08.10.2019

Event

Bauhaus und Bauhaus-Fatigue

Das Bauhaus-Jubiläumsjahr schwenkt in seine Endphase ein. Und gefeiert wird gefühlt schon lange nicht mehr. Zumindest nicht in Deutschland. Seit Monaten hat sich eine eigentümliche Unfrohheit über das Ursprungsland des Bauhauses gelegt. Von dieser berichtete ich auf einer Veranstaltung im Kunstmuseum von Aarhus vor einigen Tagen den verblüfften Zuhörern. Zuvor hatte der US-Architekturtheoretiker Michael Sheridan einen Parforceritt durch die Geschichte des Bauhauses geliefert und dabei auch gezeigt, wie stark die Einflüsse der Dessau-Weimarer Design- und Architekturschule bis heute sind.

Sheridan hatte zum Beispiel klar gemacht, dass etwa das von uns allen geschätzte dänische Design ohne die 14 Jahre Bauhaus so wohl nicht denkbar wäre. Umso überraschter waren die anwesenden internationalen Architekten, als ich erläuterte, dass bei uns das Jubiläum des Bauhauses spätestens seit Mitte des Jahres eher mit hoch gezogenen Augenbrauen verhandelt wird.

Michael Sheridan (links) und Alexander Gutzmer (rechts) bei der Vola-Veranstaltung im Kunstmuseum Aarhus. Fotos: VOLA

Das mag nun natürlich mit einer gewissen Grundnörgeligkeit des deutschen Architekturdiskurses zu tun haben. Der „Reflex des Aber“ sozusagen, der Herzinfarkt, der „kritisch“ sich wägenden Betrachtern immer dann droht, wenn irgendetwas medial „groß“ wird. Darüber hinaus glaube ich aber, dass drei reale Faktoren für die „Bauhaus-Fatigue“, wie es Sheridan auf dem vom dänischen Badausstatter Vola veranstalteten Event nannte, ausschlaggebend sind.

Zum ersten fällt der allzu universale Erfolg mancher „bauhausiger“ Grundideen praktizierenden Architekten schlicht auf die Füße. Immer wieder kommen Bauherren mit der Forderung nach „Bauhaus auf Sparflamme“: weiß, Flachdach, fertig. Das hemmt die architektonische Freiheit. Zweitens scheint der Schatten des Bauhauses auch im Bereich der Repräsentationsbauten des Landes mitunter zu lang zu sein. Nehmen wir als Beispiel die Scheune, die Herzog & de Meuron in Berlin neben der Neuen Nationalgalerie planen. Es scheint schwer zu sein, einen Kulturbau in die Hauptstadt zu stellen, der als Nachbar von Mies eigenständig, zeitgemäß und würdevoll zugleich daherkommt. Und drittens wird dem Bauhaus, meine ich, auch der eigene Universalanspruch zum Verhängnis. Im April-Baumeister hatte Philipp Oswalt darauf hingewiesen: Das Bauhaus formulierte ja nichts weniger als einen „Entwurf des In-der-Welt-Seins“. Das historische Bauhaus habe versucht, „mit Gestaltung Gesellschaft zu transformieren“, also „Gestaltung nicht als Affirmation der Gegenwart, als Dienstleistung am Status Quo zu verstehen, sondern Gestaltung als Kritik der Gegenwart, als Imagination eines anderen Möglichkeitsraums“ zu begreifen.

Von der Einlösung dieses Anspruchs ist die Gestaltung, auch die Architektur, heute weiter entfernt denn je. Die Herausforderungen sind riesig – Klimawandel, Wohnungsnot, rechte Räume. Aber die ganz großen Antworten kann die Gestaltung, kann auch die Architektur nicht liefern. Zumindest nicht allein. Das spricht nicht gegen die heutige Architektur. Aber es lässt einen eben skeptisch werden bei so optimistischen Formulierungen wie der des früheren Rektors der Ulmer Hochschule für Gestaltung, Tomás Maldonado. Er hatte in den 1960ern konstatiert, das Bauhaus habe „eine humanistische Sicht auf die technische Zivilisation“ freilegen wollen. Auf die warten wir, wenn wir ehrlich sind, heute noch immer.

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