05.11.2014

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Baumeister 11: Architektur und Ereignis

Mit dem Begriff des „Ereignisses“, oder noch schlimmer dem des „Events“, begeben wir uns auf dünnes Eis. Schließlich sind beide kulturkritisch problematisch konnotiert. Ereignis steht für das
Singuläre, das den Menschen aus seiner sozialen Einbettung reißt, weil es Kontinuitätslinien kappt. Und bei Event denken wir an die Spaßgesellschaft, an Big Brother oder an Fußball-Weltmeister­schaften, deren Großbauten kurz nach Abpfiff keiner mehr braucht.

Warum dennoch dieses Titelthema? Weil der Begriff auch anders gelesen werden kann – und wird. Von Michel Foucault zum Beispiel. Für ihn war „Ereignis“ ein Kernkonzept, um eine nicht historisch determinierte Realität zu verstehen. Menschen werden auch über Ereignisse geprägt, nicht nur über Traditionen und geschichtliche Zwangsläufigkeiten, so Foucault vereinfacht. Zugleich wohnt Ereignissen immer das Potenzial inne, Auswirkungen auf den Verlauf von Geschichte zu haben.

Unter den Dekonstruktivisten wurde auch die Architektur als Ereignis verstanden. Nun wissen wir, dass heute der Begriff „Dekonstruktivismus“ als Totschlagargument gegen alles architektonisch Unseriöse herhält. Häuser sollen nach gängiger Lesart nicht „Event“ sein. Sie sollen sich einpassen. Diese Forderung, gegen die sich unser Kolumnist Wolf Prix in unserem Blog wandte, ist verständlich, aber auch angreifbar. Schließlich ist gepflegte Langeweile auch nicht das, was eine Gesellschaft voranbringt.

Und ein Ereignis kann ja auch gerade da liegen, wo man nicht hinschaut. In unserem Titelbild zum Beispiel in der Ecke rechts unten, wo der Putz bröckelt. Vielleicht will die Künstlerin Jutta Görlich, deren Akrobatik natürlich das Haupt-Ereignis im Bild darstellt, ja genau darauf hinweisen? Ist dies die Art, in der die Künstlerin selber ein Event erzeugen will? Jenseits des Konzerthauses von Peter Haimerl natürlich, mit dem sich Görlichs Performance vor allem auseinandersetzt? Sie merken: Begriffe wie Ereignis oder Event sind vielschichtig. Und wir wollen auch nicht einem universell richtigen Verständnis das Wort reden. Wir wollen die Ereignishaftigkeit der Architektur in unterschiedlichen Facetten durchdeklinieren. So kann auch das Zustandekommen von Architektur als Ereignis gesehen werden, Stichwort Crowdfunding. Und idealerweise ist ja auch dieses Heft selbst ein Event. Schauen Sie mal.

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Foto: Edward Beierle

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