26.11.2019

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B12/2019: Architektur für Obdachlose

Obdachlos

Der B12/2019 widmet sich dem Thema Obdachlosigkeit. (Foto: Iwan Baan)


Architektur als Steigbügelhelfer

Unser Dezemberheft ist der dritte und letzte Teil der Serie “Sozial bauen” und widmet sich dem unteren Ende des Wohnspektrums: Lösungen für Obdachlose und Flüchtlinge. Diese Bevölkerungsgruppe hat keine Stimme und oftmals auch keine Lobby. Es gibt allerdings Architekturbüros, die sich mit innovativen Ideen und viel Engagement für sie einsetzen. Ermutigende Beispiele finden sich in Frankfurt, Los Angeles und London. 

Was genau ist eigentlich Obdachlosigkeit? Diese Frage mag Ihnen banal vorkommen, ist sie aber nicht. Denn von unserer Interpretation des Phänomens Obdachlosigkeit hängt es ab, wie wir sozialpolitisch und letztlich auch räumlich mit ihm umgehen. Ist Obdachlosigkeit ein gesellschaftliches Randphänomen, eines, das im Grunde nicht vorkommen kann, und das, wenn es denn doch vorkommt, nur als schnell zu überwindendes Hindernis zu betrachten wäre, dann bräuchte man sich mit ihm architektonisch nicht weiter zu befassen. Ziel wäre es dann wohl, die Wohnungslosigkeit als urbanen Störfaktor möglichst weit gehend visuell verschwinden zu lassen.

Das aber erscheint nicht nur brutal. Es erscheint auch unrealistisch. Man wird sich eingestehen müsen: In kapitalistischen, in komplexen, in wettbewerbsorientierten Gesellschaften wie den unseren kann es geschehen, dass Menschen „durchs Rost“ fallen. Obdachlosigkeit ist aus dieser Perspektive betrachtet zwar immer noch ein Problem, aber auch eines, das man als Element unserer gesellschaftlichen Struktur zur Kenntnis nehmen muss. Und das bedeutet dann architektonisch, dass es richtig ist, Lösungen zu finden, die eine Art architektonisches Selbstvertrauen, eine bauliche Präsenz an den Tag legen.

Die Exempel, die wir im Baumeister B12/2019 versammelt haben, tun dies. Sie geben der Wohnungslosigkeit ein real-bauliches und damit auch ein kulturelles Gesicht. Und das ist positiv zu bewerten. Es ist aus dieser Perspektive richtig, dass sich eine Notunterkunft im Frankfurter Osthafen selbstbewusst mit dem urbanen Umfeld zu interagieren anschickt. Und es ist auch richtig, wenn Michael Maltzahn in Los Angeles mit seinen Crest Appartments ein architektonisches Signal aussendet, das dieses gesellschaftliche Problemfeld nicht versteckt, sondern quasi „würdevoll“ präsentiert.

Das bedeutet nicht, dass Maltzahns Gebäude Kathedralen für Wohnungslose bauen würden, um ein gesellschaftliches Krisenthema zu ästhetisieren und damit zu normalisieren. Wenn ein Mensch kein Zuhause hat, dann ist und bleibt das ein Skandal. Es gilt dann, die richtigen Impulse zu setzen, damit der Einzelne aus seiner Problemlage herausfindet. Eine Architektur, die hier quasi als Steigbügelhelfer dient, weil sie ein Stück Sicherheit schafft, vielleicht auch ein angenehmes und stimmiges Umfeld, hat in diesem Sinne eine soziale Funktion.

Sie finden den B12/2019 im Shop.

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