21.05.2014

Event

Australischer Pavillon

Das Bauen zwingt eine Idee in ein Gebäude – darum sieht Rene Van Meeuwe das Potenzial der Architektur in der Idee. Mit nicht realisierten Architekturen der letzten 100 Jahre schlägt er die Brücke zu Koolhaas’ Oberthema.

Baumeister: Wie würden Sie mit wenigen Worten das Konzept Ihres Pavillons beschreiben?
Rene Van Meeuwen: „Augmented Australia: 1914–2014“ ist eine Reihe von 23 nicht realisierten Projekten, passend zu Koolhaas’ Thema „Absorbing Modernity: 1914 – 2014“. Grundlage ist eine innovative Techonologie, die sich „Augmented Reality“ nennt und die sich Besucher mit Hilfe einer App auf ihr eigenes Gerät laden können. Die Ausstellung selbst wird in unserem temporären Pavillon „The Cloud“ stattfinden. Dort kann man sowohl die australische Ausstellung erleben als auch die Augmented Australia App aus iTunes oder Google Play herunterladen.

B: Wie genau stellt sich die Verbindung zum Oberthema „Fundamentals 1914 – 2014“ dar?
R V M: Wir sind der Meinung, dass nicht realisierte Architektur besonders aussagekräftig ist. Der Zustand des Bauens erzwingt die Transformation einer Idee in ein Gebäude. Nicht gebaute Arbeiten hingegen bleiben Ideen. Wir nutzen diese für zahlreiche Projekte, die über die letzten 100 Jahre erarbeitet, aber nie umgesetzt worden sind. Wir hoffen, dass wir so die Beziehung zwischen der Architektur Aus-traliens und der anderer Länder erläutern können.

B:Ihr Fokus liegt also auf nicht realisierten Projekten. Warum ist diese Sichtweise für Australien typisch und vielleicht auch einzigartig?
R V M: Australien hat im Prinzip eine der ältesten Zivilisationen. Dennoch ist es eine der am spätesten dem Westen angepasste Nation. Kolonialisiert wurde Australien erst vor etwa 200 Jahren. Unser Erbe wurde aus Europa importiert. Deshalb untersucht die Ausstellung das australische Erbe der letzten 100 Jahre. In Amerika und Europa können architektonische Einflüsse und Trends zwischen verschiedenen Ländern leicht ausgetauscht werden. Im Gegensatz dazu ist Australien eine Insel. Das bedeutet, dass es geografische Grenzen gibt, die den Fluss der Globalisierung behindern und somit auch den Fluss von architektonischen Trends. Dies erlaubt uns, die Architektur in Australien als weniger von Traditionen und Moden beeinflusst zu betrachten. Da-raus resultiert ein Experiment: Wir versuchen herauszufinden, ob die australische Architektur dabei helfen kann, Unterschiede eindeutiger als andere Länder zu definieren. Und zwar genau wegen des eben angesprochenen Verhältnisses von Aus-tralien zu anderen Ländern. Veranschaulicht werden kann der Zustand Australiens an folgendem Beispiel: In den 1960er Jahren tauchte aus unserer riesigen Wüste ein Stamm Einheimischer auf, die noch nie zuvor weißen Menschen begegnet waren. Anfangs dachten sie sogar, Weiße seien Geister. Zur selben Zeit entwarf Pier Luigi Nervi nicht allzu weit entfernt eine Kathedrale für die spanische Enklave New Norcia in West-Australien, die eine rationalistische Tradition des Vatikans in Rom verfolgt.

B: Sie sprechen viel von „Erbe”. Können Sie Ihre Vorstellung davon etwas genauer erklären?
R V M: Es gibt zwei verschiedene Aspekte innerhalb von Augmented Australia, den historischen und den zeitgenössischen. Die historischen Projekte sind eine Verehrung und Dokumentation unseres Erbes. Wir beleben es wieder, um in Koolhaas’ breites Schema zu passen und um eine Geschichte über die Entwicklung der Architektur in Australien und der ganzen Welt zu erzählen. Das zeitgenössische Projekt ist im Gegensatz dazu eine Verehrung unseres aktuellen Zustands. Moderne Denkweisen und Trends unseres Berufs werden dokumentiert. Auch wenn es noch keine Ergebnisse gibt, würde ich sagen, dass der Hauptindikator, den wir in diesem Experiment gefunden haben, folgender ist: In der Aus-tralischen Architektur gibt es eine Kultur der Verehrung von Ideen. Ich freue mich darauf, die gesamte Ausstellung zu besichtigen, um all diese Aspekte noch weiter auszuarbeiten.

B: Ein Wunsch der Kuratoren war es, den Dialog zwischen den verschiedenen Ländern zu initiieren. Inwieweit ist das Konzept Ihres Pavillons in der Lage, mit dem Pavillon einer anderen Nation in Dialog zu treten?
R V M: Die Sammlung historischer Projekte beschäftigt sich hauptsächlich mit Verbindungen, Netzwerken und globalen Trends in der Architektur. Egal ob durch Vereinigungen, Reisen oder Immigration – viele Architekten sind miteinander verbunden. Deshalb gibt es starke Parallelen zwischen den historischen australischen Projekten und der Architektur in anderen Ländern. Diese Parallelen werden in unserer Sammlung deutlich werden. Die zeitgenössischen Projekte werden zeigen, wie diese Einflüsse und Verbindungen im modernen, digitalen Zeitalter sichtbar sind. In gewisser Weise wird sich Australien die Arbeiten aller Länder zu Nutze machen. Das historische Projekt beschäftigt sich mit Europa und Amerika. Aufgrund der Tatsache, dass wir in der Region des Asiatischen Pazifiks gelegen sind, erfahren wir eine andere klimatische und kulturelle Reaktion auf unsere zeitgenössische Architektur, als es woanders der Fall ist. Dies ist Thema unseres zeitgenössischen Projekts.

Illustration: Minifie van Schaik, Caught Unawares, 2013, Sydney, New South Wales, Australia. Digital reconstruction by Ben Juckes. Courtesy: felix.

Aus dem Englischen von Jördis Bunse

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