ist das, zynisch formuliert, fast schon wieder positiv. Offenbar wird gute Architektur als ein Wert an sich gesehen. Der Aufenthalt im bauqualitativen Paradies wird quasi zum Teil dessen, was die Amerikaner „Compensation Package“ nennen. Aber die krasse Unterscheidung unterschiedlicher Sets an räumlichen Rechten ist zugleich natürlich hochproblematisch. Hier wird qua Architektur ausgegrenzt. Die Wissenschaftlerin Doreen Massey schrieb 1995 ein Buch über die „Spatial Divisions of Labor“, die der Kapitalismus produziert. Diese erfahren eine neue Dimension, wenn auch innerhalb von Gebäuden via Aufenthaltsrecht klare soziale Distinktionen vollzogen werden.

Das alles ist zwar, wenn man recht darüber nachdenkt, so neu nicht. Schließlich haben die meisten Großkonzerne auch ihre „Vorstandsetagen“, in die man nur mit einem speziellen Aufzug gelangt. Aber zu einem sich so demokratisch inszenierenden Unternehmen wie Google passt das nicht. Und ich vermute auch, dass es die Kreativen des Unternehmens nicht gerade produktiver macht. Schließlich dürften deren Aktivitäten doch je zielgerichteter und marktkonformer ausfallen, je mehr sie auch in Kontakt stehen mit der „Welt da draußen“. Beziehungsweise indem sie diese eben nicht konsequent „draußen“ lassen.

Der Film läuft im Hartware MedienKunstVerein in Dortmund momentan als “Video des Monats”. Ort: HMKV, Dortmunder U, dritte Etage. Parallel läuft ab dem 5. Juli (Eröffnung am 4. Juli , 19:00 Uhr) die Ausstellung “Jetzt helfe ich mir selbst – Die 100 besten Video-Tutorials aus dem Netz” (bis einschließlich 31. August 2014, Eintritt frei). 

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