05.11.2014

Hotel

Bullerbü auf Bäumen

Harads liegt in der Nähe des Polarkreises, etwa 100 Kilometer vom nächsten Flughafen entfernt. Nicht gerade um die Ecke also. Doch der Weg dahin lohnt sich – wegen der Landschaft, aber auch wegen des Treehotels, das in der nordschwedischen Kleinstadt sein Zuhause hat. Der kleine Architekturpark, der mittlerweile sechs Baumhäuser, eine Sauna und eine als Basisstation genutzte Pension umfasst, geht auf eine Idee von Britta und Kent Lindvall zurück. Das Versprechen: die unmittelbare Nähe zu unberührter Natur.

Von Anfang an war es eine der Grundideen des Projekts, den notwendigen Eingriff in die Natur so gering wie möglich zu halten und mit einem hohen Maß an ökologischem Bewusstsein durchzuführen. Keine Bäume sollten gefällt oder durch ihre Nutzung für die Baumhäuser in Mitleidenschaft gezogen werden. Grüne Energie, Armaturen mit geringem Wasserverbrauch, Komposttoiletten und ökologische Baumaterialien waren weitere Bestandteile des Konzepts.

Im Juli 2010 war es dann soweit, das Hotel wurde eröffnet: Fünf Baumhäuser und eine Sauna gab es zu diesem Zeitpunkt; sie trugen programmatische Namen wie „das Nest“, „das Ufo“, „der Spiegelwürfel“, „der blaue Zapfen“, „die Hütte“ oder einfach nur „die Baumsauna“.

Anfang 2013 wurde ein weiteres fliegendes Hotelzimmer eingeweiht, genannt „die Libelle“, ein Koloss von 22 Tonnen und entgegen seines Namens nicht unbedingt filigran anzuschauen. Entworfen wurde es von Rintala Eggertsson Architekten.

Mit seinen 52 Quadratmetern ist es das bislang größte Baumhaus und kann sowohl als Unterkunft für vier Personen inklusive Badezimmer, als auch für Konferenzen genutzt werden. Die Holzkonstruktion ist außen mit Cortenstahl und im Innern mit dunkel lasierten Sperrholzplatten verkleidet, um Spiegelungen in den großen Panoramafenstern zu vermeiden. Erreichbar ist es über eine 15 Meter lange Rampe.

Die anderen Baumhäuser sind so individuell wie ihre Namen. Am spektakulärsten dürfte wohl der von Tham & Videgård Architekten entworfene „Spiegelwürfel“ sein. Mit seinen vier auf vier Metern scheint er in der Luft zu schweben und kann über eine zwölf Meter lange Hängebrücke erreicht werden. Die Konstruktion besteht aus einem Aluminiumrahmen, der innen mit Birkensperrholz und außen mit Spiegelglas verkleidet ist. Sechs von außen nicht sichtbare Fenster geben den Blick nach draußen frei, eine Leiter im Innern führt auf eine eigene Dachterrasse. Er ist mit knapp 16 Quadratmetern das kleinste Baumhaus und bietet Schlafmöglichkeiten für zwei Personen. Befestigt ist er an einem Baum, der mitten durch den Innenraum hindurchgesteckt ist. Justierbare Metallklammern verbinden beide miteinander und ermöglichen es, den Baum weiter wachsen zu lassen. Durch die verspiegelte Oberfläche verschmilzt das abstrakte Volumen des Würfels mit den Baumwipfeln.

Jedes der Baumhäuser hat einen speziellen Zugang. Der des blauen Zapfens etwa, eine 22 Quadratmeter große, irritierenderweise mit rot gestrichenen Holzschindeln verkleidete Hütte, besteht aus einer behindertengerechten Rampe, die geschickt die Hanglage des Gebäudes nutzt. Konstruktion und Innenverkleidung sind ebenfalls aus Holz. Insgesamt gibt es drei Schlafplätze: ein Doppelbett, das räumlich abgetrennt werden kann, und zwei Einzelbetten, die sich auf einer Galerie befinden und über eine Leiter erreichbar sind. Hinzu kommen Wohnzimmer und Bad. Entworfen wurde es von Sandell Sandberg Architekten.

Die beiden ikonografischsten Häuser wurden vom Architekten Bertil Harström entworfen: „das Nest“ und „das Ufo“. Erstes ist 17 Quadratmeter groß, außen mit Zweigen verkleidet und wirkt wie ein überdimensioniertes Vogelnest. Materialität und Struktur lassen es Teil seiner Umgebung werden. Die beiden Schlafzimmer mit einem Doppelbett beziehungsweise einem Stockbett können separat abgetrennt werden. Kleine, von außen kaum sichtbare Bullaugen ermöglichen den Blick nach draußen.

Das 30 Quadratmeter große Ufo ist das komplette Gegenstück – ein Fremdkörper, der zwischen den Bäumen zu schweben scheint und in seinem Innern Platz für fünf Personen bereit hält. Beide Häuser sind als Holzkonstruktion ausgebildet, verfügen über ein Bad und einen Wohnbereich. Erreichbar sind sie über ausfahrbare Leitern.

Mittlerweile kommen die Gäste aus der ganzen Welt, um in einem der Baumhäuser zu übernachten. Wer dort keinen Platz mehr findet, kann auf Brittas Pension ausweichen. Dort befinden sich auch ein gemeinsamer Frühstücksraum und zusätzliche Bäder, falls es im eigenen Refugium doch mal zu eng werden sollte.

Weitere Baumhäuser sind geplant, auch von einer Expansion in andere Länder ist die Rede. Wer jetzt immer noch denkt, dass die Provinz nichts zu bieten hat und kreative Prozesse nur in Metropolen stattfinden, der sollte Harads schleunigst einen Besuch abstatten.

www.treehotel.se

“Architektur und  Ereignis” – mehr über das Treehotel in der nordschwedischen Kleinstadt ab 1. November im Baumeister 11/2014

Fotos: Peter Lundstrom

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top