23.04.2014

Hotel

Berchtesgaden, Hotel Haus Untersberg

Dass Zimmer in Jugendherbergen nicht zwangsläufig muffig sein und Klaustrophobie hervorrufen müssen, will die von Lava umgestaltete Unterkunft in Deutschlands südöstlichster Ecke beweisen. Ausflug nach Berchtesgaden: Übernachtet wird in einer Jugendherberge. Während der Fahrt kämpfe ich immer wieder Horrorvorstellungen von Gemeinschaftsduschen und abstellkammerkleinen Sechsbettzimmern nieder und hoffe inständig, dass die so genannte Design-Jugendherberge ansatzweise hält, was der Name verspricht. Der erste Eindruck von Haus Untersberg ist mehr als beruhigend. Ich stehe vor der Herberge mit herauskragenden Fenstern und gelb lackierten Holzleisten. Im Inneren geht es angenehm weiter: Der Eingangsbereich ist bunt gestreift, man fühlt sich willkommen. Mein Zimmer hat zwar sechs Betten, doch erinnert nichts an die befürchtete Gefängniszellenaura. Es gibt genug Stauraum für Reisetasche und Kleidung sowie unerwartet viele Sitzgelegenheiten in Fensterlaibungen und Sitzsäcken.

Dafür, dass im Haus Untersberg nichts mehr vom martialischen Bestandsbau von 1935 zu spüren ist, hat das Stuttgarter Architekturbüro LAVA (siehe auch Baumeister B1O/B11) gesorgt. Statt das ortstypische Haus mit Steinsockel und Fachwerk abzureißen, haben es die Architekten 2O1O bis 2O11 umgebaut. Die Schlafräume wurden vergrößert, jeder hat eine eigene Dusche und ein WC. Zudem erhielten die Wände einen neuen Anstrich. Zum Glück wurde nicht der jeweils schrillste Vertreter der Farbfamilien gewählt und viel mit Lärchenholz gearbeitet, sodass das Auge nicht in Panik gerät. Keine Panik, aber doch Irritation stellt sich beim Blick in ein anderes Zimmer ein: ein Vitra-Stuhl? Dieses Kokettieren mit dem Designaspekt der Umgestaltung hätten die praktisch möblierten Zimmer eigentlich nicht nötig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Räume vorwiegend von Familien mit quirligem Nachwuchs und Halbwüchsigen mit Egal-Einstellung genutzt werden. Wirklich charmant ist hingegen die Verbindung aus Alt und Neu. Die ursprünglichen Balkone mit Schnitzereien à la „Ich war hier. Julia 2O11“ blieben erhalten, ebenso der Steinboden im Eingangsbereich und die gusseisernen Geländer. Dadurch bleibt das Jugendherbergsflair gewahrt und Haus Untersberg wirkt auf dem Gelände nicht wie ein überdesignter Fremdkörper.

Das größte Kapital des Hauses könnte – bei schönem Wetter – sein Ausblick sein. Mein Aufenthalt wird allerdings von Nässe und Kälte begleitet. Da sehen auch die schönsten Berge schnell trist aus. Das Freizeitprogramm auf dem Gelände – Hochseilgarten, Bogenschießen, Kanutouren – ist eindeutig auf trockene Tage ausgerichtet. Der Besuch des Salzbergwerks Berchtesgaden lohnt, muss aber in dem Wissen geschehen, dass der Hauptteil der Zeit vermutlich in der Warteschlange verbracht wird. Ein Mix aus Alt und Neu mit viel Holz soll den Bau heutigen Bedürfnissen anpassen, ohne das gemütliche Flair aufzugeben.

Adresse

Jugendherberge Berchtesgaden
Struberberg6
83483 Bischofswiesen
www.berchtesgaden.jugendherberge.de

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