25.11.2015

Wohnen

Der Giebel der Erinnerung

Mit Bernhard Franken verbindet man vor allem das parametrische Entwerfen. Jetzt hat er ein Stadthaus in der Frankfurter Innenstadt gebaut. Ganz konservativ mit Giebeln und Lochfassade? Nur scheinbar. Die Erinnerung an den Vorgängerbau ist in raffinierter Weise eingeschrieben.


Zitierte Form

Bernhard Franken sorgte in der Frühzeit des parametrischen Entwerfens (das heißt vor rund fünfzehn Jahren) mit dem für BMW entwickelten „Dynaform“-Großpavillon für einiges Aufsehen. Dynaform war ein zu einem Gebäude geronnenes Bild der Bewegungsdynamik des Fahrens; damals wurden vor allem die neuen Möglichkeiten zur parametrischen Transformation eines Tragwerks euphorisch wahrgenommen. Der Dynaform-Pavillon war aber auch eine „Architecture parlante“. Diese Seite des Entwurfs – dass es auch um die prinzipielle Möglichkeit einer Erzählung in der Architektur ging – wurde allerdings weniger beachtet. Nun ist Bernhard Franken jedoch beidem, der Erzählung in der Architektur und dem parametrischen Entwerfen, verbunden geblieben. Das Haus Kleine Rittergasse 11 inmitten von Alt-Sachsenhausen ist solch eine architektonische Erzählung über Geschichte, Erinnerung, Sachsenhausen, über den eigentümlichen Frankfurter Apfelwein und nicht zuletzt auch den Bauherrn. Die Giebel des Hauses, oder besser der Hausfolge, sind insofern semantische Giebel – ein notwendiger Bestandteil der Erzählung.

Auf dem an einem kleinen Platz gelegenen Grundstück befand sich ein mehrgeschossiges Fachwerkhaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Daran schloss sich nach Norden ein flacher Verbindungsbau und das Hinterhaus an. Ursprünglich sollten die Häuser saniert werden, ein Voreigentümer hatte aber die tragende Fachwerkkonstruktion des Eckgebäudes freigelegt, und so war das Holz für eine Sanierung inzwischen viel zu angegriffen. Die neue dreiteilige Häusergruppe zitiert nun nicht nur einfach die Kubatur der Vorgängerbauten, sondern ist vielmehr in einem gewissen Sinn eine Erinnerungsarbeit.

Franken zitiert die vormalige Gestalt dem Wesen nach, nicht aber in Details. Die Firstrichtung, Giebelstellung, Dachneigung und Traufhöhe wurden entsprechend der Baugestaltungssatzung für Alt-Sachsenhausen beibehalten. Der vormalige beschirmende Dachüberstand ist aber entfallen, das neue Dach sitzt bündig zur Vertikalen der Fassade. Gedeckt wurde es gediegen mit Schiefer, wegen der flachen Neigung sieht der Passant in den Gassen davon allerdings nichts. Überhaupt kennzeichnet das Projekt eine gewisse No-blesse für den wissenden Kenner.

Mehr dazu finden Sie im Baumeister 12/2015.

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