13.06.2025

Architektur Öffentlich

Bairro do Boneco: Vom Arbeiterwohnbau zum Kulturzentrum

Kultur Sanieren Umnutzung
Bairro do Boneco von ADARQ. Foto: Ivo Tavares Studio

Das Architekturbüro Adarq unter der Leitung von André David hat 2024 die Sanierung des historischen Bairro do Boneco in Entroncamento, Portugal, abgeschlossen. Das Projekt verwandelt ein ehemaliges Eisenbahner-Wohnquartier aus den 1920er Jahren in ein modernes Kulturzentrum mit einer Gesamtfläche von 2.960 m².


Historischer Kontext und Ausgangslage

Das Bairro do Boneco gehört zu den charakteristischen Eisenbahner-Siedlungen Portugals und entstand um 1920. Die Anlage folgt der typischen Geometrie eines rechteckigen Innenhofs, wie sie für Arbeitersiedlungen jener Zeit üblich war. Ursprünglich umfasste das Quartier 18 Wohneinheiten, verteilt auf zwei langgestreckte Gebäudeblöcke: einen zweigeschossigen Block im Norden mit unabhängigen Wohneinheiten und eingeschossige Häuser im Süden.

Das zweigeschossige Hauptgebäude beherbergte zwölf Wohnungen mit jeweils vier gleichgroßen, miteinander verbundenen Räumen und einem externen Badezimmer. Mit einer Wohnfläche von etwa 52,60 m² pro Einheit verfügte jede Wohnung zusätzlich über einen kleinen privaten Außenbereich. Der Zugang zum Obergeschoss erfolgte über außenliegende Treppen und etwa einen Meter breite Galerien.


Planungskonzept und Funktionsverteilung

Die Sanierungsstrategie sah eine komplette Umnutzung vor: Aus dem nicht mehr zeitgemäßen Wohnquartier entstand ein Kulturzentrum, das drei Hauptfunktionen vereint. Das zweigeschossige Gebäude beherbergt im Erdgeschoss das Nationale Eisenbahn-Dokumentationszentrum, während das Obergeschoss als Ausstellungsgalerie fungiert. Der eingeschossige Südblock wurde zum Wissenschaftszentrum umfunktioniert.

Ein besonderes gestalterisches Element bildet ein Azulejo-Panel des renommierten Architekten Álvaro Siza im zentralen Innenhof, das die Geschichte von Entroncamento und des Bairro do Boneco erzählt. Diese künstlerische Intervention schafft eine identitätsstiftende Verbindung zwischen der historischen Vergangenheit und der neuen kulturellen Nutzung.

Foto: Ivo Tavares Studio
Foto: Ivo Tavares Studio
Foto: Ivo Tavares Studio
Foto: Ivo Tavares Studio
Foto: Ivo Tavares Studio

Architektonische Intervention und Denkmalpflege

Die Planungsphilosophie zielte darauf ab, die morphologischen und architektonischen Charakteristika der ursprünglichen Anlage zu bewahren und gleichzeitig den funktionalen Anforderungen eines modernen Kulturzentrums gerecht zu werden. André David und sein Team entwickelten eine sensible Balance zwischen Denkmalschutz und zeitgemäßer Nutzung.

Für das Dokumentationszentrum wurde ein Stützvolumen geschaffen, das teilweise in die rückwärtigen Höfe zwischen dem bestehenden Nationalen Eisenbahnmuseum und dem zweigeschossigen Gebäude eingreift. Diese Lösung ermöglicht eine symbiotische Verbindung zwischen dem neuen Dokumentationszentrum und dem bereits bestehenden Museum, wodurch auch ein direkter Zugang über das Museum möglich wird.


Bautechnische Umsetzung

Die Bauausführung übernahm CANAS, Engenharia e Construção, S.A., unter der Bauüberwachung von Sandra Ferreira und Guilherme Monteiro. Die Ingenieurplanung lag bei Gabicrel unter José Monteiro, der sowohl die Tragwerks- als auch die Haustechnikplanung verantwortete.

Bei der Materialwahl kamen bewährte portugiesische und internationale Hersteller zum Einsatz: Cidade PVC lieferte die Fensterrahmen, SPSS das Mobiliar, während JNF die Beschläge bereitstellte. Sanitärobjekte stammen von Roca, Armaturen von Ofa. Für Bodenbeläge zeichneten Forbo, Mapei sowie Vicente & Ramos verantwortlich. Die Elektroinstallation erfolgte mit Komponenten von Efapel, die Beleuchtung mit Produkten von Schréder und Philips. Coelho da Silva übernahm die Dacharbeiten.


Nachhaltigkeit und Stadtentwicklung

Das Projekt stellt ein Modell für nachhaltige Stadterneuerung dar. Anstatt die nicht mehr zeitgemäßen Wohnstrukturen abzureißen, wurde durch die sensible Umnutzung ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung des industriellen Erbes geleistet. Die neue kulturelle Funktion wertet nicht nur das unmittelbare Quartier auf, sondern stärkt auch Entroncamento als kulturelles Zentrum der Region.

Die Konzentration verschiedener wissenschaftlicher und kultureller Einrichtungen an einem Ort schafft Synergien und macht das ehemalige Arbeiterviertel zu einem lebendigen Bildungs- und Begegnungsort. Gleichzeitig wird die Verbindung zum benachbarten Nationalen Eisenbahnmuseum gestärkt und ein zusammenhängendes kulturelles Ensemble geschaffen.

 

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