Im Zuge der Gesamtsanierung der denkmalgeschützten Klosteranlage Reute aus dem 17. bis 21. Jahrhundert entstand eine neue Aussegnungshalle. Das Büro Braunger Wörtz Architekten entwarf einen zurückhaltenden LehmbauLehmbau – Eine alte Baumethode, bei der Wände aus Lehm und anderen natürlichen Materialien gebaut werden. für die Franziskanerinnen von Reute e.V.

verschiedene Erden
Der schlichte Neubau orientiert sich am historischen Klosterschwesternfriedhof und fügt sich mit wenigen, aber bewusst gesetzten Elementen in die bestehende Struktur ein. Eine große Eichen-Bank und wassergebundene Freiflächen ergänzen die Anlage. Die Architekten wählten eine zurückhaltende Positionierung, die die denkmalgeschützte Klosteranlage respektiert– eine Haltung, die dem franziskanischen Geist der Bescheidenheit entspricht.
Das Gebäude besteht aus 85 Zentimeter starken, monolithischen Lehmwänden und einem Lehmboden. Ein Betondach schützt die Konstruktion vor Witterungseinflüssen und trägt eine DachbegrünungDachbegrünung: Eine Dachbegrünung ist eine Art der Dachgestaltung, bei der Pflanzen und Gräser auf dem Dach gepflanzt werden. Sie trägt u.a. zur verbesserten Wärmedämmung und Luftqualität bei und ist auch optisch ansprechend.. Die Architekten verwendeten lokalen LehmLehm: Lehm ist eine natürliche, aus Tonmineralien und anderen Bestandteilen bestehende Substanz. Er wird als Baustoff eingesetzt und eignet sich aufgrund seiner guten wärme- und feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften besonders gut zur Herstellung von Lehmwänden und -decken., dem sie eine besondere Bedeutung verliehen: ErdenErden: Das Erdungskonzept dient dazu, potentiell gefährliche elektrische Potentiale abzuleiten und zu verhindern, dass Menschen versehentlich einen elektrischen Schlag bekommen. Dabei wird eine Verbindung zwischen elektrischen Geräten und einem Erdungspunkt hergestellt. aus verschiedenen Wirkungsstätten der Franziskanerinnen von Reute wurden beigemischt.
vermenschlichte Technik
Zwei Pivot-Türen aus Eiche bilden den Zugang hinein. Im Inneren ist ein Merkmal zu beachten: Die Wände sind leicht nach außen geneigt, was zu einer besonderen Lichtwirkung im Innenraum führt: Das TageslichtTageslicht: Natürliches Licht, das während des Tages durch die Fenster oder Oberlichter in ein Gebäude strömt. „streift“ die Wände, wie die Architekten es beschreiben, und schafft so ein „Bildnis der Tageszeit und Lebenszeit“. Die Ausstattung beschränkt sich auf ein Stahlkreuz, eine Kerze und drei Eichenhocker.
Die massiven Lehmwände und der Lehmboden fungieren als natürliche Klimaregulatoren. Das Material absorbiert und gleicht Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit und Gerüche aus. Diese Eigenschaft ist für die zeitweise Aufbahrung von Verstorbenen relevant.
Eine in die Wände integrierte BauteilaktivierungBauteilaktivierung: Die Bauteilaktivierung beschreibt die Nutzung von Gebäudebauteilen zur Erzeugung von Wärme oder Kühle. Sie kann dazu beitragen, den Energieverbrauch eines Gebäudes zu reduzieren. unterstützt die passive Klimatisierung. Das System wird von einer Luft-Wasser-Wärmepumpe betrieben, die ihre EnergieEnergie: die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten oder Wärme zu erzeugen. aus der vorhandenen Photovoltaikanlage des Klosters bezieht. Bemerkenswert ist die Steuerung: Die Franziskanerinnen übernehmen selbst im täglichen Betrieb die Regelung der Anlagen – eine „vermenschlichte GebäudeleittechnikGebäudeleittechnik: Gebäudeleittechnik bezieht sich auf die Technologie, die für die Überwachung und Kontrolle der verschiedenen technischen Systeme eines Gebäudes erforderlich ist.“, wie es im Konzept heißt, die gut zur persönlichen Atmosphäre des Klosterlebens passt.
Kaum Wartung, kaum Störung
Die Materialwahl folgt Kriterien der kurzen Transportwege und geringen Verarbeitungsenergie. LehmLehm: Lehm ist eine natürliche, aus Tonmineralien und anderen Bestandteilen bestehende Substanz. Er wird als Baustoff eingesetzt und eignet sich aufgrund seiner guten wärme- und feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften besonders gut zur Herstellung von Lehmwänden und -decken. und Beton stammen aus lokalen QuellenQuellen: Das Ausdehnen von Holz aufgrund von Feuchtigkeitsaufnahme.. Der monolithische Lehm gilt als wartungsarm, da er durch das Betondach vor direkter Bewitterung geschützt ist. Das End-of-Life-Konzept sieht vor, dass der Lehm nach einer möglichen Nutzungsänderung der Erde zurückgeführt werden kann, während der Beton recycelt wird. Diese Überlegung beeinflusste bereits die Planungsphase und die Materialwahl. Die Betriebskosten werden durch die passive Klimatisierung und die Integration in die bestehende Energieversorgung des Klosters begrenzt. Die geringe technische Ausstattung reduziert Wartungsaufwand und Störungsanfälligkeit.
Lehm als Konstruktionsmaterial
Der monolithische LehmbauLehmbau – Eine alte Baumethode, bei der Wände aus Lehm und anderen natürlichen Materialien gebaut werden. in statisch tragender Funktion stellt eine Alternative zu konventionellen Massivbauweisen dar. Das Material ist global verfügbar und erfordert minimale Verarbeitungsenergie. Die Kombination mit dem Betondach zeigt Möglichkeiten für Hybridkonstruktionen auf. Der StampflehmStampflehm: Stampflehm ist eine natürliche Bauweise, bei der die Wand aus verdichtetem Lehm besteht. Durch die Massivität der Wand ergibt sich eine hohe Speicherfähigkeit von Wärme. wurde vor Ort verarbeitet, was Transportkosten reduzierte und lokale Wertschöpfung ermöglichte. Die Wandstärke von 85 Zentimetern resultiert aus statischen Erfordernissen und klimatischen Überlegungen. Die OberflächenbehandlungOberflächenrisse: Risse, die auf der Oberfläche des Holzes entstehen, ohne das Holz im Inneren zu beeinträchtigen. des Lehms erfolgte durch Glätten, wodurch eine robuste und pflegeleichte Oberfläche entstand. Diese Technik ist etabliert und erfordert keine speziellen Wartungsmaßnahmen.
Funktionale Anforderungen
Die Aussegnungshalle muss verschiedene liturgische und praktische Anforderungen erfüllen. Dazu gehört die temporäre Aufbahrung von Verstorbenen ebenso wie die Nutzung für Gedenkfeiern und stille Besinnung. Die RaumgrößeRaumgröße: Die Größe eines Raumes, gemessen in Länge, Breite und Höhe. berücksichtigt diese unterschiedlichen Nutzungsszenarien. Die AkustikAkustik bezieht sich auf die Beschaffenheit eines Raumes in Bezug auf Schall und dessen Ausbreitung. In der Architektur wird die Akustik beispielsweise bei der Planung von Konzertsälen oder anderen Veranstaltungsräumen berücksichtigt, um eine optimale Klangqualität zu erreichen. des Raums wird durch die massiven Lehmwände beeinflusst, die SchallSchall: Schall beschreibt Druckwellen in der Luft, die vom menschlichen Gehör wahrgenommen werden können. absorbieren und damit eine ruhige Atmosphäre schaffen. Die Barrierefreiheit ist durch die ebene Erschließung und die schwellenlosen Türensind eine Art von beweglichen Barrieren, die verwendet werden, um Räume und Bereiche voneinander zu trennen oder zu schützen. Sie bestehen in der Regel aus Holz, Metall, Glas oder Kunststoff und können in verschiedenen Größen, Formen und Stilen hergestellt werden. Als Türen bezeichnet man in der Architektur Bauteile, die Öffnungen… gewährleistet.
Die Aussegnungshalle des Klosters Reute zeigt eine konsequente Anwendung traditioneller Baumaterialien in zeitgemäßer Architektur. Das Projekt verbindet liturgische Anforderungen mit nachhaltigen Bauweisen und demonstriert die Möglichkeiten des Lehmbaus in sakralen Kontexten. Die Reduktion auf wesentliche Elemente entspricht sowohl spirituellen als auch ökonomischen Grundsätzen – und schafft dabei einen Raum, der tatsächlich zum „Hören der Stille“ einlädt, wie es die Architekten formulieren. Das Projekt ist nominiert für den DAM Preis 2026.
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