29.06.2020

Portrait

Stehen die deutschen Architekten im Wald?

curated by MVRDV

Im Baumeister curated by MVRDV steckt auch Kritik: Winy Maas betrachtet Deutsche Architektur von außen. (Rendering: MVRDV)


” … eine Haltung, die an Deutschland wirklich gut ist: Wenn Leute zu etwas Ja sagen, dann tun sie es auch.” (Winy Maas, Prolog)

Und erkennen ihn vor lauter Bäumen nicht? Hier kommen MVRDV ins Spiel: Winy Maas wirft im Baumeister curated by MVRDV einen Blick auf das Architekturgeschehen in Deutschland – als Außenstehender. Und versorgt uns mit Diskussionsstoff.

 

Winy Maas und MVRDV haben die Juli-Ausgabe des Baumeisters kuratiert. Damit reihen sie sich hinter Christ & Gantenbein, Stephan Trüby, David Chipperfield, David Adjaye und zuletzt Reinier de Graaf/OMA ein: Seit sechs Jahren gibt die Redaktion des Baumeisters einmal im Jahr das Zepter an einen Architekten oder ein Büro ab, das die Möglichkeit nutzt, seine Ideen, Meinungen und Haltungen im Baumeister Curated zu transportieren.

 

 

Winy Maas ergreift die Chance, sich vor einer deutschen Leserschaft mit dem Nachbarland zu beschäftigen. Warum? Die Wurzeln von MVRDV sind eng mit Deutschland verflochten. Maas, Jacob van Rijs und Nathalie de Vries gründeten MVRDV, als sie gemeinsam einen Entwurf für den Europan 2-Wettbewerb erarbeiteten – und den Wettbewerb mit „Berlin Voids“ für sich entschieden.

“Intellektuelles Denken ist ein Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck. (Winy Maas, Prolog)”

 

Auch wenn „viele der Ideen und Theorien, die das Werk von MVRDV definieren, ihren Ursprung in Deutschland hatten“, sieht er sich weiterhin als Außenstehenden. Aus dieser Perspektive will der den deutschen Architektinnen und Architekten die Möglichkeit geben, „das Wasser zu sehen, in dem sie schwimmen“.

 

“Die technokratische Herangehensweise in Deutschland trägt zur Unfähigkeit bei, den größeren Zusammenhang zu erkennen.” (Winy Maas, Prolog)

 

Doch das Heft beschäftigt sich nicht mit Stereotypen. Es geht nicht um die pragmatischen, bunten und experimentierfreudigen Niederländer versus die oft intellektuell agierenden, grauen, deutschen Architekten. Das wäre Maas viel zu einfach. Stattdessen zeigt er auf Regelwerke und Gewohnheiten, hinterfragt das „typisch Deutsche“ – und ermuntert seine Nachbarn, die eingeschlagenen Pfade der Stringenz zu verlassen.

 

“Wir Niederländer sind fasziniert von der potenziellen Stärke Deutschlands.” (Winy Maas, Interview)

 

Maas will damit nicht zwischen gut oder schlecht unterscheiden oder gar das Schwarz-Weiß-Denken fördern. Ihn interessieren die Nuancen dazwischen, die Geschichten dahinter – aus echtem Interesse an Deutschland und seiner Architektur. Warum funktioniert Architektur hier so, wie sie es tut?, fragt er. Denn seiner Meinung nach sollten „wir eine gewisse Kultur kritischen Hinterfragens untereinander entwickeln. Auf diese Weise könnten wir unsere Beziehungen noch enger gestalten und die Bindungen innerhalb der EU stärken.“ Wie gut sein kritischer Blick bei deutschen Architektinnen und Architekten ankommt? Wir sind gespannt!

 

“Ist spektakuläre Langeweile und immense Banalität das Resultat von zu viel Minimalismus oder Mangel an Mut?” (MVRDV, German Attitude)

 

Für MVRDV ist das Heft die Möglichkeit, noch einmal von außen auf Deutschland zu blicken. Konstruktiv Fragen zu stellen, bevor sie mit selbst mit eigenem Berliner Büro hier vertreten sind, an den Debatten teilnehmen, sich am Ende gar an die Gegebenheiten gewöhnen und so die Perspektive des Outsiders verlieren.

Hier können Sie den Baumeister curated by MVRDV erwerben – im Abo oder als Einzelheft.

 

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