17.02.2025

Architektur Gewerbe

Bellerivestrasse 36 in Zürich von C.F Moller Architects

Sanieren
Das Verwaltungsgebäude aus den 1970er Jahren wurde von C.F Moller Architects saniert. Credit: Mark Hadden

Direkt am Zürichsee gelegen, wurde ein Verwaltungsgebäude aus den 1970ern saniert. Die Architekten fanden für die Fassade eine beachtenswerte Lösung – wir fragten die Projektleiterin Natalie Adelhoefer danach kurz vor Fertigstellung des Gebäudes.

Sie lesen nun ein Interview aus unserer September Ausgabe 2024. Zu diesem Zeitpunkt war das Gebäude noch nicht fertig. Nun wollen wir Ihnen das finale Ergebnis zeigen. 

Ein leerstehender Verwaltungsbau von 1974 in bester Lage direkt am Zürichsee wurde nicht abgerissen, sondern in ein modernes, nachhaltig zu führendes Bürohaus transformiert. Es erreicht den Schweizer Minergie-A-Standard. Seine neue Fassade sorgt gleichzeitig für mehr Licht im Innenraum, für Energiegewinnung durch Photovoltaikpaneele und Verschattung der Arbeitsplätze. Ein neu eingefügtes Atrium verbindet die Büro- und Mietbüroeinheiten zu einem kommunikativen Ganzen.

Baumeister: Frau Adelhoefer, wieso kam ein Abriss für den Bauherrn nicht in Frage?

Natalie Adelhoefer: Ein Abriss und Neubau auf dem Grundstück wäre zwar realisierbar gewesen, allerdings wäre ein Neubau nicht mit dem heutigen Volumen und der Gesamthöhe wie im Bestand möglich gewesen. Sprich, der Bauherr hätte deutlich weniger Nutzfläche im Neubau bauen dürfen, als mit der Sanierung erhalten werden konnte.

B: Ist Ihr Büro viel mit Bestandserhaltung beschäftigt? 

N A: Unser Büro hat ein breites Portfolio, und wir arbeiten mit allen Typologien und Programmen. In unserer hundertjährigen Firmengeschichte können wir auch einige Bestandssanierungen vorweisen. Bauen im Bestand, vor allem Transformationsprojekte, sind gerade im Hinblick auf Ressourcenschonung, CO2-Reduktion und Erreichung der Klimaziele ein sehr wichtiges Thema. Und wird zukünftig immer wichtiger. Sprich: wir möchten zukünftig mit mehr Bestandssanierungen und Transformationen arbeiten.

Nachhaltigkeit ist ein natürlicher Parameter in allen Phasen der Planung in unserem Büro. C.F. Møller Architects hat sich zum Ziel gesetzt, die Nachhaltigkeit aller neuen Projekte als integralen Bestandteil der Arbeit des Büros zu betrachten, um jeden Kunden dazu zu motivieren, nachhaltige Komponenten in ihre Bauvorhaben einzubeziehen. Zu Beginn eines Projekts wird, auf der Grundlage der Ambitionen und Zielsetzungen des Kunden, ein einfaches und nachvollziehbares „Screening“ durchgeführt, und mit den Kenntnissen und Erfahrungen des Büros abgeglichen, um eine gemeinsame Zielsetzung zu formulieren.

Das Arbeiten mit dem Bestand an Gebäuden aus den 1970er-Jahren, wie die Bellerivestraße, bietet ein großes Potential in Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele. Führt aber auch Herausforderungen mit sich: Beim Projekt Bellerivestraße verlängerte sich die Phase der Schadstoffsanierung deutlich, da weitaus mehr Asbest und andere Schadstoffe gefunden wurden als ursprünglich angenommen. Auch die Betonqualität der Deckenstirne, an denen die neue Vordachkonstruktion und Fassade befestigt wurde, musste teilweise ertüchtigt werden. Das bestehende Fassadenraster erwies sich nach der Rückbauphase abweichend zur Planung, das Gebäude hatte sich zudem in einem Bereich gesetzt. Das Arbeiten im Bestand ist komplex und bringt einige feste Rahmenbedingungen mit sich, die Freiheit des Architekten ist nicht grenzenlos, es ist kein weißes leeres Papier, auf dem man anfängt zu schreiben.

Foto: Goran Potkonjak
Vorher
Foto: Mark Hadden
Nachher

B: Dennoch hat sich die Mühe offenbar gelohnt …

N A: Bei der Bellerivestrasse haben wir es geschafft, ein Bestandsgebäude so umzubauen und zu sanieren, dass es weiter als Büro genutzt werden kann und Nachhaltigkeitsstandards erreicht. Unsere ästhetischen Ziele, unsere Vision eines Pavillons im Park, sind mit der moderneren Gebäudehülle und einer neuen Transparenz und Offenheit aufgegangen. Die Mieter fühlen sich im neuen alten Gebäude wohl, und unser Bauherr freut sich, dass er das Bestandsgebäude erhalten und aufwerten konnte. Unsere Ziele als Architekten, neben der Ästhetik, auch ein grünes Gebäude zu schaffen, wurden ebenfalls erreicht. Wir konnten etwa 86 Prozent des Bestandsbetons erhalten, die Energiegewinnung durch BIPV deckt den Großteil des Eigenbedarfs an Strom. Die begrünten Terrassen helfen bei Starkregen, die Wassermengen zurückzuhalten.

B: Welche Rolle spielt in Ihrem Büro die Solarenergie?

N A: Man darf vielleicht so weit gehen und sagen, wir sind spezialisiert im Arbeiten mit BIPV in unseren Projekten. Wir haben in jedem Fall zehn Jahre Erfahrung in dem Bereich sammeln dürfen. Eines unserer ersten Projekte mit Schwerpunkt auf Solarenergie, gebäudeintegrierte Photovoltaik-Module (BIPV) im Fassadendesign, ist die Copenhagen International School in Kopenhagen (2013 – 2017). Hier wurden rund 12.000 Solarpaneele verbaut, die etwa die Hälfte des jährlichen Stromverbrauchs decken. Dies entspricht dem Energieverbrauch von rund 70 Einfamilienhäusern.

Seitdem untersuchen wir in allen unseren Projekten die Möglichkeit, mit Solarenergie zu arbeiten.

Eines unserer aktuellen Projekte mit BIPV, welches gerade im Bau ist, ist der neue Hauptsitz der Hyp Bank in Berlin. Wie auch bei der Bellerivestrasse wird man auch hier erst auf dem zweiten Blick sehen, dass es sich um integrierte Photovoltaik-Paneele in der Fassade handelt. Beim Bundesministerium für Umweltschutz – ebenfalls eines unserer Berliner Projekte – wird die Integration von PV in der Fassade ebenfalls untersucht.

Foto: Mark Hadden
Foto: Mark Hadden
Foto: Mark Hadden
Foto: Mark Hadden

B: Sie fanden eine herausragende Lösung, um Sonnenschutz und Energieeintrag zu kombinieren …

N A: Danke, wir freuen uns sehr über das positive Feedback, was wir bis dato für diese Lösung bekommen haben. Die Idee der umlaufenden auskragenden Vordächer, die auf der schrägen Oberseite Energie erzeugen, gleichzeitig mit ihrer Tiefe von 1,8 Metern zur Fassade einen effektiven externen Sonnenschutz gewährleisten, hatten wir bereits in der Wettbewerbsphase. Dieses Konzept hat sich im weiteren Verlauf der Planung, bei den bauphysikalischen Analysen als gut erwiesen. Wir konnten durch die Schräge etwa 20 Prozent mehr Fläche für die PV-Paneele generieren, gegenüber einer vertikalen Abdeckung der Deckenstirnen mit PV-Paneelen. Auf weiteren externen Sonnenschutz konnte komplett verzichtet werden, welches bei der Lage mit den Windgeschwindigkeiten über dem Zürich See auch schwierig geworden wäre. Ein innenliegender Blendschutz reichte hier aus.

B: Gab es Hürden bei der Entwicklung der Fassade?

N A: Die Entwicklung des BIPV-Konzepts beim Projekt Bellerivestrasse verlief nicht ohne Hürden, aber wir hatten mit unseren Bauherren einen konstruktiven Dialog und die richtigen Spezialisten mit an Bord. Die Entwicklung der PV-Technologie ist rasant, und in einem mehrjährigen Planungsprozess ist es ungewiss, welche Möglichkeiten sich durch Neuentwicklungen auftun. Denn während eines Kalenderjahres passiert in der PV-Entwicklung sehr viel.

Bei diesem Projekt wollten wir gern ein Strukturglas auf der Oberseite (Glas-Glas-PV-Module) verwenden, welches das Licht bricht und ein Schwimmereffekt generiert. Dies, um das Schimmern auf der Wasseroberfläche des Zürich Sees aufzugreifen. Die unregelmäßige Oberfläche des Strukturglases führt jedoch dazu, dass sich Schmutz eher festsetzt, sich der Reinigungsaufwand also erhöht und der Wirkungsgrad der PV sich gleichzeitig verringert. Hinzu kommt, dass wir Architekten mit einem einheitlichen Farbkonzept arbeiten wollten, sprich die Ober- und Unterseite der Vordächer sollte in der gleichen Farbpalette gehalten werden wie die Fassadenelemente. Die Farbe reduziert den Wirkungsgrad der PV-Paneele ebenfalls. Insgesamt sprechen wir von einer Reduktion der Stromgenerierung von etwa 20 Prozent gegenüber konventionellen schwarzen Solarmodulen. Alles in allem mussten wir als Architekten Überzeugungsarbeit leisten, an dem ganzheitlichen Farb- und Designkonzept der neuen Gebäudehülle festzuhalten. Erschwerend hinzu kann, dass das gewünschte Strukturglas nicht verfügbar war und wir eine Alternative finden mussten, welches Schlussendlich aber gelang.

Im Prozess der Entwicklung der neuen Gebäudehülle ist auch zu erwähnen, dass in zwei Runden Fassaden-Mock-ups erstellt wurden: mit dem Ziel, Farben, Oberflächenbeschaffenheiten und technische Ausführungsdetails testen, Entscheidungen zu finden und die Richtung für die Ausführung im Großen festlegen zu können. Die Mock-Ups waren eine wichtige und zielführende Methode in der Entwicklung und Entscheidungsfindung der neuen Gebäudehülle. Auch von Amtsseite wurde das Mock-Up begutachtet und half, die Ästhetik, die angestrebt wurde, vor Ort zu beurteilen.

Seitens des Bauherrn trafen wir glücklicherweise auf Zuspruch für unsere Wahl der umlaufenden trapezförmigen Vordächer. Denn die Stahlkonstruktion der Vordächer erwies sich teurer als die eigentlichen circa 1.700 PV-Module, die auf der Unterkonstruktion befestigt wurden.

B: Ihr Büro baut in ganz Europa. Fehlt es zum Beispiel in Deutschland an guten Beispielen gelungener Solararchitektur?

N A: Die Lage verbessert sich, da die Länderbauordnungen inzwischen zumeist PV für Neubauten vorschreiben, daher ist dies auch für große Bauvorhaben nun auf der Agenda.

Bisher stellen die bürokratischen Hürden bei Bau und Betrieb von BIPV, gerade bei großen Projekten, ein Hindernis dar. Wir sehen hier aber mittelfristig eine positive Entwicklung. Bei einem unserer Projekte in Hamburg war das Thema der späteren Verwaltung der PV-Anlagen ein großer Bremsklotz. Dies betrifft vor allem die steuerlichen Probleme während der Vermietung.

Für die Bauherren wird das Thema PV dann schnell unattraktiv, wenn der Betrieb mit zu hohem Aufwand verbunden ist. Es gibt mittlerweile Firmen, die sich in dem Bereich spezialisieren und den Bauherren anbieten, diesen Part für sie zu übernehmen und die BIPV separat zu betreiben. Allein dieser Fall zeigt, wieviel Bürokratie hinter den PV-Anlagen in Deutschland steckt. Eine andere bürokratische Hürde in Deutschland ist die Zulassung der PV-Module in Fassaden.Bei Hochhäusern im innerstädtischen Raum, zum Beispiel unserem Projekt für die Berlin Hyp in Berlin, stellt dies aufgrund der geringen vorhandenen Dachflächen, die zudem auch mit Biodiversitätsanforderungen, technischen und anderen Nutzungen in Konkurrenz stehen, einen sinnvollen Einsatzort für PV dar.

Jedes Bauteil braucht in Deutschland eine Zulassung. Für BIPV-Paneele gibt es gerade im Bereich der Hochhausrichtlinie keine allgemeine Zulassung für Fassaden-PV. Das bedeutet, dass für jede Fassadenanlage eine Zulassung im Einzelfall erforderlich ist. Diese Zulassungen sind aufwendig und dauern. Dies macht es für die meisten Unternehmen unattraktiv, die internationale PV-Firmen schrecken davor zurück und geben keine Angebote ab, es rechnet sich schlicht nicht.

Dies dünnt den deutschen Markt für PV in den Fassaden aus. Die Firmen bieten dann lieber auf Projekte außerhalb Deutschlands, denn in anderen EU-Ländern läuft der Prozess deutlich einfacher und unbürokratischer.

B: Bauen Sie auch hier in München?  

N A: Bei unseren Projekten in München gab es ähnliche Hürden. Hier konnten wir ebenfalls auf Grund der Dachbegrünung keine konventionellen PV-Anlagen aufstellen. Hier schlugen wir die Umhausung der Technikbereiche mit PV auf dem Dach als Lösung vor. Die vertikalen PV-Paneele werden als Fassadenbauteil eingestuft, und damit liegt wieder der gleiche Fall vor wie beim Berliner Projekt: Eine Zulassung ist nötig.

Das Thema BIPV scheint noch ein Nischenmarkt in Deutschland zu sein. Die Nachfrage wächst allmählich, aber es gibt noch nicht viele deutsche Hersteller. Auch beim Thema Amortisierung der Anlagen geht die Rechnung nicht immer auf, gerade wenn die Installation von PV-Modulen mit einer aufwendigen Unterkonstruktion einhergeht.

Die Fragen stellte Sabine Schneider.

 

Zu weiteren Projekten in der B9/24 geht es hier lang. 

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