02.06.2025

Architektur Öffentlich

Aussegnung Kloster Reute von Braunger Wörtz Architekten

Kirche
Die Aussegungshalle des Kloster Reute von Braunger Wörtz Architekten. Foto: Brigida González

Im Zuge der Gesamtsanierung der denkmalgeschützten Klosteranlage Reute aus dem 17. bis 21. Jahrhundert entstand eine neue Aussegnungshalle. Das Büro Braunger Wörtz Architekten entwarf einen zurückhaltenden Lehmbau für die Franziskanerinnen von Reute e.V.


verschiedene Erden

Der schlichte Neubau orientiert sich am historischen Klosterschwesternfriedhof und fügt sich mit wenigen, aber bewusst gesetzten Elementen in die bestehende Struktur ein. Eine große Eichen-Bank und wassergebundene Freiflächen ergänzen die Anlage. Die Architekten wählten eine zurückhaltende Positionierung, die die denkmalgeschützte Klosteranlage respektiert– eine Haltung, die dem franziskanischen Geist der Bescheidenheit entspricht.

Das Gebäude besteht aus 85 Zentimeter starken, monolithischen Lehmwänden und einem Lehmboden. Ein Betondach schützt die Konstruktion vor Witterungseinflüssen und trägt eine Dachbegrünung. Die Architekten verwendeten lokalen Lehm, dem sie eine besondere Bedeutung verliehen: Erden aus verschiedenen Wirkungsstätten der Franziskanerinnen von Reute wurden beigemischt.


vermenschlichte Technik

Zwei Pivot-Türen aus Eiche bilden den Zugang hinein. Im Inneren ist ein Merkmal zu beachten: Die Wände sind leicht nach außen geneigt, was zu einer besonderen Lichtwirkung im Innenraum führt: Das Tageslicht „streift“ die Wände, wie die Architekten es beschreiben, und schafft so ein „Bildnis der Tageszeit und Lebenszeit“. Die Ausstattung beschränkt sich auf ein Stahlkreuz, eine Kerze und drei Eichenhocker.

Die massiven Lehmwände und der Lehmboden fungieren als natürliche Klimaregulatoren. Das Material absorbiert und gleicht Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit und Gerüche aus. Diese Eigenschaft ist für die zeitweise Aufbahrung von Verstorbenen relevant.

Eine in die Wände integrierte Bauteilaktivierung unterstützt die passive Klimatisierung. Das System wird von einer Luft-Wasser-Wärmepumpe betrieben, die ihre Energie aus der vorhandenen Photovoltaikanlage des Klosters bezieht. Bemerkenswert ist die Steuerung: Die Franziskanerinnen übernehmen selbst im täglichen Betrieb die Regelung der Anlagen – eine „vermenschlichte Gebäudeleittechnik“, wie es im Konzept heißt, die gut zur persönlichen Atmosphäre des Klosterlebens passt.

Foto: Brigida González
Foto: Brigida González

Kaum Wartung, kaum Störung

Die Materialwahl folgt Kriterien der kurzen Transportwege und geringen Verarbeitungsenergie. Lehm und Beton stammen aus lokalen Quellen. Der monolithische Lehm gilt als wartungsarm, da er durch das Betondach vor direkter Bewitterung geschützt ist. Das End-of-Life-Konzept sieht vor, dass der Lehm nach einer möglichen Nutzungsänderung der Erde zurückgeführt werden kann, während der Beton recycelt wird. Diese Überlegung beeinflusste bereits die Planungsphase und die Materialwahl. Die Betriebskosten werden durch die passive Klimatisierung und die Integration in die bestehende Energieversorgung des Klosters begrenzt. Die geringe technische Ausstattung reduziert Wartungsaufwand und Störungsanfälligkeit.


Lehm als Konstruktionsmaterial

Der monolithische Lehmbau in statisch tragender Funktion stellt eine Alternative zu konventionellen Massivbauweisen dar. Das Material ist global verfügbar und erfordert minimale Verarbeitungsenergie. Die Kombination mit dem Betondach zeigt Möglichkeiten für Hybridkonstruktionen auf. Der Stampflehm wurde vor Ort verarbeitet, was Transportkosten reduzierte und lokale Wertschöpfung ermöglichte. Die Wandstärke von 85 Zentimetern resultiert aus statischen Erfordernissen und klimatischen Überlegungen. Die Oberflächenbehandlung des Lehms erfolgte durch Glätten, wodurch eine robuste und pflegeleichte Oberfläche entstand. Diese Technik ist etabliert und erfordert keine speziellen Wartungsmaßnahmen.

Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Foto: Brigida González
Foto: Brigida González

Funktionale Anforderungen

Die Aussegnungshalle muss verschiedene liturgische und praktische Anforderungen erfüllen. Dazu gehört die temporäre Aufbahrung von Verstorbenen ebenso wie die Nutzung für Gedenkfeiern und stille Besinnung. Die Raumgröße berücksichtigt diese unterschiedlichen Nutzungsszenarien. Die Akustik des Raums wird durch die massiven Lehmwände beeinflusst, die Schall absorbieren und damit eine ruhige Atmosphäre schaffen. Die Barrierefreiheit ist durch die ebene Erschließung und die schwellenlosen Türen gewährleistet.

Die Aussegnungshalle des Klosters Reute zeigt eine konsequente Anwendung traditioneller Baumaterialien in zeitgemäßer Architektur. Das Projekt verbindet liturgische Anforderungen mit nachhaltigen Bauweisen und demonstriert die Möglichkeiten des Lehmbaus in sakralen Kontexten. Die Reduktion auf wesentliche Elemente entspricht sowohl spirituellen als auch ökonomischen Grundsätzen – und schafft dabei einen Raum, der tatsächlich zum „Hören der Stille“ einlädt, wie es die Architekten formulieren. Das Projekt ist nominiert für den DAM Preis 2026.

 

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